Mein lieber Bruder, sehr geliebter Bruder!
Wenn ich ohne Furcht und Angst dich und deine Amtsbrüder anfeuern wollte, die Kämpfe zu bestehen, die euer warten, so würde mein Gerede euch gewiss kalt, ja unangenehm erscheinen. Da ich aber nun in grosser Angst lebe wegen eurer Gefahr und zittere, während ich euch zur Beharrlichkeit und zum Vertrauen aufmuntere, wird dieser Brief, der ein lebendiges Bild meines Herzens ist, wie ich hoffe, nicht weniger zu euch sprechen, als wenn ich selbst gegenwärtig wäre und alle eure Sorgen teilte. Und gewiss, wenn es zum Äussersten kommen sollte, wünschte ich lieber mit euch durch den Tod vereinigt zu werden, als euch zu überleben und einen solchen Verlust für die Sache Christi beweinen zu müssen. Aber mag geschehen, was da will, ihr wisst es auch ohne mich aus den Vorschriften unseres himmlischen Meisters, dass man hundertmal lieber sterben, als den Posten verlassen soll, auf den einen der Herr gestellt hat.
Die schändliche Anklage auf Rebellion, womit diese ruchlosen Menschen nicht allein euch, sondern das Evangelium selbst beschmutzen wollen, verabscheue ich gerade so wie ihr. Da ihr aber ein gutes Gewissen habt und wisst, dass man euch aus Hass so anklagt, müsst ihr diese Verleumdung ruhig und guten Mutes tragen, indem ihr euch stützt auf das Zeugnis eures Gewissens von eurer Unschuld; hat doch der Sohn Gottes selbst der Verleumdung nicht entgehen können.
Und gut ist es, dass die Wahrheit bald aus dem Dunkel hervortreten und die böse Rede eurer Feinde widerlegen wird, wenn ihr auch kein Wort zu eurer Verteidigung sagt; nach kurzer Zeit wird der Lärm ausgetobt haben, und alles wird von selbst hinfallen, und die Urheber jener Anklagen werden vor Scham verstummen. Mag der Teufel alle Macht aufbieten, euch mit Hass und Verachtung zu überschütten; er wird es nicht hindern können, dass Gott durch diesen schönen und merkwürdigen Kampf seinen Namen verklären und das Licht seiner Herrlichkeit aus der Finsternis hervorleuchten lassen wird.
Noch nie war ein freies und offenes Bekenntnis des Glaubens zu den Ohren des Königs gedrungen. Wenn das Ende dem Anfang gleichkommt, was wir hoffen, so wird der blutrote Löwe hundertmal erblassen. Seid darum unbesorgt, wenn auch die Herde zittert; widersetzt euch der Zerstörung der Gemeinde mit Ruhe und mit Kraft. Vielleicht schenkt euch Gott einigen Frieden - wider Erwarten. Wenn eure Ausdauer aber nach dem Ratschluss des himmlischen Vaters auf eine härtere Probe gestellt werden sollte, so steht das fest, dass er treu ist, und nicht gestatten wird, dass ihr über eure Kräfte versucht werdet.