Der erste Brief des Apostels Petrus.

Johannes Calvin

übersetzt von Karl Müller (1863 - 1935)

Einleitung

In diesem Brief will Petrus die Gläubigen zur Selbstverleugnung und Verachtung der Welt ermahnen, damit sie, frei von fleischlichen Begierden und losgelöst von allen irdischen Hindernissen, von ganzer Seele nach Christi himmlischem Reich trachten. Sie sollen in Hoffnung aufrecht stehen, durch Geduld sich stärken, mit Tapferkeit und Beständigkeit sich wappnen und dadurch Versuchungen aller Art überwinden und sollen in diesem Streben und Trachten während des ganzen Lebens fortfahren.

Darum spricht der Apostel gleich im Anfang mit den denkbar erhabensten Worten davon, dass Gottes Gnade uns in Christus offenbart ist. Damit aber die Frommen Gedanken und Herzen über die Welt erheben, fügt er zugleich hinzu, dass man diese Gnade durch den Glauben annimmt und in der Hoffnung besitzt (1, 3 ff.). Daran schließt sich eine Mahnung zu heiligem Wandel (1, 13 ff.): die Gläubigen sollen den Preis, um den sie erkauft sind, nicht wertlos machen, noch zugeben, dass der unvergängliche Same des Wortes, durch welchen sie zu ewigem Leben wiedergeboren wurden, verderbt werde oder ersterbe. Weil aber der Apostel von der Wiedergeburt durch Gottes Wort sprach, schließt er zugleich einen Hinweis auf den Stand geistlicher Kindschaft an (2, 2). Und damit der Glaube nicht wanke und schwanke, weil wir sehen, dass Christus fast von der ganzen Welt verachtet oder verworfen wird, fügt er hinzu, dass auf diese Weise sich erfüllt, was von ihm geschrieben steht: er werde ein Stein des Anstoßes sein. Anderseits aber lehrt der Apostel, dass Christus ein festes Fundament des Heils sein werde für diejenigen, die an ihn glauben. Im Anschluss daran wird noch einmal darauf hingewiesen (2, 9 ff.), zu welcher Ehre Gott die Gläubigen erhoben hat: sie sollen in der Erinnerung an ihren früheren Stand und im Empfinden der gegenwärtigen Wohltat sich zum Eifer für ein frommes Leben entzünden lassen. Darnach wendet sich die Rede (2, 13 ff.) zu besonderen Ermahnungen: die Christen sollen sich bescheiden und gehorsam dem Regiment der Obrigkeit unterwerfen; Sklaven sollen ihren Herren untertan sein, die Weiber ihren Männern gehorchen und einen züchtigen und eingezogenen Wandel führen; wiederum sollen die Männer ihre Frauen freundlich behandeln. Daran schließt sich die Vorschrift, dass die Christen Recht und Billigkeit untereinander pflegen sollen. Um ihnen dazu Lust zu machen, stellt der Apostel als Frucht ein ruhiges und glückliches Leben in Aussicht. Weil es nun aber das Geschick der Christen ist, dass sie, trotz ihres Trachtens nach Frieden, mit vielerlei Beleidigungen gequält zu werden pflegen und die Welt sich ohne allen Grund feindlich wider sie stellt (3, 14 ff.), mahnt der Apostel, dass wir Verfolgungen mit Gleichmut erdulden sollen, in dem Bewusstsein, dass sie uns zum Heil ausschlagen müssen. Hierfür beruft er sich auf Christi Beispiel. Auf der andern Seite erinnert er, ein wie unglückliches Ende der Gottlosen wartet, während der Herr seine Gemeinde wunderbar durch den Tod hindurch vom Tode befreit. Darnach (4, 1 ff.) wird Christi Beispiel noch weiter ausgenützt: es soll uns zur Abtötung des Fleisches anleiten. An diese Mahnung schließen sich allerlei kurze Einzelsprüche. Bald aber kehrt die Rede zur Empfehlung der Geduld zurück (4, 12 ff.): die Gläubigen sollen ihr Leid durch den tröstlichen Gedanken lindern, dass die Züchtigungen der väterlichen Hand Gottes ihnen nützlich seien. Der Anfang der fünften Kapitels erinnert die Ältesten an ihre Pflicht: sie sollen in der Gemeinde sich keine Herrschaft anmaßen, sondern unter Christi Oberherrschaft maßvoll regieren. Den jungen Leuten wird Bescheidenheit und Gelehrigkeit ans Herz gelegt. Nach einer kurzen Ermahnung schließt der Brief mit Gebet (5, 10 f.). Von welchem Orte aus er geschrieben wurde, darüber ist man sich nicht einig. Da aber ausdrücklich Babylon genannt ist, sehe ich keinen Grund, einen Zweifel zu erheben. Dass allegorisch darunter Rom zu verstehen sei, gründeten die alten Lehrer lediglich auf die allgemeine Annahme, dass Petrus von Antiochien nach Rom sich begeben habe und dort gestorben sei. Da aber die Reden von dem römischen Bistum des Petrus auf keine hinreichenden Zeugnisse sich stützen können, hat auch diese bildliche Deutung keinen Grund. Viel wahrscheinlicher ist, dass Petrus gemäß dem Inhalt seines apostolischen Berufs solche Gegenden durchzog, in welchen besonders viele Juden wohnten. Wir wissen aber, dass es deren in Babel und in der ganzen Umgebung eine große Zahl gab. 

Kapitel 1

1 Petrus, ein Apostel Jesu Christi, den erwählten Fremdlingen der Diaspora von Pontos, Galatien, Kappadocien, Asien und Bithynien, 2 nach der Vorsehung Gottes, des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung des Bluts Jesu Christi. Gott gebe euch viel Gnade und Frieden!

V. 1. Petrus, ein Apostel Jesu Christi usw. Was dieser Gruß mit denen des Paulus gemein hat, bedarf keiner neuen Erläuterung. Wo Paulus, ohne sich eines weiteren Zeitworts zu bedienen, einfach Gnade und Friede wünscht, sagt Petrus: Gott gebe euch viel Gnade usw. Das macht aber im Sinn keinen Unterschied. Denn auch Paulus wünscht den Gläubigen nicht bloß einen Anfang von Frieden und Gnade, sondern ein Wachstum, in welchem Gott einst vollenden soll, was er in ihnen angefangen hat.

Den erwählten Fremdlingen. Man könnte fragen, woher Petrus dies weiß, denn Gottes Erwählung ist geheim und lässt sich nur durch eine besondere Offenbarung des Geistes erkennen. Ein jeglicher wird durch das Zeugnis des Geistes der eignen Erwählung vergewissert, kann aber bezüglich der andern keine Gewissheit haben. Ich antworte, dass man über die Erwählung der Brüder nicht ängstlich fragen, sondern sein Urteil vielmehr auf ihre Berufung stützen soll: die durch Glauben Glieder der Gemeinde geworden sind, soll man für auserwählt halten. Denn sie sondert Gott von der übrigen Welt ab, was ein Zeichen der Erwählung ist. Gewiss fallen sehr viele, in denen bloßer Heuchelschein ist, wieder ab; aber es ist ein Urteil der Liebe, nicht des Glaubens, wenn wir alle als Auserwählte ansehen, an welchen sich das Zeichen der göttlichen Annahme zur Kindschaft sehen lässt. Der Zusammenhang zeigt aber, dass der Apostel deren Erwählung nicht aus Gottes verborgenem Rat erkennen will, sondern aus den Wirkungen erschließt. Denn kurz darauf (V. 2) gründet er dieselbe auf die Heiligung des Geistes. Soweit also ein Mensch als durch Gottes Geist wiedergeboren sich erkennen ließ, rechnet er ihn unter die Auserwählten: denn Gott heiligt nur diejenigen, die er zuvor erwählt hat. Zugleich aber erinnert der Apostel daran, aus welchem Quell die Erwählung fließt, die uns aus der Welt aussondert, damit wir nicht mit ihr zugrunde gehen: wir sind erwählt nach der Vorsehung Gottes. Hier liegt die Quelle und die erste Ursache, dass Gott vor Schöpfung der Welt sich diejenigen ersehen hat, die er zum Heil erwählen wollte. Man soll aber klüglich darauf merken, wie diese „Zuvorersehung“ verstanden sein will. Sophistische Lehrer, die Gottes Gnade verdunkeln möchten, träumen davon, dass Gott eines jeglichen Verdienste voraussehe; so ergebe sich der Unterschied zwischen den Verworfenen und Auserwählten, je nachdem der eine dieses, der andere jenes Los verdient habe. Die Schrift dagegen stellt überall Gottes Vorsatz, in welchem unser Heil begründet liegt, unsern Verdiensten gegenüber. Wenn also Petrus sagt, dass wir erwählt sind nach der Vorsehung Gottes, so gibt er zu verstehen, dass der Anlass nicht irgendwo anders liegt, sondern allein in Gott gesucht werden muss: seine freie Selbstbestimmung ist der Grund unsrer Erwählung. Durch Gottes Zuvorersehung also wird alle Rücksicht auf menschliche Würdigkeit ausgeschlossen. Wir haben darüber zum ersten Kapitel des Epheserbriefes und auch sonst ausführlicher gehandelt. Obwohl nun aber der Apostel bei unserer Erwählung die erste Stelle dem freien, göttlichen Wohlgefallen zuweist, so ist auf der anderen Seite doch seine Absicht, die Erkenntnis davon auf ihre Wirkungen zu gründen. Denn nichts ist gefährlicher und verkehrter, als dass man die Berufung dahinten lasse und die Gewissheit seiner Erwählung in Gottes Zuvorersehung suche. Hier ist ein gar zu tiefes Labyrinth. Um dieser Gefahr zu begegnen, wendet Petrus einen trefflichen Zügel an. Gewiss will er unsere Blicke zuerst auf Gottes Ratschluss lenken, der seinen Grund allein in sich selbst hat; alsbald aber weist er uns auf die Wirkungen, durch welche Gott uns die Erwählung eröffnet und bezeugt. Diese Wirkungen haben wir in der Heiligung des Geistes, das heißt in einer wirksamen Berufung, indem sich zur äußeren Predigt des Evangeliums der Glaube gesellt, der aus der inneren Anregung durch den Geist erwächst.

Die Bezeichnung der Leser als auserwählte „Fremdlinge“ deuten viele bildlich: die Frommen sollen so bezeichnet werden, weil sie in dieser Welt als Fremdlinge zum himmlischen Vaterland streben. Das ist aber ein Irrtum, wie sich aus der weiteren Bezeichnung ergibt: Fremdlinge der Diaspora von Pontus usw. Dieser Ausdruck passt allein für Juden, nicht bloß insofern sie hierhin und dorthin von ihrem Vaterlande zerstreut, sondern weil sie aus dem Lande vertrieben waren, welches der Herr ihnen als ein ewiges Erbe versprochen hatte. Später allerdings (2, 11) werden alle Gläubigen Fremdlinge genannt, weil sie auf Erden in der Fremde wallen; hier aber ist die Bedeutung des Wortes eine andere. Fremdlinge hießen die Juden darum, weil sie sich teils in Pontus, teils in Galatien, teils in Bithynien in der Diaspora oder Zerstreuung befanden. Wir dürfen uns auch nicht wundern, dass Petrus diesen Brief insbesondere für Juden bestimmt hat: denn er wusste sich, wie wir von Paulus hören (Gal. 2, 8), insbesondere zu deren Apostel bestellt. Die Landschaften, die er aufzählt, umfassen den ganzen Zug von Kleinasien, der sich vom Schwarzen Meer bis Kappadocien erstreckt.

Zum Gehorsam und zur Besprengung des Bluts Jesu Christi. In diese beiden Stücke, von welchen das eine auf die Erneuerung des Lebens, das andere auf die Vergebung der Sünden deuten dürfte, legt sich die Heiligung des Geistes auseinander. Haben wir aber in diesen Stücken Teile oder Wirkungen der Heiligung, so ist der Heiligungsbegriff hier etwas anders, nämlich weiter gefasst als gewöhnlich bei Paulus: Gott heiligt uns, indem er uns wirksam beruft. Dies geschieht aber, wenn wir zum Gehorsam gegen seine Gerechtigkeit erneuert und durch die Besprengung mit Christi Blut von Sünden gereinigt werden. Dabei scheint eine Anspielung an die alte Zeremonie der Besprengung vorzuliegen, die war unter dem Gesetze gebräuchlich war. Wie damals zur Schlachtung des Opfertiers und zur Vergießung des Blutes die Besprengung des Volkes kommen musste, so würde auch heute es uns nichts nützen, dass Christi Blut vergossen ward, wenn durch dasselbe nicht unser Gewissen abgewaschen würde. Wir haben also zwischen den Zeilen den Gegensatz zu lesen: wie einst unter dem Gesetz die Besprengung mit Blut durch die Hand des Priesters vollzogen wurde, so hat jetzt der Heilige Geist unsere Seelen zum Zweck der Sühne mit Christi Blut besprengt. Alles in allem ergibt sich der Gedanke, dass unser Heil aus Gottes gnädiger Erwählung fließt, dass wir aber dasselbe zugleich mit der Erfahrung des Glaubens erfassen müssen, nämlich darin, dass der Herr durch seinen Geist uns heiligt. Des Weiteren hat unsere Berufung einen doppelten Erfolg und Zweck: wir sollen zum Gehorsam gegen Gott erneuert und durch Christi Blut abgewaschen werden, und beides ist ein Werk des Heiligen Geistes. Wir ziehen daraus den Schluss, dass weder Erwählung und Berufung, noch die aus Gnaden geschenkte Gerechtigkeit des Glaubens und die Erneuerung des Lebens voneinander getrennt werden dürfen.

3 Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. 4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wir im Himmel 5 euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werdet zur Seligkeit, welche bereitet ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.

V. 3. Gelobet sei Gott usw. Wir bezeichneten es als den Hauptzweck des Briefes, uns über die Welt hinauszuweisen und zum Bestehen der Kämpfe geistlichen Kriegsdienstes zu rüsten und zu stärken. Hierzu trägt die Erkenntnis der Wohltaten Gottes nicht wenig bei. Denn wenn sie bei uns ihren Wert behaupten, wird leicht alles andere für nichts gelten. Wenn wir insbesondere bedenken, was Christus mit seinen Gütern bedeutet, achten wir alles außer ihm als Kot. Darum erhebt der Apostel Gottes unermessliche Gnade in Christus hoch, damit es uns nicht beschwerlich falle, uns selbst und die Welt zu verleugnen, um den unvergleichlichen Schatz des zukünftigen Lebens zu gewinnen. Weiter sollen wir uns durch gegenwärtige Mühsale nicht zerbrechen lassen, sondern sie geduldig tragen, indem wir in der ewigen Glückseligkeit ausruhen. Die Danksagung für diese Gottesgaben ruft die Gläubigen zu der geistlichen Freude auf, die alle widerstrebenden Stimmungen des Fleisches erstickt.

