Brief an Viret und Farel, Genf, April 1546

Calvin, Jean

Seit eurer Abreise haben uns die Angelegenheiten mit der Tanzgesellschaft mehr Arbeit gemacht, als ich gedacht habe. Alle Teilnehmer haben, vor das Konsistorium geladen, mit Ausnahme Cornes und Perrins , Gott und uns frech angelogen. Mich packte die Wut angesichts ihrer Unwürdigkeit, und ich fuhr heftig los gegen diese Verachtung Gottes, dass sie so, als wäre das gar nichts, ihren Spott hätten mit den frommen Beschwörungen, die wir angewandt hatte. Sie verharrten in ihrem Trotz. Mir war der Sachverhalt bekannt; aber ich konnte nichts anderes tun, als Gott zum Zeugen dafür anzurufen, dass ihre Strafe sie schon ereilen werde. Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich mein Leben dransetzen würde, um die Wahrheit an den Tag zu bringen, nur damit sie mit ihren Lügen nichts gewonnen haben sollten. Fransoise, Perrins Frau , hat uns mit Schmähungen überschüttet, weil wir den Favres feindlich gesonnen wären. Ich antwortete ihr, wie sie es verdiente. Ich fragte sie, ob denn etwa ihre Familie unantastbar sei oder außerhalb der Gesetze stünde. Ihren Vater hatten wir eines Ehebruchs überführt, für einen zweiten hatten wir die Beweise schon beinahe in Händen, über einen dritten redete man viel in der Stadt. Ihr Bruder hatte öffentlich den Senat und uns verächtlich und lächerlich gemacht. So schloss ich denn, sie müssten, wenn sie hier nicht mit uns unter Christi Joch leben wollten, sich eine neue Stadt bauen und in ihr für sich alleine leben; solange ich in Genf sei, würden ihre Bemühungen, sich über das Gesetz hinweg zu setzen, vergeblich sein. Denn wenn es in der Familie Favres so viele Kronen gäbe wie wilde Köpfe, so würde doch Gott stärker sein als sie.

Ihr Gatte war inzwischen nach Lyon ausgewichen in der Hoffnung, man werde den Fall stillschweigend begraben. Ich stimmte dafür, sie durch einen Eid zum Bekenntnis der Wahrheit zu zwingen, und Corne machte sie darauf aufmerksam, dass er sie auf keinen Fall werde einen Meineid schwören lassen. Da gestanden sie nicht nur alles, was wir wollten, sondern auch, dass sie an demselben Tag auch noch bei Balthasars Witwe getanzt hätten. Sie wurden alle ins Gefängnis geworfen. Der Syndicus gab ein leuchtendes Beispiel von Selbstbeherrschung. Denn er sprach so streng gegen sich selbst und die ganze Gesellschaft, dass man um ihn nicht mehr viele Worte zu machen brauchte. Doch wurde er eindringlich ermahnt und seines Amtes im Konsistorium entkleidet, bis er seine Reue mit der Tat bewiesen hätte. Man sagt, Perrin sei aus Lyon zurück gekehrt. Er kann machen, was er will: seiner Strafe entgeht er nicht.

Henri wurde mit unserem Einverständnis abgesetzt. Bei dieser Gelegenheit entstand ein großer Streit. Er hatte die Wahrheit dessen, was die Zeugen über ihn geschrieben hatten, zugegeben. Dann aber flüchtete er sich hinter den Satz „Wider einen Ältesten nimm keine Klage auf, außer auf zwei oder drei Zeugen hin.“ Ich fragte ihn, von wem denn der Satz stamme: „Aus deinem Munde richte ich dich, du Schalk.“ Denn die Sache steht nicht mehr auf der Glaubwürdigkeit von Zeugen, sondern auf seinem Geständnis. Wenn er jetzt die Zeugen ablehne, so habe er nur die Wahl: entweder sei sein Geständnis wahr oder falsch; sei es wahr, so brauche man sich nicht weiter aufzuhalten; sei es falsch, so habe er eine Anklage wegen Meineides zu gewärtigen, weil er unter Eid anders ausgesagt habe, als die Sache sich verhielt. Da ging er so weit, dass er behauptete, er habe falsch und leichtsinnig ausgesagt. Als er meinte, es sei unrecht, dass ihn jetzt der so bedränge, der ihn hätte verteidigen müssen, da fragte ich ihn, womit ich mich denn verpflichtet hätte, ein e schlechte Sache zu schützen? Ich sei niemals auf die französische Partei eingeschworen gewesen. Viele solcher Worte flogen noch herüber und hinüber; aber es ging mit Schimpf und Schande für ihn aus. Er wurde seines Amtes enthoben und zugleich ins Gefängnis geworfen, nach drei Tagen aber schon wieder freigelassen. Dort war er ein eifriger Anwalt des Tanzens und hat, so viel er konnte, den Haß gegen mich bei denen geschürt, die schon vorher mehr als genug mir entfremdet waren. Aber was dergleichen Satan auch immer ins Werk setzen mag: das Beispiel wird von großem Nutzen sein. Zweierlei nämlich sagt man schon im Volk: es sei wohl keine Hoffnung, ungestraft davonzukommen, wenn auch die Vornehmsten nicht geschont werden, und ich behandelte meine Freunde auch nicht besser als mir Fremden.