Und der Vater unsers Herrn Jesu Christi. Die Worte sind etwa in dem Sinne aufzulösen: Gott, welcher der Vater Jesu Christi ist. Denn wie sich Gott einst den Gott Abrahams nannte und durch diese Bezeichnung sich von allen gemachten Göttern unterscheiden wollte, so will er, nachdem er sich in seinem Sohne geoffenbart hat, nicht anders als in ihm sich erkennen lassen. Wer also die bloße Majestät Gottes, abgesehen von Christus, im Geiste erfassen will, hat einen Götzen an Stelle Gottes. So geht es den Juden und Türken. Wer den wahren Gott wahrhaft zu erkennen begehrt, muss ihn mit dem Titel des Vaters Jesu Christi schmücken. Solange unseren Gedanken, die Gott suchen, nicht Christus begegnet, werden sie unklar und verworren umherirren und endlich ganz vergehen. Zugleich wollte Petrus daran erinnern, wie es kommt, dass Gott so freundlich und guttätig sich gegen uns stellt. Denn wenn wir nicht Christus als Mittler annehmen, können wir seine Güte niemals ernstlich schmecken.

Der uns wiedergeboren hat. Dieser Ausdruck lässt ersehen, dass das Leben ein übernatürliches Geschenk ist: denn wir werden als Kinder des Zorns geboren. Wären wir nach dem Fleische zur Hoffnung des Lebens geboren, so wäre die neue Geburt aus Gott überflüssig. Darum lehrt Petrus, dass wir, die wir von Natur für den ewigen Tod bestimmt waren, durch Gottes Barmherzigkeit ins Leben zurückgeführt wurden. Dies ist aber, wie wir im ersten Kapitel des Epheserbriefes lesen, gleichsam eine zweite Schöpfung. Von einer lebendigen Hoffnung ist die Rede, weil sich dieselbe auf das Leben bezieht. Dabei deutet der Ausdruck einen Gegensatz zwischen jener Hoffnung an, die sich fest auf Gottes unvergängliches Reich gründet, und den schwankenden und flüchtigen Hoffnungen der Menschen.

Nach seiner großen Barmherzigkeit. Die Aussage beschreibt erstlich die wirkende Ursache, sodann das Mittel der Durchführung. Gott ist durch keine Verdienste von unserer Seite bestimmt worden, uns eine Wiedergeburt zu lebendiger Hoffnung zu schenken: der Apostel schreibt dies gänzlich seiner Barmherzigkeit zu. Und um das Verdienst der Werke völlig zunichte zu machen, spricht er von seiner „großen“ Barmherzigkeit. Gewiss bekennt jedermann, dass Gott der einzige Urheber unsers Heils ist; dann aber fügt man allerlei äußere Ursachen hinzu, welche zur erheblichen Schmälerung seiner Barmherzigkeit dienen. Dagegen rühmt Petrus die Barmherzigkeit allein, spricht auch weiter davon, wie sie sich vermittelt: durch die Auferstehung Jesu Christi. Denn nirgends sonst noch auf eine andere Weise offenbart Gott sein Erbarmen gegen uns; darum leitet uns die Schrift immer zu diesem Zielpunkt. Dass der Apostel von Christi Tod schweigt und nur seiner Auferstehung gedenkt, darf uns nicht wundern. Denn in derselben ist der Tod eingeschlossen, weil es zur Vollendung nicht ohne den Anfang kommt. Genannt ist aber gerade die Auferstehung, weil vom neuen Leben die Rede ist.

V. 4. Zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe. Diese drei Beiwörter dienen zur Erhöhung der Gnade Gottes. Denn wie ich schon sagte, ist dies das Hauptanliegen des Petrus, deren Erhabenheit unserm Gemüt gut und tief einzuprägen. Das unvergängliche Erbe und (V. 5) die „Seligkeit, welche bereitet ist, dass sie offenbar werde“, sind nun in dem Verhältnis zu denken, dass das letztere Stück erläuternd zum ersten gefügt wurde. Ein und dieselbe Sache ist mit doppeltem Ausdruck beschrieben. Dabei hat jedes Wort sein eigenes Gewicht. Dass unser Erbe behalten wird im Himmel, will uns lehren, dass es sich außer Gefahr befindet. Ruhte es nicht in Gottes Hand, so wäre es unendlichen Gefahren ausgesetzt. Befände es sich in dieser Welt, wie könnten wir unter so mannigfachen Erschütterungen sicher sein? Um uns also von allem Zittern zu befreien, betont der Apostel, dass unser Heil wider alle Angriffe des Satans an sicherem Ort geborgen sei. Weil aber die Gewissheit des Heils uns wenig Trost bringen würde, wenn nicht ein jeglicher sie auf sich ganz persönlich beziehen dürfte, fügt Petrus hinzu (V. 5): für euch. Nun findet das Gewissen sanfte Ruhe, da vom Gott vom Himmel ruft: Siehe, euer Heil ruht in meiner Hand und wir für euch verwahrt. Weil übrigens das Heil nicht ein unterschiedsloser Besitz aller Menschen ist, erinnert Petrus an den Glauben: wer mit dem Glauben beschenkt ist, soll sich von den andern unterschieden wissen und nicht zweifeln, dass er zu den wahren und rechtmäßigen Erben des Gottesreichs gehört. Der Glaube dringt bis in die Himmel hindurch und macht uns darum die Güter zu eigen, die im Himmel sind.

V. 5. Die ihr aus Gottes Macht bewahret werdet. Bemerkenswert ist die gegenseitige Beziehung der Aussagen: wir werden auf Erden bewahrt, während unser Erbe im Himmel behütet wird. Ohne diesen Zusammenklang müsste ja sofort der Gedanke sich einschleichen: was nützt es, dass das Heil für uns im Himmel verwahrt liegt, während wir in der Welt wie in einem rasenden Meer umgetrieben werden? Was nützt es, dass unser Heil in sicherem Hafen sich befinden soll, während uns tausend Schiffbrüche dahin reißen? Derartigen Einwänden kommt der Apostel zuvor, indem er lehrt, dass wir trotz aller Gefahren der Welt durch den Glauben bewahrt werden; sind wir dem Tode auch noch so nahe, so bleiben wir doch sicher unter der Hut des Glaubens. Freilich schwankt bei der Schwachheit des Fleisches oft selbst der Glaube. So müssten wir im Blick auf den folgenden Tag immer in Angst schweben, wenn nicht auch in diesem Stück der Herr uns zu Hilfe käme. Wir sehen, wie im Papsttum die teuflische Meinung um sich gegriffen hat, dass man an seiner endlichen Beharrung zweifeln müsse, weil wir ja ungewiss seien, ob wir morgen noch in der gleichen Gnade stehen werden. Petrus aber lässt uns nicht in dieser Schwebe. Denn eben darum behauptet er, dass wir durch Gottes Kraft aufrecht stehen, damit nicht ein Zweifel, der aus dem Bewusstsein eigener Schwachheit entspringt, uns beirre. Mögen wir also noch so schwach sein, so wankt doch unser Heil nicht, weil es durch Gottes Kraft gestützt wird. So deckt uns auf der einen Seite der Glaube, auf der andern ruht eben dieses Glaubens Festigkeit auf Gottes Kraft. Daraus erwächst Sicherheit nicht bloß aus der Gegenwart, sondern auch für die Zukunft.

Zur Seligkeit. Weil wir von Natur ungeduldig sind, unterliegen wir bei jedem Verzug dem Überdruss. Darum erinnert der Apostel, dass unser Heil nicht etwa darum ausbleibt, weil es noch nicht fertig wäre, sondern weil die rechte Zeit der Offenbarung noch nicht gekommen ist. Diese Belehrung will unsere Hoffnung nähren und aufrechterhalten. Der Tag des Gerichts wird als die letzte Zeit bezeichnet, weil man vor demselben noch nicht die Zurechtstellung aller Dinge erwarten darf. Denn in der Zwischenzeit ist noch alles im Werden. Allerdings ist anderwärts unter der letzten Zeit der ganze Zeitabschnitt seit Christi Wiederkunft verstanden (Ebr. 1, 2). Diese Redeweise gründet sich auf einen Vergleich mit den früheren Zeitaltern; dagegen richtet sich der Blick des Petrus auf den gesamten Ablauf der Weltgeschichte.

6 Darüber frohlocket ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7 auf dass euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewähret wird, zu Lobe, Preis und Ehre, wenn nun offenbaret wird Jesus Christus, 8 welchen ihr nicht gesehen und doch lieb habt; und da ihr nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet, frohlocket ihr mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, 9 indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet, nämlich der Seelen Seligkeit.

V. 6. Darüber frohlocket ihr. Obwohl die griechische Form auch als Aufforderung verstanden werden kann: „Frohlocket!“ – zwingt doch der Sinn, dass wir bei der gegebenen Übersetzung bleiben. Das Wörtchen „darüber“ begreift den gesamten Inhalt der Hoffnung auf die im Himmel geborgene Seligkeit. Übrigens hat die Rede weniger lobenden als ermahnenden Charakter. Der Apostel will an die Frucht erinnern, die aus der Heilshoffnung bei uns erwachsen muss, die geistliche Freude. Damit wird die Herbigkeit aller Übel nicht bloß gemindert, es wird sogar jegliche Traurigkeit besiegt; und ein „Frohlocken“ bedeutet sogar noch mehr als einfache Freude. Dies aber scheint sich einigermaßen zu widersprechen, dass die Gläubigen, die mit Freuden frohlocken, nach diesem Wort des Apostels zugleich traurig sind. Diese Stimmungen schließen sich doch gegenseitig aus. Die Gläubigen wissen aber viel mehr aus Erfahrung, dass dieselben in einer Weise zusammen bestehen, die sich mit Worten nicht ausdrücken lässt. Um aber diese Frage wenigstens einigermaßen zu lösen, will ich festhalten, dass die Gläubigen nicht Klötze nicht, noch die menschliche Empfindung völlig abgeschüttelt haben; sie fühlen sich vom Schmerz berührt, fürchten sich vor Gefahren, empfinden Armut als lästig und Verfolgungen als schwer und hart. Sie empfinden also infolge solcher Übel Traurigkeit, aber eine solche, die durch den Glauben gelindert wird, so dass ihnen trotz allem die Freude nicht ausgeht. So hindert ihre Traurigkeit die Freude nicht, sondern gibt derselben vielmehr Raum. Anderseits überwindet die Freude zwar die Traurigkeit, tilgt sie aber nicht völlig aus, denn sie beraubt uns nicht des menschlichen Gefühls. Hier wird offenbar, worin wahre Geduld besteht. Ihr Anfang und gleichsam ihre Wurzel ist die Erkenntnis der Wohltaten Gottes, insbesondere, dass wir die gnädige Annahme zur Kindschaft, deren er uns gewürdigt hat, bedenken. Denn wer dazu den Sinn emporhebt, wird leicht alle Übel in Sanftmut sich gefallen lassen. Nur darum lässt sich unser Geist durch Traurigkeit niederdrücken, weil wir keinen Geschmack für die geistlichen Güter haben. Wer sich aber sagt, dass alle Beschwerden für das Heil nützliche Übungsmittel sind, wird sich nicht bloß über dieselben erheben, sondern sie auch in Anlässe zur Freude verkehren. Die ihr jetzt traurig seid. Aber sind nicht auch die Verworfenen traurig, da sie doch dem Übel nicht entgehen können? Petrus aber denkt daran, dass die Gläubigen die Traurigkeit willig auf sich nehmen, während die Gottlosen knirschen und hochfahrend dem Herrn widerstreben. Die Gläubigen sind also in der Weise traurig, wie ein zahmes Rind das Joch annimmt, oder ein gebändigtes Pferd sich selbst von einem Knaben zügeln lässt. Die Verworfenen aber trifft Gott mit Traurigkeit, wie man einem wilden und widerspenstigen Ross mit gewaltsamer Hand die Zügel anlegt. Es schlägt aus und wehrt sich dagegen, aber vergebens. Petrus lobt also die Gläubigen, dass sie nicht gezwungen, sondern freiwillig sich der Traurigkeit unterstellen. Er fügt hinzu: wo es sein soll, was etwa bedeutet: weil es sein soll. Es wird uns dadurch eingeprägt, dass Gott die Seinen nicht grundlos quält. Wäre dies der Fall, so ließe es sich freilich schwer tragen. Petrus nimmt also einen Trostgrund aus Gottes Rat. Gewiss wird dessen Grund uns nicht immer deutlich; aber wir sollen doch immer überzeugt sein, dass es so geschehen muss, weil es dem Herrn gefällt. Bemerkenswert ist, dass nicht von einer, sondern von mancherlei Anfechtungen, also von verschiedenen Arten die Rede ist. Die weitere Auslegung möge man im ersten Kapitel des Jakobusbriefes nachlesen. Auch dass die Anfechtung nur eine kleine Zeit währt, dient zum Trost. Denn die Kürze der Zeit mildert auch das härteste Leid nicht wenig. Die Dauer des gegenwärtigen Lebens aber ist nur wie ein Augenblick.

V. 7. Auf dass euer Glaube rechtschaffen erfunden werde. Hier wird der Beweis durch Vergleich eines Geringeren mit einem Größeren geführt. Wenn wir das vergängliche Gold so hoch schätzen, dass wir es mit Feuer läutern, um ihm seinen vollen Wert zu geben, was hat es Verwunderliches, dass Gott dem Glauben, der vor ihm ein so köstliches Ding ist, dieselbe Bewährung zumutet? Obgleich nun die griechischen Worte etwas anders lauten, so ist doch kein Zweifel, dass der Glaube mit dem Gold verglichen und als das wertvollere Stück hingestellt werden soll; daraus ergibt sich dann der Schluss, dass er eine rechtschaffenen Prüfung wert ist. Übrigens ist zweifelhaft, ob man übersetzen soll; dass das Gold durchs Feuer bewähret, d. h. erprobt gefunden, oder dass es „geläutert“, d. h. von Schlacken gereinigt wird. Beides lässt sich trefflich auf den Glauben anwenden. Denn es finden sich in uns viele Schlacken des Unglaubens; wenn wir also durch mancherlei Trübsale im Ofen Gottes geschmelzt werden, so wird unser Glaube von unreinen Beisätzen befreit, damit er rein und glänzend vor Gott dasteht. Zugleich aber wird er erprobt, ob er wahrhaft oder heuchlerisch ist. Dies doppelte Verständnis empfiehlt sich auch wegen der Fortsetzung. Denn wie das Gold voller Ehre erst wert ist, wenn es gereinigt wurde, so hat auch der Glaube seine Ehre und Krone von Gott erst zu erwarten, wenn er recht sich bewährt hat.

Wenn nun offenbaret wird Jesus Christus. Dieser Zusatz will die Gläubigen lehren, ihre Seele bis zum letzten Tage in der Erwartung zu halten. Denn jetzt ist unser Leben in Christus verborgen und wird gleichsam begraben bleiben, bis Christus aus dem Himmel erscheinen wird. Unser ganzer Lebenslauf neigt sich dem Untergang des äußeren Menschen zu, und alle unsere Leiden sind gleichsam ein Vorspiel des Todes. Wollen wir also in unseren Trübsalen Ehre und Lob schauen, so müssen wir die Augen auf Christus richten. Denn unsere Anfechtungen sind in uns selbst voller Schmach und Schande, in Christus aber sind sie herrlich. Aber diese Herrlichkeit lässt sich in Christus noch nicht völlig schauen, weil der Tag der Tröstung noch nicht gekommen ist.

V. 8. Welchen ihr nicht gesehen usw. Zweierlei spricht der Apostel aus: seine Leser lieben Christus, den sie doch nicht gesehen haben; und sie glauben an ihn, obwohl sie ihn nicht sehen. Das erste wird aber aus dem zweiten geboren. Denn der Grund der Liebe ist der Glaube; die Erkenntnis der Wohltaten, mit denen Christus uns geleitet, treibt uns zur Gegenliebe, ja, er bindet uns förmlich an sich, weil er uns vollkommenes Glück anbietet. Der Apostel lobt also die Juden, weil sie an Christus glauben, den sie nicht sehen: so sollen sie es als die Natur des Glaubens erkennen, dass er in Gütern ausruht, die unsern Augen verborgen sind. Sie haben davon etwas von eigener Erfahrung. Immerhin steckt in dieser lobenden Anerkennung auch eine Mahnung. Erstlich sollen wir lernen, dass der Glaube nicht nach der sichtbaren Erscheinung gemessen werden darf. Nach dem Augenschein ist das Leben der Christen jämmerlich; darum müssten sie völlig zusammenbrechen, wenn ihre Glückseligkeit nicht in der Hoffnung bestünde. Gewiss hat auch der Glaube seine Augen: diese dringen aber in Gottes unsichtbares Reich und geben sich mit dem Spiegel des Wortes zufrieden. Denn der Glaube ist ein Beweis von unsichtbaren Dingen, wie wir im Ebräerbrief (11, 1) lesen. Darum sagt Paulus mit Recht (2. Kor. 5, 6), dass wir fern vom Herrn wallen, solange wir in diesem Leibe wohnen; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Zum andern sollen wir lernen, dass der Glaube nicht ein kaltes Wissen ist, sondern ein solches, das unsere Herzen zur Liebe gegen Christus entzündet. Denn der Glaube fasst Gott nicht bloß in dunkeln Hüllen – dies hieße durch weglose Wüsten irren -, sondern hat Christus zu seinem Gegenstand. Weiter eignet er sich nicht Christi bloßen Namen oder bloßes Wesen an, sondern erwägt, was er für uns ist, und welche Güter er uns bringt. Denn wo ein Mensch sein Glück findet, dahin muss sich auch all sein Sinnen richten, - nach jenem Wort (Mt. 6, 21): „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“

Frohlocket ihr usw. Mit vollem Recht erinnert die Rede noch einmal an jene Frucht des Glaubens, von der wir soeben schon hörten. Denn es ist ein unvergleichliches Gut, dass unser Gewissen nicht bloß vor Gott Frieden gefunden hat, sondern in voller Sicherheit in der Zuversicht auf ewiges Leben frohlockt. Der Apostel weiß von unaussprechlicher Freude zu sagen, weil der Friede Gottes über alles Begreifen geht. Dass diese Freude herrlich, buchstäblich „verherrlicht“, ist, kann doppelt verstanden werden. Entweder soll sie einfach als rühmenswert bezeichnet oder aber einer unbefestigten und hohlen Freude gegenübergestellt werden, deren die Menschen sich alsbald schämen. So würde eine verherrlichte Freude eine feste und beständige sein, die über die Gefahr der Selbsttäuschung erhaben ist. Wer durch solche Freude sich nicht über die Himmel emporheben lässt, um, mit Christus allein zufrieden, die Welt gering zu achten, rühmt sich vergeblich, dass er Glauben habe.

V. 9. Indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet. Damit erinnert der Apostel, wohin die Gläubigen alle ihre Gedanken richten sollen: auf die ewige Seligkeit. Denn diese Welt hält mit ihren Lockungen unsere Begehrungen gefangen; dieses Leben samt allem, was den Leib angeht, hindert uns vielfach, unsere Seele auf die Betrachtung des zukünftigen und geistlichen Lebens zu stimmen. Dieses also empfiehlt uns der Apostel zum Gegenstand eifrigsten Nachsinnens. Zwischen den Zeilen lässt er uns lesen, dass man den Verlust anderer Dinge für nichts achten soll, wenn nur die Seelen gerettet werden. Wenn er sagt: „indem ihr der Seelen Seligkeit davon bringt“ – nimmt er den Lesern allen Zweifel, damit sie, der Erlangung ihres Heils gewiss geworden, umso mutiger voranschreiten. Und als Ziel ihres Glaubens stellt er eben die Seligkeit hin, damit sie bei weiterem Aufschub nicht ängstlich werden. Denn in der Gegenwart müssen wir uns mit dem Kindschaftsstande begnügen und dürfen nicht verlangen, vor der Zeit in den Besitz des Erbes gesetzt zu werden. Statt an das „Ende“ des Glaubens könnten wir auch an seinen Lohn denken, was den Sinn doch nicht verändern würde. Jedenfalls ergibt sich aus den Worten des Apostels, dass wir die Seligkeit nicht anders als durch den Glauben erlangen. Der Glaube aber stützt sich, wie wir wissen, allein auf die Zusage der gnädigen Annahme zur Kindschaft. Ist es aber so, dann verdanken wir die Seligkeit nicht dem Verdienst der Werke, noch dürfen wir sie von ihnen erhoffen. Warum aber nennt der Apostel nur die Seelen, während doch auch den Leibern die Seligkeit der Auferstehung verheißen ist? Es wird der Seele, weil sie unsterblich ist, im eigentlichsten Sinne die Seligkeit zugeschrieben, wie auch Paulus sich gelegentlich des Ausdrucks bedient, dass der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu (1. Kor. 5, 5). So bedeutet der Seelen Seligkeit nichts anderes, als was wir sonst die ewige Seligkeit nennen. Stillschweigend wird ein Vergleich gezogen mit dem sterblichen und hinfälligen Leben, welches den Leib angeht. Doch soll dem Leibe sein Anteil an der seligen Herrlichkeit nicht abgesprochen werden, sofern er ein Anhängsel der Seele ist.

10 Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforschet die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, so auf euch kommen sollte, 11 und haben geforschet, auf welche und welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war, und zuvor bezeuget hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit darnach; welchen offenbart ist, dass sie nicht für sich selbst, sondern für uns dartaten, was euch nun verkündigt ist durch die, so euch das Evangelium verkündiget haben durch den heiligen Geist, vom Himmel gesandt; was auch die Engel gelüstet zu schauen.

Den Wert dieser Seligkeit sollen wir nun daran ermessen, dass die Propheten eifrigst nach ihr gestrebt haben. Sie muss eine große und unvergleichlich herrliche Sache sein, weil sie die Propheten entzündet hat, ihr nachzuforschen. Es bezieht sich aber die Aussage über das Forschen und Suchen der Propheten nicht auf ihre Schriften und Lehren, sondern auf die persönliche Sehnsucht, die einen jeglichen beseelte. Erst die Fortsetzung will auf ihre öffentliche Tätigkeit bezogen sein. Um aber das einzelne deutlicher heraustreten zu lassen, wollen wir unsere Stelle in bestimmte Aussagen zerlegen. Erstlich: die Propheten, welche von der durch Christi Ankunft uns dargebotenen Gnade weissagten, waren eifrig darauf gespannt, die Zeit der vollen Offenbarung zu erkennen. Zum andern: der Geist Christi hat durch ihren Dienst den zukünftigen Zustand des Reiches Christi vorausverkündet, wie wir ihn teils jetzt sehen, teils noch erhoffen, nämlich dass es Christus und allen Gliedern seines Leibes bestimmt sei, durch mancherlei Leiden zur Herrlichkeit einzugehen. Zum dritten: der Dienst der Propheten trug reichere Frucht für uns als für ihre Zeit; und dies wurde ihnen geoffenbart, denn erst in Christus werden die Dinge wirklich dargeboten, deren Abbild der Herr nur dunkel und schattenhaft darstellte. Zum vierten: das Evangelium enthält, weil es derselbe Geist ist, der in ihm redet, nicht bloß eine lichtvolle Bestätigung der prophetischen Rede, sondern auch eine weit reichere und genauere Erläuterung; es enthüllt das Heil, welches die Propheten einst nur aus der Ferne schauen durften, unsern Augen in greifbarer Nähe. Endlich: wie wunderbar die herrliche, uns durch das Evangelium verheißene Seligkeit ist, lässt sich auch daraus ersehen, dass selbst die Engel, die doch Gottes Anblick im Himmel genießen, vor Sehnsucht brennen, dieselbe zu schauen. Dies alles aber zielt auf den einen Punkt, dass die Christen zur vollen Höhe ihres Glücks emporsteigen und dadurch alle Hindernisse in der Welt überwinden sollen. Denn gibt es irgendein Ding, welches durch diese unvergleichliche Wohltat nicht in den Schatten gestellt würde?

V. 10. Nach dieser Seligkeit haben gesucht die Propheten. Aber besaßen denn nicht die Väter bereits die gleiche Seligkeit wie wir? Warum heißt es also von ihnen, dass sie suchten, als hätten sie nicht erlangt, was uns heute angeboten wird? Die Lösung ist leicht: unter der Seligkeit ist in unserm Zusammenhange deren volle und klare Offenbarung zu verstehen, die uns durch Christi Ankunft zuteil wurde. Die Worte des Petrus wollen nichts anderes sagen, als was wir aus Christi Munde hörten (Mt. 13, 16 f.): „Viel Propheten und Könige haben begehrt zu sehen, das ihr seht, und haben´ s nicht gesehen. Darum selig eure Augen“ usw. Da also die Propheten nur einen geringen Geschmack der durch Christus gebrachten Gnade besaßen, mussten sie mit ihren Wünschen über das Maß der ihnen gewordenen Offenbarung hinausstreben. Nachdem Simeon Christus gesehen hat, rüstet er sich, in Frieden und beruhigten Gemütes abzuscheiden; so muss er doch vorher in Unruhe und Bangigkeit gelebt haben. Dies war die Stimmung aller Frommen. Auch die Weise des prophetischen Forschens beschreibt der Apostel, indem er hinzufügt (V. 11): auf welche und welcherlei Zeit. Es bestand nämlich ein Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium: ein Vorhang war gezogen, welcher dem Auge der Väter den nahen Anblick dessen verhüllen sollte, was uns jetzt erschlossen ist. Es wäre ja nicht passend gewesen, dass volles Licht wie am Mittag leuchte, ehe Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, gegenwärtig war. So mussten sich die Väter in ihren verordneten Grenzen halten; aber nichts brauchte sie zu hindern, in ihrer Sehnsucht nach näherem Anblick zu seufzen. Der Wunsch, die Erlösung möge eilen, in welchem sie täglich nach ihrem Anblick sich sehnten, hinderte sie doch nicht, geduldig zu harren, so lange es dem Herrn gefiel, aufzuschieben. Sehr bemerkenswert ist auch dies, was der Apostel uns lehrt, dass die Propheten nicht mit eigenen Gedanken nach dem Zeitpunkt forschten, in welchem Christi Reich kommen sollte, sondern dass sie ihren Eifer allein darauf richteten, eine Offenbarung des Geistes zu empfangen. Ihr Beispiel lehrt uns nüchternes Maßhalten in der Erkenntnis: sie drangen nicht weiter vor, als der Geist sie führte. Sicherlich würde die menschliche Neugier alle Schranken übersteigen, wenn nicht Gottes Geist unsere Geister regierte, so dass sie alles nur von ihm zu lernen begehren. Zudem ist Christi geistliches Reich eine zu hohe Sache, als dass zu seiner Erforschung menschlicher Verstand ohne Leitung des Geistes irgendetwas beitragen könnte. So wollen auch wir lernen, diesen Zügel mäßigend auf uns wirken zu lassen.

Der Geist Christi, der in ihnen war. Es bedeutet ein hohes Lob für die Lehre der Propheten, wenn es heißt, dass der Geist durch sie die Leiden Christi bezeuget hat. So sind die Menschen Herolde und Diener, der Geist aber der Urheber. Mit gutem Grunde wird auch gesagt, dass Christi Geist damals in den Propheten waltete, während die Lehrer des Evangeliums unter der Leitung des Geistes stehen, der vom Himmel gesandt war. So wird eingeprägt, dass das Evangelium seinen Ursprung in Gott hat und die alten Weissagungen von Christus eingegeben wurden.

Die Leiden, die über Christus kommen sollten. Damit die Leser ihre Leiden mit ruhigem Gemüte tragen lernen, werden sie erinnert, dass Gottes Geist dieselben längst geweissagt hat, Der Inhalt dieser Aussage ist aber noch weit umfassender: Gott hat der christlichen Gemeinde seit Anbeginn diese Ordnung auferlegt, dass das Kreuz eine Vorbereitung zum Triumph ist, der Tod ein Durchgang zum Leben; und dies hat er deutlich in seiner Offenbarung bezeugt. Darum ist kein Grund, dass Trübsale uns übermäßig beugen müssten, als wären wir in ihnen unglücklich: hat doch Gottes Geist bezeugt, dass wir glücklich sind. Bemerkenswert ist nun die Ordnung, dass die Leiden an der ersten Stelle stehen: dann erst soll die Herrlichkeit folgen. Es wird eine unveränderliche Reihenfolge eingeprägt: der Herrlichkeit muss Trübsal vorangehen. So steckt hinter unsern Worten ein doppelter Gedanke: ehe die Christen der Herrlichkeit genießen, müssen sie durch viele Beschwerden gedrückt werden. Zum andern: ihre Trübsale sind kein Unglück, weil ihnen die Herrlichkeit beigegeben und angehängt ward. Da Gott diesen Zusammenschluss geordnet hat, steht es uns nicht zu, das eine Stück vom andern loszureißen. Auch dies gewährt einen seltenen Trost, dass die Lage, die wir erleben, vor so vielen Jahrhunderten geweissagt wurde. Denn wir schließen daraus, dass es keine Täuschung ist, wenn uns ein glückliches Ende verheißen ward. Weiter erkennen wir, dass die Trübsale uns nicht durch Zufall, sondern durch Gottes gewisse Vorsehung trifft. Endlich werden uns die Weissagungen zu einem Spiegel, der uns in Bedrängnissen das Bild der himmlischen Herrlichkeit zeigt. Allerdings spricht Petrus nur davon, dass der Geist die Leiden bezeugt habe, die über Christus kommen sollten: aber er trennt Christus nicht von seinem Leibe. Darum darf die Aussage nicht auf Christi Person beschränkt werden: vielmehr soll der Anfang mit dem Haupt gemacht werden, dessen Glieder dann ordnungsmäßig folgen. So lehrt auch Paulus (Röm. 8, 29), dass wir dem gleich gestaltet werden müssen, welcher der erstgeborene ist unter vielen Brüdern. Auch Petrus handelt ja nicht von dem, was gerade nur Christus eignet, sondern von dem allgemeinen Zustand der Gemeinde. Für die Stärkung unseres Glaubens ist es aber viel passender, dass er unsere Leiden uns an dem Bilde Christi vor Augen stellt: so sehen wir mit besonderer Deutlichkeit, welche Gemeinschaft des Todes und des Lebens zwischen uns und ihm besteht. Die Regel und das Recht dieser heiligen Gemeinschaft ist: Er leidet täglich in seinen Gliedern; wenn dann in uns sein Leiden sich vollendet hat, soll wiederum auch die Herrlichkeit zur Reife kommen (vgl. auch Kol. 3, 1 ff.; 2. tim. 4, 7 f.).

V. 12. Welchen offenbaret ist, dass sie nicht für sich selbst usw. Sicherlich will diese Aussage nicht die Väter, die unter dem Gesetz lebten, von der Hoffnung auf ewige Seligkeit ausschließen. Denn Petrus leugnet nicht kurzweg, dass die Propheten zu ihrer Zeit einen nützlichen Dienst geleistet und die Gemeinde erbaut haben, sondern will nur einprägen, dass ihr Dienst für uns eine noch größere Bedeutung hat, weil wir im Ziel der Zeiten stehen. Wir sehen ja, wie herrlich die Propheten Christi Reich erheben, wie eifrig sie ihn schmücken, wie nachdrücklich sie jedermann aufrufen, ihn zu suchen. Aber seines gegenwärtigen Anblicks wurden sie beraubt, weil sie zuvor starben. Es wurde ihnen gleichsam ein Tisch gedeckt, dessen Speisen andere nach ihnen genießen sollten. Gewiss haben sie im Glauben gekostet, was der Herr durch ihre Hand auf uns kommen und uns genießen ließ; ja sie wurden zur kräftigen Speisung ihrer Seele Christi teilhaftig. Unsere Stelle aber handelt von der Art der Darbietung. Wir wissen ja, dass das Amt der Propheten seine Grenzen hatte: sie sollten sich und andere zur Hoffnung auf den kommenden Christus nähren. So besaßen sie ihn als einen verborgenen und gleichsam abwesenden. Blieben auch seine Kraft und Gnade nicht fern, so war er doch noch nicht im Fleisch geoffenbart. Darum war auch seine Herrschaft noch unter Hüllen verborgen. Erst als er zur Erde herabstieg, hat er uns gleichsam die Himmel aufgetan, so dass wir die geistlichen Reichtümer, die einst nur in bildlicher Gestalt aus der Ferne gezeigt wurden, ganz nahe sehen dürfen. Dieser Genuss des geoffenbarten Christus deckt den Unterschied zwischen uns und den Propheten auf. So wird auch deutlich, wieso sie mehr uns als sich selbst gedient haben. Obgleich aber die Propheten eine göttliche Erinnerung empfangen hatten, dass die von ihnen gepredigte Gnade für ein anderes Zeitalter aufbehalten sei, wurden sie doch in ihrer Predigt nicht lässig, noch weniger überdrüssig und gebrochen. Bewiesen sie aber eine solche Geduld, so machen wir uns sicherlich doppelten und dreifachen Undanks schuldig, wenn wir uns nicht durch den Genuss der Gnade, der ihnen noch versagt war, in allen Beschwerden, die wir leiden müssen, aufrechterhalten lassen.

Was euch nun verkündiget ist. Diese Wendung weist noch einmal auf den Unterschied zwischen der Lehre des alten Testaments und der Predigt des Evangeliums hin. Denn wie im Evangelium die Gerechtigkeit Gottes enthüllt ist, die durch Gesetz und Propheten bezeugt war (Röm. 3, 20), so wird auch die himmlische Herrlichkeit Christi, von welcher der Geist einst Zeugnis gab, jetzt öffentlich verkündigt. Zugleich empfängt die Gewissheit des Evangeliums durch die Erinnerung eine Stütze, dass es nichts enthält, als was Gottes Geist längst bezeugt hat. Weiter folgt der Hinweis, dass ebenfalls durch den heiligen Geist und unter seiner Einsprache und Leitung das Evangelium kundgetan ward: so dürfen wir von demselben nichts Menschliches gedenken.

Was auch die Engel gelüstet zu schauen. Damit wird das höchste Lob des Evangeliums gesungen: es birgt einen Schatz der Weisheit, der auch den Engeln bis dahin verschlossen und verborgen war. Allerdings könnte man es unpassend finden, dass uns erschlossen und bekannt sein soll, was den Engeln verhüllt ist, die ja allezeit Gottes Angesicht sehen und in der Regierung seiner Gemeinde und der Austeilung aller Güter ihm dienen. Ich antworte, dass diese Dinge uns erschlossen sind, soweit wir sie im Spiegel des Wortes sehen. Auch soll nicht unsere Erkenntnis als eine tiefere gepriesen werden gegenüber derjenigen der Engel. Petrus meint nur, dass uns Dinge verheißen werden, deren Erfüllung die Engel zu sehen begehren (Eph. 3, 8 ff.). Paulus sagt, dass in der Berufung der Heiden den Engeln Gottes wunderbare Weisheit kund geworden sei. Denn das war ihnen ein neues Schauspiel, dass Christus eine verlorene und so viele Jahrhunderte hindurch von der Hoffnung auf Leben ausgeschlossene Welt seinem Leibe eingliederte. So sehen die Engel täglich mit Bewunderung Gottes erhabene Werke in der Leitung seiner Gemeinde: wie viel mehr werden sie also staunen angesichts jenes höchsten Erweises göttlicher Gerechtigkeit, Güte und Weisheit, wenn Christi Reich zur Vollendung gelangen wird! Das also ist jenes Geheimnis, auf dessen Offenbarung sie noch warten und dem sie mit gutem Grund sich entgegensehnen. Immerhin kann unsere Stelle doppelt verstanden werden, entweder so, dass uns im Evangelium ein Schatz angeboten wird, der selbst die Engel zu seiner Bewunderung hinreißt, weil er ihnen ein überaus frohes Schauspiel bietet; oder aber, dass sie Christi Reich, dessen lebendiges Bild im Evangelium ausgeprägt ist, zu sehen brünstig begehren. Dieses zweite Verständnis erscheint mir angemessener.

13 Darum so begürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern, und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi, 14 als gehorsame Kinder, und stellet euch nicht gleich wie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebtet, 15 sondern nach dem, der euch berufen hat und heilig ist, seit auch ihr heilig in allem eurem Wandel. 16 Denn es stehet geschrieben: „Ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig.“

Aus der Größe und Erhabenheit der Gabe wird eine Ermahnung abgeleitet: je reicher Gottes Gnade sich über uns ergießt, umso gespannter müssen wir darauf sein, sie zu ergreifen. Es gilt, auf den Zusammenhang zu achten. Das Reich Christi, zu welchem uns das Evangelium beruft, wurde als derartig erhaben beschrieben, dass auch die Engel im Himmel sich aufrichten, es zu sehen: was vollends müssen wir tun, die wir in der Welt weilen? So lange wir auf Erden leben, ist der Abstand zwischen und Christus so groß, dass er uns vergeblich zu sich einladen wird. Also müssen wir das Bild Adams abstreifen, die ganze Welt und alle Hinderungen wegwerfen, damit wir frei und ungebunden zu Christus emporsteigen können. Der Apostel heißt seine Leser unbehindert und nüchtern auf die ihnen angebotene Gnade hoffen; sodann sollen sie nach Gott sich bilden lassen, indem sie die Welt und ihr früheres Leben verleugnen. Das erste Glied der Ermahnung ist also dies, dass sie die Lenden ihres Gemüts begürten und ihre Seele zur Hoffnung auf die angebotene Gnade stimmen sollen. Das zweite Glied fordert, dass sie sich durch Änderung ihres Sinnes zum Bilde Gottes umgestalten lassen.

V. 13. Darum so begürtet die Lenden eures Gemüts. Das Gleichnis erklärt sich aus der Sitte der Alten, lange Kleider zu tragen: sie konnten dabei weder eine Wanderung machen, noch irgendetwas bequem angreifen, wenn sie sich nicht gürteten. Daher stammen die Redewendungen, dass man sich zu einem Weg, einem Werk oder Geschäft gürtet. Die Meinung ist, dass alle Hindernisse beseitigt werden sollen, damit wir frei dem Herrn entgegenstreben können. Bei den Lenden an die fleischlichen Begierden zu denken, die man bändigen soll, ist überfein und entfernt sich von dem Sinn des Apostels. Petrus will nichts anderes sagen als jene Worte Christi (Lk. 12, 35): „Lasset eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“ Allerdings bedient sich Petrus eines doppelten Bildes, indem er dem Gemüt Lenden zuschreibt. Die Meinung ist, dass unser Gemüt durch die unruhigen Sorgen dieser Welt und überflüssige Begierden verstrickt ist, die es nicht zu Gott emporsteigen lassen. Wer also recht hoffen lassen will, muss sich zuerst von diesen Stricken befreien und seinen Geist loslösen, damit er nicht in eitlen Stimmungen zerfließe. Eben darauf zielt auch die nächste Mahnung: seid nüchtern. Denn dabei ist nicht bloß an Mäßigkeit in Speise und Trank zu denken, sondern vielmehr an die geistliche Nüchternheit, in der wir alle unsere Sinne in Zucht halten, damit sie sich nicht an den Lockungen dieser Welt berauschen. Denn wenn wir auch nur ein wenig von ihnen kosten, stehlen sie unser Herz dem Herrn; wer sie aber gar in ganzer Fülle einschlürft, muss unweigerlich stumpf und gleichgültig werden und Gott und alle göttlichen Dinge vergessen.

Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade. Damit gibt der Apostel zu verstehen, dass Leute, die ihren eitlen Gedanken die Zügel schießen lassen, nicht so klar und fest auf Gottes Gnade hoffen, wie es sich geziemte. Mögen sie auch eine geringe Hoffnung auf Gnade hegen, so gewinnt dieselbe doch keine Sicherheit, weil sie schwanken und sich in der Welt umtreiben lassen. Ausdrücklich sagt nun Petrus von der Gnade, dass sie den Lesern angeboten wird, um sie dadurch zu ihrer Annahme entschlossener zu machen. Sonst müsste man Gott in der Ferne suchen; er aber begibt sich aus freien Stücken ganz in unsere Nähe. Welch ungeheure Undankbarkeit wäre es also, wenn wir die Gnade, die uns so gütig dargeboten wird, gering schätzen wollten! So kann dieser Zusatz viel dazu beitragen, unsere Hoffnung zu beleben. Dass uns die Gnade durch die Offenbarung Jesu Christi angeboten wird, lässt eine doppelte Deutung zu. Denn die Lehre des Evangeliums offenbart uns Christus; weil wir ihn aber bis jetzt nur wie im Spiegel und im Rätselbilde sehen, wird die volle Offenbarung bis zum letzten Tag verschoben. Dies letztere Verständnis scheint mir angemessener, obgleich ich auch das erste nicht verwerfen will. Denn der Apostel beabsichtigt, uns aus der Welt herauszurufen: dafür aber wäre die Erinnerung an Christi Wiederkunft ganz besonders passend. Denn wenn wir dahin unsere Augen richten, ist uns die Welt gekreuzigt und wir der Welt. Zudem hat ja Petrus das Wort in eben dieser Bedeutung noch kurz zuvor gebraucht (V. 7). Übrigens wäre der Satz am besten dahin zu erläutern, dass uns die Gnade angeboten wird bis auf die Offenbarung Jesu Christi. Der Apostel sagt uns etwa: Ich braucht nicht einen langen Weg zu durchmessen, Gott ist euch zuvorgekommen, indem er sich euch anbietet. Da aber der völlige Genuss sich erst erschließt, wenn Christus, in welchem das Heil der Frommen verborgen liegt, vom Himmel erscheint, so bedarf es inzwischen der Hoffnung. Denn das gegenwärtige Angebot der Gnade Christi würde vergeblich sein, wenn wir nicht geduldig bis zu Christi Ankunft standhalten.

V. 14. Als gehorsame Kinder usw. Zuerst gibt der Apostel zu verstehen, dass wir vom Herrn durch das Evangelium zum ehrenvollen Recht der Kindschaft berufen wurden. Sodann prägt er die Bedingung unserer Annahme zur Kindschaft ein: Gott will seinerseits an uns gehorsame Kinder haben. Da die Gabe der Kindschaft ein freies Geschenk ist, macht uns sicherlich der Gehorsam nicht zu Kindern, aber er scheidet die Kinder von den Fremden. Petrus zeigt nun, wie weit dieser Gehorsam sich ausdehnt. Denn er verbietet den Kindern Gottes, sich den Lüsten dieser Welt gleichzustellen oder anzupassen, und ermahnt vielmehr, dass sie sich nach Gott bilden. Darauf vornehmlich zielt das Gesetz und alles, was Gott von uns fordert, dass in uns sein Bild wider strahle, damit wir nicht aus der Art geschlagene Kinder seien. Das kann aber nur geschehen, wenn wir erneuert werden und das Bild des alten Adam ausziehen. Wir entnehmen daraus, welchen Zweck Christen in ihrem ganzen Leben sich vorsetzen sollen, nämlich dass sie in Heiligkeit und Reinheit ihren Gott zur Anschauung bringen. Weil aber alle Stimmungen unseres Fleisches wider Gott streiten und die ganze Richtung unseres Geistes Feindschaft wider ihn ist, hebt Petrus mit der Verleugnung der Welt an. Überhaupt macht die Schrift, wenn sie von der Wiederherstellung des Bildes Gottes in uns handelt, immer damit den Anfang, dass der alte Mensch mit seinen Begierden in uns vertilgt werde.

Da ihr in Unwissenheit lebtet. Das bezieht sich auf die Zeit, als die Leser noch nicht zum Glauben an Christus berufen waren. Wir ersehen daraus, dass der Unglaube die Quelle alles Bösen ist. Denn von Unwissenheit ist hier nicht in dem uns geläufigen Sinne die Rede. Die platonische Lehre, dass alle Sünde nur aus Unwissenheit hervorgehe, ist falsch. Aber wenn auch die Ungläubigen durch ihr Gewissen gestraft werden, so irren sie doch wie blind in der Finsternis umher: denn sie gehen nicht auf dem rechten Weg und sind des wahren Lichtes beraubt. In diesem Sinne sagt Paulus (Eph. 4, 17), dass die Christen nicht mehr wandeln sollen wie die Heiden „in der Eitelkeit ihres Sinnes, welcher Verstand verfinstert ist und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist.“ Wo nicht die Erkenntnis Gottes herrscht, da haben Finsternis, Irrtum, Eitelkeit, Mangel an Licht und Leben die Oberhand. Das alles aber hindert nicht, dass die Gottlosen bei ihrer Sünde ein böses Gewissen haben und etwas davon empfinden, dass ihr Richter im Himmel sitzt und auch in ihnen als ihr Henker. Alles in allem: da Gottes Reich ein Reich des Lichtes ist, müssen notwendig alle, die ihm fremd bleiben, blind sein und in einem Labyrinth sich verirren. Dabei ergeht auch die Mahnung an uns, dass wir eben deshalb zur Erkenntnis Gottes erleuchtet wurden, damit wir nicht weiter durch zerstreuende Begierden uns umtreiben lassen. Nur in demselben Maße also, wie jemand in der Erneuerung des Lebens vorangekommen ist, hat er auch in der Erkenntnis Gottes Fortschritte gemacht. Doch es erhebt sich hier eine Frage: Wie kann der Apostel, der doch zu den Juden spricht, die immer unter dem Gesetz gelebt hatten und in der Verehrung des einen Gottes erzogen waren, dieselben wie ganz unheilige Leute der Unwissenheit und Blindheit zeihen? Ich antworte, dass eben hierdurch klar wird, wie fade aller Menschen Wissen ohne Christus ist. Wenn Paulus den hohlen Schein der Leute aufdecken will, die ohne Christus weise sein möchten, sagt er mit einem Worte (Kol. 2, 19), dass sie sich nicht an das Haupt halten. Solche Leute waren die Juden, die bei den zahllosen Verderbnissen, in die sie geraten waren, auch noch eine Decke vor den Augen liegen hatten, so dass sie Christus im Gesetze nicht erkennen konnten. Die Lehre, in der sie unterwiesen wurden, war freilich das wahre Licht; aber solange die Sonne der Gerechtigkeit ihnen verborgen war, zeigten sie sich blind mitten in diesem Licht. Wenn nun Petrus die Jünger des Gesetzesbuchstabens, solange sie Christus als die einzige Weisheit Gottes nicht kennen, als unheilige Leute der Finsternis zuweist, so ist es für uns eine umso dringendere Notwendigkeit, uns nach seiner Erkenntnis auszustrecken.

V. 15. Nach dem, der euch berufen hat und heilig ist usw. Der Zweck der Berufung wird als Beweisgrund herangezogen. Gott sondert uns zu seinem Eigentum ab; also müssen wir von jeder Befleckung rein sein. Dabei wird ein Satz zitiert, den Mose öfter wiederholt (3. Mos. 19, 2; 11, 45). Weil das Volk Israel auf allen Seiten von unheiligen Heidenvölkern umgeben war, deren überaus böses Beispiel sie zu zahllosen Verderbnissen verleiten konnte, ruft der Herr es immer wieder zu sich. Es ist, als wollte er ihnen sagen: Mit mir habt ihr es zu schaffen; ihr seid mein: also enthaltet euch von den Befleckungen der Heiden! Liegt es uns doch nur zu nahe, auf Menschen zu schauen und ihre allgemeine Lebensweise anzunehmen. So locken sich die Menschen gegenseitig scharenweise zu allem Bösen, bis der Herr uns durch seine Berufung aussondert. Dass wir aber heilig sein sollen, wie er heilig ist, deutet nicht auf eine vollkommene Gleichheit; aber bis zu dem von uns erreichbaren Ziel sollen wir streben. Und da von diesem Ziel auch die Vollkommensten noch immer weit entfernt sind, müssen wir täglich immer von neuem darnach streben. Dabei wollen wir uns aber erinnern, dass uns nicht bloß unsere Pflicht vorgeschrieben wird, sondern dass Gott auch hinzufügt (3. Mos. 22, 32): „Ich bin es, der euch heiligt.“ Petrus ruft uns nun zu: Seid heilig in allem eurem Wandel. Es soll also kein Stück unseres Lebens geben, welchem man nicht diesen guten Geruch der Heiligkeit anspürte. Sehen wir doch, wie Gott auch in sehr geringen und beinahe ganz gleichgültigen Dingen sein Volk an diesen Gedanken gewöhnt, damit es desto sorgfältiger sich hüte.

17 Und sintemal ihr den zum Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eins jeglichen Werk, so führet euren Wandel, solange ihr hier wallet, mit Furcht, 18 und wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöset seid von eurem eiteln Wandel nach väterlicher Weise, 19 sondern mit dem teuren Blut Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes, 20 der zwar zuvor ersehen ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, aber offenbaret zu den letzten Zeiten um euretwillen, 21 die ihr durch ihn glaubet an Gott, der ihn auferwecket hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, auf dass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott haben möchtet. 22 Und machet rein eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu ungefärbter Bruderliebe, und habt euch untereinander brünstig lieb aus reinem Herzen.

V. 17. Sintemal ihr den zum Vater anrufet usw. Wer Gott seinen Vater nennt, bekennt sich dadurch als sein Kind. In diesem Sinne heißt es bei Mose (1. Mos. 48, 16), dass Jakobs Name über Ephraim und Manasse genannt werden solle, so dass sie nun als seine Kinder gelten. An unserer Stelle deutet der Ausdruck auf die frühere (V. 14) Wendung zurück: als gehorsame Kinder. Und wie der Gehorsam beschaffen sein soll, wird aus dem Wesen des Vaters abgeleitet. Es heißt von ihm, dass er ohne Ansehen der Person richtet. Er lässt sich nicht durch die äußere Maske bestimmen wie die Menschen, sondern sieht das Herz an (1. Sam. 16, 7). Seine Augen sehen auf die Treue oder den Glauben (Jer. 5, 3). Das ist es auch, was Paulus meint, dass Gottes Urteil (Röm. 2, 2) nach der Wahrheit ergeht. An der betreffenden Stelle straft er ja die Heuchler, welche hoffen, des Herrn mit hohlem Schein spotten zu können. Alles in allem: wir tun keineswegs unsere Pflicht gegen Gott, wenn wir nur Augendienst leisten. Er ist kein sterblicher Mensch, dem die äußere Haltung Genüge leistet, sondern er liest inwendig in unserm Herzen, wie wir beschaffen sind; er gibt nicht Gesetze für Füße und Hände, sondern fordert eine Gerechtigkeit im Geist. Dass er aber richtet nach eines jeglichen Werk – deutet nicht etwa auf Verdienst oder Lohn. Denn in diesem Zusammenhange ist nicht von Verdienst der Werke oder von der Ursache des Heils die Rede; vielmehr will Petrus nur erinnern, dass vor Gottes Richterstuhl für Ansehen der Person kein Raum ist, sondern dass allein wahre Herzensreinheit gilt. Darum ist unter dem Begriff der Werke auch der Glaube mitzudenken. Die Furcht, von der Petrus spricht, steht im Gegensatz zu falscher Sicherheit, sie sich einzuschleichen pflegt, wo man hofft, ungestraft sündigen zu können. Denn da Gottes scharfes Auge überall durchdringt und auch die verborgenen Falten des Herzens durchforscht, muss man vor ihm sorgfältig, nicht leichtfertig wandeln. Einen Wandel oder eine Pilgrimschaft nennt der Apostel das irdische Leben nicht in dem Sinne, wie im Eingang des Briefes die Juden als Fremdlinge in der Diaspora bezeichnet wurden, sondern weil überhaupt alle Frommen in dieser Welt als Pilger dastehen (Ebr. 11, 13.38).

V. 18. Und wisset usw. Ein zweiter Grund wird aus dem köstlichen Preis unserer Erlösung abgeleitet, der uns immer in die Gedanken kommen muss, so oft von unserem Heil die Rede ist. Denn wer das Gnadenangebot des Evangeliums verschmäht oder verachtet, dem ist nicht bloß das eigne Heil, sondern auch Christi Blut, um dessen Preis Gott dies Heil geschaffen hat, verächtlich und wertlos. Und wir wissen doch, welch schrecklicher Frevel es ist, das Blut des Sohnes Gottes zu entheiligen. Darum gibt es nichts, was uns ernstlicher zum Streben nach Heiligkeit antreiben müsste, als der Gedanke an diesen Preis. Zur Verstärkung wird gegensätzlich auf Silber und Gold hingewiesen. Wir sollen wissen, dass die ganze Welt und alles, was Menschen wertvoll dünkt, im Vergleich mit der Herrlichkeit dieses Preises nichts ist. Sind aber die Leser von ihrem eitlen Wandel erlöset, so entnehmen sie daraus, dass das ganze Leben des Menschen ein verderblicher und viel verschlungener Umweg ist, bis er sich zu Christus wendet. Weiter wird deutlich, dass es nicht durch unsere Verdienste geschieht, wenn wir ins Leben zurückkehren dürfen; vielmehr darauf gründet es sich, dass Gott den Preis, den er für unser Heil aufwendet, in uns wirksam machen will. Christi Blut ist also nicht nur das Unterpfand unseres Heils, sondern auch der Grund unserer Berufung. Nun aber sollen wir, wie Petrus mahnt, uns hüten, dass unser Unglaube diesen Preis nicht entwerte oder zunichte mache. Übrigens könnte man sich wundern, dass Petrus Juden gegenüber von einem eitlen Wandel nach väterlicher Weise spricht. Haben dieselben wirklich aus der Unterweisung ihrer Väter nichts als Eitelkeit gelernt? Rühmt doch Paulus, dass er von den Voreltern her dem Herrn mit reinem Gewissen diene, und empfiehlt dem Timotheus die Frömmigkeit seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike zur Nachahmung (2. Tim. 1, 3 ff.). Auch Jesus sagt von den Juden, dass sie wissen, welchen Gott sie anbeten (Joh. 4, 22). Aber er denkt dabei mehr an das Gesetz und an Gottes Vorschrift als an die Masse des Volks, die in zahllose, abergläubische Bräuche, Heuchelei und groben Irrtum versunken war. Man war völlig von der wahren Frömmigkeit abgekommen und tief entartet. Wenn also Petrus den eitlen Wandel der Väter verurteilt, denkt er ihn losgelöst von Christus, der allein die Seele und Wahrheit des Gesetzes ist. Wir entnehmen daraus, dass die Menschen in verderblichen Irrtum geraten, sobald sie sich von Christus entfernen. Es ist also vergeblich, sich auf die Autorität der Väter oder die alte Sitte zu berufen. Hat doch der Prophet Hesekiel (20, 18) den Juden zugerufen: „Ihr sollt nach eurer Väter Geboten nicht leben.“ Das muss auch heute bei uns unvermindert gelten. Soll Christi Erlösung bei uns wirksam und fruchtbar werden, so müssen wir unser früheres Leben preisgeben, auch wenn es aus der Unterweisung der Väter geflossen war. Welche Torheit ist es, wenn die Papisten mit dem bloßen Namen der Väter ihren Aberglauben meinen decken und ruhig verachten zu dürfen, was man ihnen aus Gottes Wort vorträgt!

V. 19. Als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Durch einen Vergleich wird die Gnade Gottes hoch erhoben, die sich insbesondere zu den Menschen der Gegenwart freundlich herabließ. War es doch nichts Gewöhnliches oder Geringes, dass Gott die Offenbarung Christi bis zu den letzten Zeiten, in denen sie lebten, aufschob, obwohl er ihn in seinem ewigen Rat längst für das Heil der Welt bestimmt hatte. Zugleich empfangen wir noch einen Hinweis, dass es für Gott keine neue und plötzliche Erscheinung war, wenn Christus als unser Erlöser auftrat. Dies zu wissen ist ganz besonders nötig. Schon im Allgemeinen hält man jede neue Sache für verdächtig. Insbesondere aber würde unserem Glauben der feste Grund fehlen, wenn wir annehmen müssten, dass erst nach Verlauf einiger tausend Jahre dem Herrn das Heilmittel in den Sinn gekommen wäre, mit welchem er den Menschen helfen wollte. Endlich könnten wir uns nicht mit ruhiger Zuversicht auf Christus stützen, wenn wir nicht sicher wüssten, dass ewiges Heil bei ihm zu finden ist und immer zu finden war. Es lässt sich nun eine Frage aufwerfen: wie kann Christus von Ewigkeit her zum Erlöser bestimmt sein, da doch Adam nicht vor Schöpfung der Welt gefallen ist? Das Heilmittel kann doch erst nach dem Übel einsetzen? Ich antworte, dass hier Gottes Vorauswissen in Betracht kommt. Als Gott den Menschen schuf, hat er sicherlich vorausgesehen, dass er nicht lange in unversehrtem Stande bleiben werde. So hat er nach seiner wunderbaren Weisheit und Güte Christus als Erlöser verordnet, der das verderbte Menschengeschlecht dem Untergang entreißen sollte. Gerade darin leuchtet Gottes unvergleichliche Güte am hellsten, dass er unserem Übel mit dem Heilmittel seiner Gnade bereits zuvorgekommen ist, dass er die Wiederherstellung des Lebens verordnet hat, noch ehe der erste Mensch in den Tod gefallen war.

Dass Christus offenbaret ist, begreift sowohl seine persönliche Erscheinung als auch das Angebot des Evangeliums in sich. Denn durch Christi Ankunft hat Gott seinen Beschluss vollzogen, und was er den Vätern nur dunkel anzeigte, hat er uns durch die Lehre des Evangeliums klar und völlig kundgetan. Dass dies in der gegenwärtigen Zeit geschehen sei, besagt dasselbe, wie wenn Paulus davon spricht (Gal. 4, 4), dass die Zeit erfüllt ward. Es handelt sich um die rechte Gelegenheit und wahre Erfüllung, die Gott in seinem Rat festgesetzt hat.

Um euretwillen. Damit sollen die Väter nicht ausgeschlossen sein, als wäre für sie die Verheißung unnütz gewesen. Aber der Apostel will einprägen, dass der Vorzug, den Gott uns schenkte, und die umfassendere Offenbarung seiner Gnade gegen uns desto mehr Ehrfurcht, Inbrunst und Eifer in uns zeitigen müssen. Er fügt hinzu (V. 21): die ihr glaubet. Denn die Offenbarung Christi wird nicht unterschiedslos jedermann zuteil, sondern ist ein besonderes Eigentum derer, denen er durch das Evangelium wie ein Licht aufgeht. Auch im Übrigen ist die Ausdrucksweise bemerkenswert: die ihr durch ihn glaubet an Gott. Damit wird kurz die Natur des Glaubens beschrieben. Da Gott unbegreiflich ist, wird der Glaube niemals zu ihm vordringen, wenn er nicht geradeswegs sich zu Christus begibt. Aus einem doppelten Grunde kann es keinen Glauben an Gott geben, wenn nicht Christus als Mittler dazwischen tritt. Denn erstlich müssen wir die Größe der göttlichen Herrlichkeit bedenken, sowie die Dürftigkeit unseres Geistesvermögens. Unser Scharfsinn hat nicht entfernt die Fähigkeit, so hoch emporzusteigen, dass er Gott greifen könnte. Jeder Gedanke von Gott, den wir ohne Christus fassen, ist ein unermessliches Labyrinth, welches alle unsere Sinne gänzlich verschlingen muss. Zum deutlichen Beweis dienen nicht bloß die Türken und Juden, die unter dem Namen Gottes ihre Traumgebilde anbeten, sondern auch die Papisten.

Es ist eine geläufige Lehre in ihren Schulen, dass Gott der Gegenstand des Glaubens sei. Und nun fangen sie an, ohne Christi zu gedenken, ausgiebig und scharfsinnig über seine verborgene Majestät zu philosophieren. Aber was kommt dabei heraus? Sie verstricken sich in wunderliche Wahngebilde und finden kein Ende ihrer Irrwege. Denn sie sehen den Glauben als ein Gedankenbild und eine Spekulation an. Wir wollen uns erinnern, dass Christus mit gutem Grunde als das Ebenbild des unsichtbaren Gottes bezeichnet wird (Kol. 1, 15). Dieser Name wurde ihm eben darum beigelegt, weil Gott sich nur in ihm wollte erkennen lassen. Dazu kommt der andere Grund: während der Glaube uns mit Gott verbinden müsste, fliehen und scheuen wir jeden Zugang zu ihm, wenn uns nicht ein Mittler begegnet, der die Furcht von uns nimmt. Denn die Sünde, die in uns herrscht, macht uns Gott dem Herrn verhasst und ihn wiederum uns. Sobald also von Gott die Rede ist, kann es gar nicht anders sein, als dass Schrecken uns ergreift. Wenn wir uns ihm nähern, ist seine Gerechtigkeit wie ein Feuer, das uns völlig verzehrt. So ergibt sich, dass wir an Gott nicht glauben können, außer durch Christus, in welchem Gott sich gleichsam klein gemacht hat, um sich zu unserm Begreifen herabzulassen. Er allein stillt auch unser Gewissen, so dass wir nun wagen, vertraulich zu Gott zu nahen.

Der ihn auferwecket hat von den Toten. Dies wird hinzugefügt, damit unser Glaube und unsere Hoffnung eine feste Stütze haben, auf welche sie sich stützen. Dadurch wird es von neuem als eine Täuschung erwiesen, was man von dem allgemeinen Glauben an Gott fabelt. Denn wenn auch Christus nicht auferstanden wäre, würde doch Gott im Himmel bleiben. Und doch sagt Petrus, dass man an ihn nicht glauben kann, wenn Christus nicht auferstanden ist. Es steht also fest, dass der Glaube auf etwas anderes schaut als auf Gottes bloße Majestät. Und das Wort des Petrus hat guten Grund: denn freilich ist es die Art des Glaubens, in den Himmel zu dringen, um dort den Vater zu finden. Wie soll er aber dies können, wenn er nicht Christus zum Führer hat? Durch ihn haben wir, wie Paulus sagt (Eph. 3, 12), die Freudigkeit zum Zugang. Desgleichen lesen wir im Ebräerbrief (4, 16), dass wir im Vertrauen auf unsern Hohenpriester mit freudiger Zuversicht zum Gnadenstuhl hinzutreten können. Die Hoffnung ist der Anker der Seele, der in das innerste Heiligtum dringt, aber nur, nachdem Christus vorausgegangen (Ebr. 6, 19). Der Glaube ist unser Sieg über die Welt (1. Joh. 5, 4). Was anders macht ihn aber so sieghaft als eben, dass Christus, der Herr Himmels und der Erde, uns in seiner treuen Hut birgt? Da also unser Heil auf Christi Auferstehung und Oberherrschaft ruht, finden jetzt Glaube und Hoffnung ihre Stütze. Denn wenn er nicht durch seine Auferstehung über den Tod triumphiert hätte und jetzt die oberste Herrschaft besäße, in deren Kraft er uns schützen kann, was sollte bei der Übermacht der Feinde und unter so vielen gewaltsamen Anstürmen aus uns werden? Wir wollen also lernen, auf welches Ziel man blicken muss, um recht an Gott glauben zu können.

V. 22. Und machet rein eure Seelen. Andere übersetzen: „Da ihr ja eure Seelen rein macht.“ Aber der Apostel sagt nicht, wie seine Leser sind, sondern erinnert sie, wie sie sein sollen. Er straft unsere Unreinigkeit und will einprägen, dass unsere Seelen die Gnade nicht eher greifen können, als bis sie gereinigt sind. Damit es aber nicht scheine, als schiebe er die Kraft zur Reinigung der Seele uns zu, verbessert er sich alsbald und fügt hinzu, dass sie durch den Geist vollzogen wird: Gewiss sollt ihr eure Seelen reinigen; aber weil ihr dies nicht vermögt, so bringt sie dem Herrn dar, damit er durch seinen Geist ihre Unreinigkeit tilge! Es wird nun bloß die Seele genannt, obwohl, wie Paulus befiehlt (2. Kor. 7, 11), wir uns auch von den Befleckungen des Fleisches reinigen müssen. Petrus kann aber an die Seele allein erinnern, weil die innere Reinigkeit die Hauptsache ist und die äußere notwendig nach sich zieht. Seine Meinung ist, dass nicht bloß das äußere Verhalten gebessert, sondern dass die Herzen selbst von Grund aus erneuert werden müssen. Er beschreibt auch die Art und Weise davon: die Reinigkeit des Herzens besteht darin, dass wir uns Gott im Gehorsam ergeben. Als Wahrheit wird die Regel bezeichnet, die uns der Herr im Evangelium vorschreibt. Dabei ist doch nicht bloß von Werken die Rede, vielmehr steht hier der Glaube an erster Stelle. Darum prägt Paulus ein, dass es ganz besonders der Glaube ist, durch welchen wir dem Herrn Gehorsam leisten (Röm. 1, 5; 16, 26). Und Petrus erteilt dem Glauben das Lob, dass durch ihn Gott die Herzen reinigt (Apg. 15, 9).

Zu ungefärbter Bruderliebe. Dies kurze Wort erinnert an das, was Gott in unserm Leben vornehmlich fordert, und auf welches Ziel wir alle unsere Bemühungen richten müssen. Auch Paulus (Eph. 1, 4) findet die Vollkommenheit der Gläubigen in der brüderlichen Liebe. Dies muss umso eifriger eingeprägt werden, weil die Welt ihre Heiligkeit auf, ich weiß nicht welche, Spielereien zu beschränken pflegt, wobei sie das Hauptstück fast übersieht. So ermüden sich die Papisten in selbst erdachtem Aberglauben ohne Maß: die Liebe, die Gott uns vor allem empfiehlt, steht an letzter Stelle. Wenn aber Petrus von der rechten Lebensführung handelt, ruft er uns auf, nach ihr eifrig zu streben. Zuvor hat er von der Abtötung des Fleisches und von unsrer Gleichgestaltung mit dem Bilde Gottes gesprochen; jetzt erinnert er, worin wir uns nach Gottes Willen im ganzen Leben üben sollen. Wir sollen Liebe untereinander pflegen; denn dadurch bezeugen wir, dass wir auch Gott lieben. An diesem Merkmal prüft auch Gott, wer ihn in Wahrheit liebt. Die Liebe wird als „ungefärbt“ oder ungeheuchelt bezeichnet (vgl. auch 1. Tim. 1, 5), weil nichts schwerer ist, als den Nächsten mit ganz treuem Herzen zu lieben. Denn es regiert die Selbstliebe, die voller Heuchelei ist; und die Liebe, welche einer dem andern zukommen lässt, bemisst er gewöhnlich mehr nach seinem eigenen Vorteil, als nach einem wirklich frommen Eifer mitzuteilen. Außerdem sagt der Apostel, dass wir uns brünstig lieben sollen. Weil wir von Natur so träge sind, muss ein jeder sich nicht bloß einmal, sondern an jedem Tage wieder zu immer neuem Ernst und Eifer treiben.

23 Als die da wiederum geboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem Wort des lebendigen Gottes, der da ewiglich bleibet. 24 Denn „alles Fleisch ist wie Gras und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorret, und die Blume abgefallen; 25 aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit.“ Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündiget ist.

V. 23. Als die da wiederum geboren sind usw. Das ist ein weiterer Grund für die Ermahnung: wenn wir neue, von Gott wiedergeborene Menschen sind, müssen wir ein Leben führen, welches Gottes und der geistlichen Erneuerung würdig ist. Es ist nun möglich, unseren Satz mit den folgenden Ausführungen zu verbinden: weil ihr als Gottes Kinder geboren seid, müsst ihr auch (2, 2) nach der Milch, die von ihm stammt, begierig sein. Doch lässt sich der Gedanke auch allgemeiner fassen, so dass er auch mit dem Vorangehenden in Verbindung steht. Denn Petrus trägt überhaupt zusammen, was den Eifer für ein rechtes und heiliges Leben in uns wecken kann. Er will einprägen, dass wir nicht Christen sein können ohne Erneuerung. Denn das Evangelium wird nicht gepredigt, damit wir es nur hören, sondern damit es als ein Same unsterblichen Lebens unser Herz von Grund aus umbilde. Des weiteren wird Gottes Wort zu einem vergänglichen Samen in Gegensatz gestellt, damit die Gläubigen wissen, dass sie ihre alte Natur verleugnen müssen, und damit der gewaltige Unterschied zwischen den Kindern Adams, die nur in diese Welt hineingeboren werden, und den Kindern Gottes offenbar werde, die eine Erneuerung zu himmlischem Leben erfahren. Übrigens lässt der griechische Wortlaut eine doppelte Verbindung zu. Wir werden wiedergeboren entweder: aus dem Wort des lebendigen Gottes, der da ewiglich bleibet, oder „aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibet.“ Ich halte es für ungezwungener, die Eigenschaftswörter auf Gott zu beziehen. Sie wurden aber gewählt entsprechend dem Zusammenhang unserer Aussage. Denn wie im Ebräerbrief (4, 12) der Apostel aus der Tatsache, dass Gott alles durchschaut und nichts ihm verborgen ist, den Schluss zieht, dass auch das Wort eben dieses Gottes bis ins innerste Mark dringt und Gedanken und Gesinnungen scheidet, so hat es auch in unserer Stelle seine Beziehung auf das Wort, wenn Petrus Gott selbst als den lebendigen bezeichnet, der ewiglich bleibt; denn im Wort strahlt jene Ewigkeit Gottes wie in einem lebendigen Spiegel wider.

V. 24. Denn alles Fleisch ist wie Gras. Sehr passend wird die Stelle aus Jesaja (40, 6 ff.) zum Beweis für den doppelten Gedanken verwendet, wie flüchtig und jämmerlich auf der einen Seite der Zustand ist, in welchen der Mensch zuerst hineingeboren wurde, wie groß aber auf der andern Seite die Gnadengabe der Wiedergeburt ist. Der Prophet handelt an dieser Stelle von der Erneuerung der Gottesgemeinde; um für sie Raum zu schaffen, macht er die Menschen zunichte, damit sie nicht Gefallen an sich selber haben. Mit den Worten: „ja, das Volk ist das Heu“ – unterstellt er die Juden ausdrücklich der Eitelkeit, um ihnen dann die Herrlichkeit durch den Herrn zu verheißen. Ehe den Menschen nicht ihre Nichtigkeit gezeigt ist, sind sie ja nicht gerüstet, Gottes Gnade zu ergreifen. Weil nun aber der Mensch, an dem so viele Vorzüge sich sehen lassen, nicht leicht zu überzeugen ist, dass er dem Gras gleiche, so räumt der Prophet ein, dass das Fleisch eine gewisse Herrlichkeit besitzt. Damit aber diese nicht unsere Augen bestricke, sollen wir wissen, dass des Grases Blume leicht verwelkt.

Das Gras ist verdorret. Viele Ausleger beziehen diesen Satz nur auf die Außenseite des Menschen. Das ist aber ein Irrtum. Man muss darauf achten, dass Gottes Wort dem Menschen gegenübergestellt wird. Wäre nur an den Leib und die Dinge des gegenwärtigen Lebens zu denken, so müsste im zweiten Satzglied etwa erinnert werden, dass die Seele weit vorzüglicher sei. Nun steht aber hier im Gegensatz zur Blume des Grases nichts anderes als das Wort Gottes; so folgt, dass im Menschen ganz und gar nur Eitelkeit gefunden werden soll. Wenn also Jesaja von dem Fleisch und seiner Herrlichkeit spricht, denkt er an den ganzen Menschen in allen seinen Teilen, wie er an sich selbst ist; denn was er dem Worte Gottes als eigentümlichen Besitz zuschreibt, will er dem Menschen absprechen. Kurz, der Prophet verfolgt denselben Gedanken wie Christus (Joh. 3, 3), dass der Mensch dem Reiche Gottes sehr fern steht, ganz und gar irdisch, hinfällig und eitel ist, wenn er nicht von neuem geboren wird.

V. 25. Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit. Der Prophet will nicht lehren, was das Wort Gottes in sich ist, sondern als welches wir es erfahren. Denn nachdem der Mensch in sich selbst ganz leer geworden, bleibt ihm nur übrig, das Leben anderswo zu suchen. Auf Grund des Prophetenspruches erkennt also Petrus dem Wort Gottes die Kraft und Wirksamkeit zu, dass es uns ein festes und ewiges Sein verschafft. Denn eben darum zielt der Prophet, dass wir Beständigkeit des Lebens allein in Gott haben, dass uns dieselbe aber durch das Wort mitgeteilt wird. Wie hinfällig also der Mensch von Natur ist, so wird er doch ewig durch das Wort, weil er zu einer neuen Kreatur umgeschaffen wird. Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündiget ist. Bei dem Hinweis auf Gottes Wort werden wir nun zuerst erinnert, wie verkehrt es ist, dasselbe in der Luft oder im Himmel weit entfernt von uns zu suchen. Wir müssen es vielmehr so erkennen, wie es uns vom Herrn geoffenbart ward. Was ist also das Wort des Herrn, welches uns lebendig macht? Gesetz, Propheten und Evangelium. Wer über diese Schranken der Offenbarung hinausschweift, greift statt des Wortes des Herrn nur Satans Lügen und eigene Träume. Habe ich doch soeben schon erinnert, dass hier nicht von einem Wort die Rede ist, welches in Gottes Herz verschlossen und verborgen bleibt, sondern welches aus seinem Munde zu uns ausging. So muss man auf der andern Seite dafür halten, dass Gott durch die Apostel und Propheten zu uns reden wollte, und dass ihr Mund der Mund des einigen Gottes ist. Wenn Petrus ausdrücklich daran erinnert, es handle sich um das Wort, das unter uns verkündigt ist, so gibt er zu verstehen, dass man das Wort nirgends anders als in der Predigt suchen muss, die an uns ergeht: sicherlich werden wir jene Kraft der Ewigkeit nicht anders erleben als durch den Glauben. An Glauben aber ist nur zu denken, wenn wir wissen, dass das Wort für uns bestimmt ist. Eben darauf zielt, was Mose dem Volk zurief (5. Mos. 30, 12): „Sprich nicht in deinem Herzen: Wer wird uns in den Himmel fahren? Das Wort ist gar nahe bei dir in deinem Munde und in deinem Herzen.“ Denn Paulus macht deutlich, dass dies mit der Darlegung des Petrus zusammenstimmt, indem er darauf hinweist (Röm. 10, 8): „Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.“ Es ist nun kein gewöhnliches Lob, mit welchem Petrus die äußere Predigt auszeichnet, wenn er verkündet, dass sie lebendig macht. Gewiss ist es Gott allein, der die neue Geburt schafft, aber er gebraucht dafür den Dienst der Menschen. Darum kann Paulus rühmen (1. Kor. 4, 15), dass die Korinther geistlich von ihm gezeugt wurden. Gewiss ist weder der pflanzt etwas, noch der da begießt: so oft aber der Herr ihre Arbeit segnen will, schafft er durch die Kraft seines Geistes, dass ihre Lehre wirksam werde. So kann die Stimme, die an sich tot ist, ewiges Leben vermitteln. 

Kapitel 2

1 So leget nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alles Afterreden; 2 und seid begierig nach der vernünftigen lautern Milch als die jetzt geborenen Kindlein, auf dass ihr durch dieselbige zunehmet, 3 so ihr anders geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist, 4 zu welchem ihr gekommen seid als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott ist er auserwählet und köstlich. 5 Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum.

An die Erinnerung, dass die Gläubigen durch Gottes Wort neugeboren wurden, schließt sich die Mahnung, dass sie ein Leben führen sollen, welches dieser Geburt entspricht. Gilt doch das Wort des Paulus (Gal. 5, 25): „So wir im Geiste leben, so lasset uns auch im Geiste wandeln.“ Es genügt nicht, dass wir einmal vom Herrn erneuert wurden: wir müssen auch leben, wie es neuen Kreaturen geziemt. Dies ist der Hauptgedanke. Was aber die Ausdrucksweise angeht, so setzt der Apostel seine bildliche Rede fort. Weil wir neugeboren sind, mutet er uns ein kindliches Leben zu. Er will damit sagen, dass man den alten Menschen mit seinen Werken ausziehen muss. Seine Ausführungen decken sich mit Christi Wort (Mt. 18, 3): „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“ Es wird diese kindliche Art dem Wesen des alt gewordenen Fleisches entgegengestellt, welches der Verderbnis entgegengeht. Unter der „Milch“ werden dann alle Bestrebungen des geistlichen Lebens verstanden. Denn auch in diesem Stück besteht ein Gegensatz zwischen den Lastern, welche der Apostel aufzählt, und der vernünftigen Milch. Er will etwa sagen: Bosheit und Heuchelei gehören solchen Leuten zu, die sich an die Verderbtheit der Welt gewöhnt und viele Laster eingesogen haben; dem kindlichen Stande dagegen gebührt eine klare, von aller List freie Einfalt. Wenn Menschen lang leben, gewöhnen sie sich an Neid, lernen sich gegenseitig befehden und werden in der Kunst unterwiesen, Schaden zu stiften; zuletzt werden sie in allen Lastern alt und geübt. Das kindliche Alter dagegen fasst noch nicht, was es heißt, Neid hegen, auf Schaden ausgehen usw. Der Apostel vergleicht also die Laster, in welchen das alt gewordene Fleisch geübt ist, mit starken Speisen. Dagegen wird als Milch eine Lebensart bezeichnet, die dem unschuldigen Stande der Natur und der einfältigen Kindheit entspricht.

V. 1. So leget nun ab alle Bosheit usw. Es werden nicht alle Dinge vollständig aufgezählt, die wir ablegen müssen. Wenn die Apostel vom alten Menschen reden, geben sie vielmehr beispielsweise nur gewisse Laster an, die für seine ganze Art charakteristisch sind. So sagt Paulus (Gal. 5, 19): „Offenbar sind die Werke des Fleisches“ – und führt sie doch keineswegs alle an, sondern lässt uns die ungeheure Menge, die aus unserm Fleisch heraus quillt, wie in einem Spiegel schauen. So will auch hier Petrus etwa sagen: Legt die Früchte des alten Lebens ab, als da sind Bosheit, Betrug, Heuchelei, Neid und dergleichen Dinge, und lenkt euren Eifer in die entgegen gesetzte Richtung: strebt nach Gütigkeit, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit! Kurz, er zielt darauf, dass aus dem neuen Lebensstande auch eine neue Lebenshaltung erwachsen soll.

V. 2. Seid begierig nach der vernünftigen, lautern Milch. Gewöhnlich deutet man: Milch der Vernunft, d. h. der Seele. Dann würde der Apostel darauf aufmerksam machen, dass er nicht von körperlicher Milch rede, sondern sich bildlich ausdrücke. Ich glaube indes, dass der Ausdruck zusammenstimmt mit jenem Wort des Paulus (1. Kor. 14, 20): „Werdet nicht Kinder an dem Verständnis, sondern an der Bosheit.“ Damit niemand meine, der Apostel wolle einen kindlichen Stand empfehlen, dem es an Einsicht gebricht und der sich mit lauter Torheiten beschäftigt, schiebt er einen Riegel vor: wenn ich davon spreche, dass ihr nach einer lautern, unverfälschten Milch begierig sein sollt, so meine ich doch eine solche, die mit vernünftiger Einsicht gewürzt ist. Jetzt verstehen wir, warum diese beiden Eigenschaftswörter zusammengestellt werden: „vernünftig“ und „lauter“. Scheinen sich doch Einfalt und Klugheit auszuschließen. Sie sollen aber derart gemischt werden, dass die Einfalt nicht unklug wird, noch an die Stelle der Klugheit boshafte Verschlagenheit sich einschleicht. Es soll eine rechte Mischung statthaben nach dem Wort Christi (Mt. 10, 16): „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ So löst sich auch ein Einwand, der sonst gemacht werden könnte. Paulus wirft den Korinthern vor, dass sie jungen Kindern gleichen, die feste Speise nicht vertragen können und die man darum mit Milch nähren muss (1. Kor. 3, 1). Ungefähr in dem gleichen Sinne begegnet das Bild im Ebräerbrief (5, 12). Bei derartigen Aussagen aber schweben Leute vor, die wie Kinder in der Erkenntnis der Frömmigkeit nicht vorwärts gekommen sind, immer bei den ersten Anfangsgründen stehen bleiben und niemals zu einer tieferen Erkenntnis Gottes durchdringen. „Milch“ heißt dann eine rohere und kindliche Art der Unterweisung, da eben niemals ein Fortschritt über die ersten Elemente hinaus gemacht wird. Mit Recht betrachten sowohl Paulus als der Verfasser der Ebräerbriefes dies als einen tadelnswerten Zustand. Hier aber bedeutet Milch nicht einen solchen Elementarunterricht, bei dem man immer lernt, ohne jemals zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen, sondern eine Lebensführung, der man die Art der neuen Geburt abspürt, indem wir uns der Erziehung des Herrn überlassen. Ebenso bezeichnet der Stand der Kindlein nicht einen Gegensatz zum Stand des vollkommenen und männlichen Alters Christi, wie Paulus sich einmal ausdrückt (Eph. 4, 13), sondern zu dem alten Wesen des Fleisches und dem früheren Lebenswandel. Wie dieser Kindesstand des neuen Lebens niemals ein Ende nimmt, so legt Petrus uns auch ans Herz, dass wir uns immer mit Milch nähren sollen. Dabei sollen wir zu immer größerer Reife heranwachsen.

V. 3. So ihr anders geschmeckt habt usw. Das ist eine Anspielung an das Wort des Psalms (34, 9): „Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist.“ Und der Apostel gibt zu verstehen, dass wir diesen Geschmack in Christus gewinnen. Denn sicherlich wird unsere Seele nur bei ihm Ruhe finden. Es wird nun die Erfahrung der Güte Gottes zur Unterlage für die Ermahnung. Denn seine Freundlichkeit, die wir in Christus erleben dürfen, muss uns locken. Auch die Fortsetzung: zu welchem ihr gekommen seid usw. – bezieht sich nicht einfach auf Gott, sondern beschreibt ihn, wie er in Christi Person sich offenbart hat. Haben wir aber eine ernstliche Erfahrung von Gottes Gnade gemacht, so kann es nicht anders geschehen, als dass er uns ganz an sich zieht und mit seiner Liebe erwärmt. Sagt doch dies schon Plato von seiner Idee des Guten und Schönen, die er doch nur wie einen Schatten aus der Ferne schaute. Wie viel mehr trifft es auf Gott zu! Es ist also bemerkenswert, dass Petrus das Kommen zu Gott mit dem Schmecken seiner Güte verbindet. Denn so lange der menschliche Verstand sich einen harten und strengen Gott vorstellt, muss er notwendig vor ihm schaudern und fliehen; sobald dagegen Gott selbst den Gläubigen seine väterliche Liebe aufschließt, bleibt nichts übrig, als dass sie alles andre liegen lassen, ja sogar sich selbst vergessen und ihm entgegeneilen. Alles in allem: die rechten Fortschritte im Evangelium hat nur ein Mensch gemacht, der mit seinem Herzen zu Gott naht. Zugleich aber zeigt der Apostel, zu welchem Zweck und in welcher Weise wir zu Christus nahen müssen; wir sollen uns auf ihn gründen. Da er zum Eckstein bestellt ist, muss er als solcher seine Kraft an uns beweisen, damit, was der Vater ihm aufgetragen hat, nicht vergeblich und unnütz werde. Der Apostel begegnet nun einem Anstoß, indem er von diesem Stein zugesteht, dass er von den Menschen verworfen ward. Denn weil ein guter Teil der Welt Christus verschmäht, viele sich geradezu vor ihm entsetzen, so könnte dies auch uns zum Anlass werden, ihn zu verachten. Sehen wir doch, dass manche unerfahrene Leute dem Evangelium den Rücken kehren, weil es nicht überall Beifall findet und seine Bekenner nicht beliebt macht. Petrus aber erklärt, dass wir Christus doch nicht geringer schätzen dürfen, wenn auch die ganze Welt ihn verachten würde. Vor Gott behält er trotz allem seinen Wert und Preis.

V. 5. Als die lebendigen Steine bauet euch usw. Nach der griechischen Form wäre auch die Übersetzung möglich: „erbauet ihr euch.“ Aber auch in diesem Falle wäre es ohne Zweifel die Absicht des Petrus, die Gläubigen zu ermahnen: sie sollen sich dem Herrn zum geistlichen Tempel weihen. Aus dem Zweck der Berufung lässt sich ja trefflich folgern, was demgemäß unsere Pflicht ist. Bemerkenswert ist weiter, dass der Apostel die gesamte Zahl der Gläubigen als ein einziges Haus betrachtet. Denn wenn auch jeder einzelne von uns ein Tempel Gottes ist und heißt, so müssen wir alle doch zur Einheit zusammengefasst und durch gegenseitige Liebe verbunden werden, damit sich aus allen ein einziger Tempel gestalte. Das geschieht, wenn ein jeder mit seinem Maß sich zufrieden gibt und sich in den Schranken seiner Pflicht hält, wenn aber alle ihre Fähigkeiten zum gemeinen Besten anwenden. Wie nun Christus ein lebendiger Stein ist, so heißen auch wir lebendige Steine und ein „geistliches“ Haus. Darin liegt ein stiller Vergleich mit dem alttestamentlichen Tempel, der zum besonderen Preis der Gnade dient. Eben darauf zielt die Fortsetzung, dass wir „geistliche Opfer“ darzubringen haben. Denn um soviel besser die Wirklichkeit ist als das Bild, umso herrlicher ist alles in Christi Reich. Wir besitzen jenes himmlische Vorbild, welchem das alte Heiligtum und alles, was Mose im Gesetz verordnet hatte, dienen musste (Ebr. 8, 5).

Zum heiligen Priestertum. Wie hoch hat Gott uns doch gewürdigt, dass er uns nicht bloß zu seinem Tempel weiht, in dem er wohnt und verehrt wird, sondern dass er uns zugleich zu seinen Priestern haben will! Diese doppelte Ehre preist Petrus, um unsern Eifer zur Verehrung Gottes zu wecken. Unter den geistlichen Opfern steht an erster Stelle die allgemeine Darbringung unser selbst, von welcher Paulus Röm. 12, 1 schreibt. Denn wir können dem Herrn nichts darbringen, als bis wir uns selbst ihm zum Opfer gegeben haben, was in der Selbstverleugnung geschieht. Daran erst schließen sich Gebete und Danksagungen und andere Übungen der Frömmigkeit.

Geistliche Opfer, die Gott angenehm sind. Dies muss unsere Freudigkeit noch steigern, dass wir wissen, wie wohlgefällig dem Herrn der Dienst ist, den wir ihm leisten; umgekehrt müsste ein Zweifel in dieser Hinsicht notwendig Lässigkeit gebären. Wir haben hier also einen dritten Antrieb dieser Ermahnung: kein banges Fragen darf uns träge machen, weil der Apostel bezeugt, dass Gott unsere Leistungen annimmt. Gewiss werden auch die Götzendiener durch eine große Inbrunst zu ihren selbst gemachten Kultusformen getrieben: Satan macht ihre Sinne trunken, damit sie nicht zur Besinnung über ihr Treiben kommen sollen. Sobald aber ihr Gewissen in Schwierigkeiten gerät, beginnen sie zu schwanken. Denn unmöglich kann sich ein Mensch ernstlich und von Herzen dem Herrn ergeben, wenn er nicht weiß, dass er sich nicht umsonst müht. Aber der Apostel fügt hinzu: durch Jesus Christus. Denn unsere Opfer werden niemals so rein erfunden, dass sie an sich selbst dem Herrn erfreulich sein könnten: niemals ist unsere Selbstverleugnung lauter und vollkommen, niemals unser Gebetseifer so ernst, wie er sein sollte; niemals sind wir so völlig und brennend darauf bedacht, Gutes zu tun, dass nicht unsere Werke mangelhaft und mit vielen Fehlern behaftet blieben. Christus aber schafft ihnen trotz allem Anerkennung. Petrus begegnet also dem Misstrauen, welches uns bei der Frage beschleichen muss, ob unsere Leistungen angenommen werden: er erklärt sie für angenehm, nicht wegen des Verdienstes eigener Trefflichkeit, sondern um Christi willen. Es muss dies unsern Eifer noch mehr entflammen, wenn wir hören, dass Gott so freundlich mit uns handelt und in Christus unsern Werken einen Wert beimisst, den sie in sich selbst nicht haben. Übrigens ließen sich die Worte auch so verbinden, dass wir unsere geistlichen Opfer durch Jesus Christus opfern. Ähnlich lesen wir ja im Ebräerbrief (13, 15), dass wir durch ihn dem Herrn das Lobopfer bringen sollen. Der Sinn bleibt doch derselbe: denn wir bringen unser Opfer durch Christus dar, damit es dem Herrn wohlgefällig sei.

6 Darum stehet in der Schrift: „Siehe da, ich lege einen auserwählten, köstlichen Eckstein in Zion; und wer an ihn glaubet, der soll nicht zu Schanden werden.“ 7 Euch nun, die ihr glaubet, ist er köstlich; den Ungläubigen aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben und zum Eckstein geworden ist, 8 ein Stein des Anstoßens und ein Fels des Ärgernisses; die sich stoßen an dem Wort und glauben nicht dran, dazu sie auch gesetzt sind.

V. 6. Darum stehet in der Schrift usw. Die vorige Aussage bedurfte einer Bestätigung. Sehen wir doch, aus wie leichtfertigen und nichtigen Gründen viele sich von Christus abschrecken lassen, manche ganz abfallen. Der hindernde Anstoß liegt vornehmlich darin, dass nicht bloß die Masse der Menschen Christus verschmäht und verachtet, sondern insbesondere diejenigen, die eine Ehrenstellung einnehmen und über andere hervorzuragen scheinen. Dass nur zu viele ihre Schätzung Christi nach dem verkehrten Urteil der Welt einrichten, ist eine von jeher geläufige, heute namentlich überhand nehmende Verirrung. Bei der Undankbarkeit und Unfrömmigkeit der Menschen wird aber Christus allenthalben verachtet. Wenn nun immer einer auf den andern sieht, geben nur wenige ihm die rechte Ehre. Darum erinnert Petrus an das, was über Christus vorausgesagt ward, damit es uns nicht vom rechten Glauben abtreibe, wenn man ihn verachtet und verwirft. Die angeführte Stelle ist aus Jesaja (28, 18) genommen. Dort schließt der Prophet an eine Strafrede wider die verzweifelte Bosheit des Volkes endlich die Erklärung: Eure Untreue wird es doch nicht hindern können, dass Gott seine Gemeinde wieder aufrichte, die jetzt durch eure Schuld gänzlich in Trümmern liegt. Der Prophet beschreibt auch die Weise des Wiederaufbaus: Ich will in Zion einen Stein legen. Daraus schließen wir, dass der Bau der Gemeinde ohne Christus nicht bestehen kann; denn allein auf ihn lässt er sich gründen, wie Paulus bezeugt (1. Kor. 3, 11). Das ist nicht zu verwundern: denn in ihm ist unser ganzes Heil begriffen. Wer also nur im Geringsten von Christus abweicht, wird statt einer Stütze einen Abgrund finden. Darum nennt ihn der Prophet nicht nur einen Eckstein, auf dem die Hauptlast des Gebäudes ruht, sondern auch den bewährten Stein, buchstäblich den „Stein der Bewährung“, nach welchem die Linien des Baues sich richten müssen, endlich ein Fundament, das wohl gegründet ist und den ganzen Bau zusammenhält. Der Eckstein hat also die Eigenschaft, dem ganzen Gebäude die Richtung zu geben, so dass er zur einzigen Grundlage dient. Petrus entnimmt nun aus den Worten des Propheten nur, was für seinen gegenwärtigen Zweck besonders passt: der Stein ist auserwählt, voller Ehre und Köstlichkeit, und endlich müssen wir uns auf ihn gründen. Der Hinweis auf seine Ehre will dies erreichen, dass Christus, wie verächtlich er auch der Welt erscheint, von uns nicht gering geschätzt werde, da er bei Gott im höchsten Ansehen steht. Dass er aber der Eckstein heißt, will einprägen, dass Leute, die sich nicht auf Christus stützen, für ihr Heil übel sorgen. Denn nur auf dem Eckstein ruht die Last des Gebäudes. Bemerkenswert erscheint auch, dass der Prophet Gott den Herrn redend einführt. Denn er allein ist es, der seine Gemeinde aufrichtet und baut, wie es auch im Psalm (48, 9) heißt, dass seine Hand Zion gegründet hat. Er bedient sich zu diesem Bau freilich der Menschen Hilfe und Dienst; doch kann er mit gutem Grund sagen, dass es sich dabei um sein eigenes Werk handelt. Christus ist also für uns das Fundament des Heils, weil er uns zu diesem Zweck vom Vater verordnet ward. Dass der Eckstein in Zion liegen soll, wird gesagt, weil dort der Bau des geistlichen Tempels anheben soll. Wenn unser Glaube sich zuverlässig auf Christus gründen will, muss er sich zum Gesetz und den Propheten begeben. Wenn auch dieser Stein den ganzen Erdkreis bis zu den letzten Winkeln erfüllt, so musste er doch zuerst in Zion gelegt werden, wo damals der Sitz der Gottesgemeinde war. Er ward aber gelegt, als der Vater ihn kundtat, um seine Gemeinde wiederherzustellen. So wollen wir endlich auch dies festhalten, dass nur diejenigen auf Christus sich stützen, welche die Einheit der Gemeinde pflegen; denn der stützende Stein liegt allein in Zion. Weil aber aus Zion die Gemeinde hervor wuchs, die jetzt nach allen Richtungen sich ausgebreitet hat, so hat von dort auch unser Glaube seinen Anfang genommen, wie Jesaja (2, 3) spricht: „Von Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem.“ Damit stimmt auch das Wort des Psalms (110, 2) zusammen: „Der Herr wird das Zepter deines Reiches senden aus Zion.“

Und wer an ihn glaubet usw. Der Prophet sagt nicht ausdrücklich: „an ihn“, - sondern allgemein: „Wer glaubt, soll nicht fliehen.“ Weil aber Gott uns dort ohne Zweifel Christus als Zielpunkt des Glaubens vorstellt, muss der Glaube, von dem der Prophet spricht, auf ihn allein schauen. Sicherlich kann niemand recht glauben, als wer sich vornimmt, von ganzem Herzen bei Christus zu verharren. Jedenfalls ist der Sinn des Prophetenwortes, dass der Gläubige nicht wanken noch schwanken kann, weil er eine feste und sichere Stütze hat. Und dies ist eine herrliche Lehre, dass wir über die Gefahr eines Falls erhaben sind, weil wir uns auf Christus stützen. Übrigens schreibt der Apostel etwas abweichend, dass nicht zu Schanden werden soll, wer an Christus glaubt. Er folgt der griechischen Übersetzung, womit er doch den richtigen Sinn nicht verändert.

V. 7. Euch nun, die ihr glaubet, ist er köstlich. Zuerst bezeichnet Gott den Herrn Christus als einen auserwählten und köstlichen Stein; nun schließt der Apostel daraus, dass er ein solcher auch für uns sein wird. Denn sicherlich wird hier Christus beschrieben, wie wir in durch die Erfahrung des Glaubens ergreifen, und wie er sich uns durch wahrhaftige Beweise dartut. Darum wollen wir uns diese Folgerung fleißig einprägen: Christus ist vor Gott ein auserwählter Stein, also ist er es auch für die Gläubigen. Denn allein der Glaube enthüllt uns den Wert und die herrliche Bedeutung Christi. Weil aber der Apostel dem Anstoß begegnen will, der uns aus dem Vorhandensein einer so großen Schar von Gottlosen erwächst, fügt er alsbald einen weiteren Satz betreffs der Ungläubigen hinzu: wenn sie Christus verschmähen, können sie ihm doch nicht die Ehre nehmen, welche der Vater ihm verliehen hat. Dafür wird ein Vers aus dem 118. Psalm beigebracht (V. 22): der Stein, den die Bauleute verworfen haben, soll dennoch als Eckstein aufgerichtet werden. Daraus folgt, dass Christus wider den Willen seiner Feinde seinen Ehrenplatz behauptet, welchen der Vater ihm angewiesen hat. Zwei Gedanken sind hier bemerkenswert. Erstlich: Christus musste von denen verworfen werden, welche das Regiment in der Gemeinde Gottes führten. Zum andern: ihre Anstrengungen werden vergeblich sein; denn es muss erfüllt werden, was Gott beschlossen hat, dass Christus als Eckstein das Gebäude tragen soll. Dass aber die Psalmstelle in ihrem wahren und eigentlichen Sinn von Christus verstanden werden muss, bezeugt nicht nur der heilige Geist, sondern auch Christus selbst, der sie so auslegt (Mt. 21, 42). Ohne Zweifel war dieses Verständnis von den Vätern her überliefert. War David zu seiner Zeit der verworfene Stein, so dürfen wir doch als zugestanden annehmen, dass er nur schattenhaft darstellte, was in Christus erfüllt ward. Es konnte die ungefestigten Gläubigen ins Schwanken bringen, dass alle Priester, Älteste und Lehrer, welche allein die Gottesgemeinde darzustellen schienen, Christi Feinde waren. Diesen Anstoß will Petrus beseitigen, indem er darauf hinweist, dass David längst zuvor bezeugt hat, was die Gläubigen jetzt vor Augen sehen. Damit wendet er sich zunächst an die Juden; aber auch heute ist seine Erinnerung nicht minder nützlich. Denn Christi grimmigste Feinde maßen sich die oberste Stellung in der Kirche an und verfolgen mit satanischer Wut sein Evangelium. Der Papst nennt sich seinen Stellvertreter: und doch sehen wir, wie heftig er ihm widerstrebt. Solches Schauspiel kann schlichte und unerfahrene Leute verwirren, weil sie nicht bedenken, dass nur geschieht, was David vorausgesagt hat. Es ist nun ein geläufiges Bild, das bürgerliche oder geistliche Regiment als ein Gebäude darzustellen. Im weiteren Verfolg desselben bezeichnet David diejenigen als Bauleute, welchen das Amt und die Macht der Regierung anvertraut sind, - nicht als ob sie richtig bauten, sondern weil sie den Namen haben und mit rechtmäßiger Gewalt begabt sind. Daraus folgt, dass die Amtsträger keineswegs immer treue und wahre Diener Gottes sind. Es ist also vollkommen lächerlich, wenn der Papst und die Seinen sich die oberste und unzweifelhafte Autorität anmaßen, weil sie die rechtmäßigen Vorsteher der Kirche seien. Ihr Beruf zur Regierung der Gottesgemeinde ist nicht im höherem Grade rechtmäßig, als der Beruf eines Heliogabal (ausschweifender und unwürdiger römischer Kaiser, 218 bis 222 n. Chr.) zur Regierung des Reichs. Aber geben wir ihnen einmal zu, was sie unverschämter Weise beanspruchen, dass sie rechtmäßig berufen seien, so sehen wir doch, was David von den rechtmäßigen Vorstehern der Kirche weissagt: Christus wird von ihnen verworfen. Sie bauen also eher einen Schweinestall als einen Tempel Gottes. Es folgt aber auch das andere Stück: alle Großen mit ihrer stolzen Macht und Würde werden Christus nicht von seinem Platze stoßen.

V. 8. Ein Stein des Anstoßens usw. An den Trost, dass die Gläubigen an Christus, welchem doch die Mehrzahl, und namentlich die Großen, keinen Platz im Gebäude zuerkennen, einen festen und beständigen Grund haben sollen, schließt sich nun die Ankündigung der Strafe, die aller Ungläubigen wartet: deren Beispiel soll auch die Gläubigen schrecken. Zu diesem Zweck wird ein Zeugnis des Jesaja (8, 14) beigebracht. Der Prophet droht daselbst, der Herr solle für die Juden ein Stein des Anstoßens und ein Fels des Ärgernisses werden. Dass dies recht eigentlich auf Christus zutrifft, ergibt sich aus dem Zusammenhang, und auch Paulus deutet es auf ihn (Röm. 9, 32 f.). Denn in seiner Person hat der Herr der Heerscharen sich vollkommen geoffenbart. Es wird hier also allen Gottlosen als schreckliche Rache angedroht, dass Christus ihnen zum Ärgernis und Anstoß werden müsse, weil sie auf ihn sich zu gründen sich weigern. Denn Christus ist zwar stark genug, alle zu tragen, die im Glauben auf ihn sich stützen, aber auch hart genug, alle zu zerschlagen und zu zerbrechen, die ihm widerstehen. Einen Mittelweg gibt es nicht; man muss sich auf ihn erbauen, oder wird an ihm zerschellen.

Die sich stoßen an dem Wort. Dies beschreibt die Weise, wie Christus zum Anstoß wird: er wird es, wenn Menschen sich hartnäckig dem Worte Gottes widersetzen. Dies taten die Juden: obwohl sie vorgaben, den Messias empfangen zu wollen, stießen sie ihn wütend von sich, als er ihnen von Gott dargeboten ward. In derselben Lage sind heute die Papisten: sie beten nur Christi Namen an, mögen aber die Lehre des Evangeliums nicht hören. Petrus gibt also zu verstehen, dass alle, die Christus nicht annehmen, wie er mit seinem Evangelium bekleidet ist, wider sein Wort streiten; zum andern, dass Christus nur solchen Leuten zum Verderben wird, die in blindem Ansturm der Bosheit und Verstockung wider Gottes Wort anlaufen. Dies einzuprägen ist besonders nützlich, damit man nicht die Schuld unserer Sünde Christus anrechne. Er ist uns zum Grundstein gegeben; dass er zum Fels des Ärgernisses wird, ist nur eine Begleiterscheinung. Alles in allem: es ist sein eigentliches Amt, uns in den geistlichen Tempel Gottes einzufügen; dass Menschen an ihm sich stoßen, ist ihre eigene Schuld, weil der Unglaube sie mit Gott in Streit bringt. Um diesen Kampf wider Gottes Wort zu beschreiben, sagt Petrus ausdrücklich: und glauben nicht dran.

Dazu sie auch gesetzt sind. Dieser Satz, der sich ohne Zweifel auf die Juden bezieht, kann doppelt verstanden werden. Vielfach findet man den Sinn, dass die Juden für den Glauben bestimmt waren, weil ihnen die Verheißung des Heils zugedacht war. Mindestens ebenso gut passt aber die andere Deutung, dass sie zum Unglauben bestimmt waren, wie es von Pharao heißt (Röm. 9, 17), dass er dazu gesetzt ward, dem Herrn zu widerstehen, und wie alle Verworfenen für ihr endliches Ziel bestimmt sind. Ich bevorzuge diese Deutung wegen des dazwischen geschobenen Wörtleins „auch“.

9 Ihr aber seid das auserwählete Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; 10 die ihr weiland nicht ein Volk waret, nun aber Gottes Volk seid, und weiland nicht in Gnaden waret, nun aber in Gnaden seid.

V. 9. Ihr aber seid das auserwählete Geschlecht. Noch einmal scheidet der Apostel seine Leser von den Ungläubigen, damit sie sich nicht, wie es meist zu geschehen pflegt, durch deren Beispiel verführen lassen und vom rechten Glauben abfallen. Es wäre widersinnig, wollten die Leute, die Gott von der Welt ausgesondert hat, sich in die Gemeinschaft der Gottlosen verstricken lassen. Darum erinnert Petrus die Gläubigen, zu welch hoher Ehre sie erhoben und für welches Ziel sie berufen wurden. Mit den gleichen Ehrentiteln, die er ihnen zuspricht, hatte Mose das Volk des alten Bundes geschmückt. Der Apostel will damit lehren, dass sie die hohe Würdestellung, aus der sie heraus gefallen waren, erst durch Christi Wohltat wiedererlangen. Der Satz besagt also etwa: Mose hat einst eure Väter ein heiliges Volk, ein priesterliches Königreich und Gottes Eigentum genannt; jetzt werden euch diese Titel mit viel größerem Recht zuteil, weil ja die völlige Darbietung der göttlichen Güter erst in Christus erfolgte: so müsst ihr darauf achten, dass nicht etwa euer Unglaube euch jener Ehrentitel beraube. Da aber der größte Teil des jüdischen Volkes ungläubig war, stellt der Apostel die gläubigen Juden stillschweigend allen anderen gegenüber, obgleich diese doch an Zahl überwogen. Er gibt damit zu verstehen, dass allein, die an Christus glauben, die echten Kinder Abrahams sind und im Besitz aller der Güter bleiben, welche Gott einst durch eine einzigartige Bevorzugung jenem ganzen Geschlecht verliehen hatte Als ein „auserwähltes Geschlecht“ werden sie bezeichnet, weil Gott sie unter Übergehung der andern als einen besonders köstlichen Besitz zu seinen Kindern angenommen hatte. Weiter sind sie das Volk des Eigentums, welches gleichsam Gottes Besitz und Erbe ist. Denn ich verstehe den Ausdruck einfach dahin, dass der Herr uns berufen hat, um uns in Wahrheit als seine Leute zu besitzen, die er sich zugesprochen hat. Dieses Verständnis findet seine Bestätigung durch Moses Worte (2. Mos. 19, 5): „Werdet ihr meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern.“ Wenn der Apostel die Gläubigen als das königliche Priestertum bezeichnet, so stellt er in seiner Weise Moses Worte um, der von einem priesterlichen Königreich sprach. Petrus will sagen: Mose nannte eure Väter ein heiliges Königreich, weil das ganze Volk gleichsam mit königlicher Freiheit begabt war und aus seinem Gesamtkörper die Priester gewählt wurden. Des Weiteren erschien die beiderseitige Würde miteinander vermischt. Jetzt seid ihr königliche Priester, und zwar in herrlich gesteigerter Weise: denn jeder einzelne von euch ist in Christus geweiht, so dass er ein Genosse des Königreichs und ein Teilhaber am Priestertum ist. So besteht eine Ähnlichkeit zwischen den Vätern und euch, und doch seid ihr viel höher erhoben. Nachdem übrigens von Christus der Zaun niedergerissen wurde, schmückt der Herr uns alle, aus welchem Volk wir auch stammen mögen, mit allen diesen Titeln, indem er uns seinem Volk zuzählt. Weiter muss man bei allen diesen Gnadengaben auf den Unterschied zwischen uns und dem übrigen Menschengeschlecht achten. Dadurch rückt die unvergleichliche Güte Gottes gegen uns in ein noch helleres Licht: der Herr macht uns heilig, obwohl wir von Natur befleckt sind. Er erwählt uns, obwohl er in uns nur Hässliches und Verwerfliches findet. Aus einem schmutzigen Nichts macht er uns zu seinem Eigentumsvolk. Profanen Menschen schenkt er die Ehre des Priestertums. Knechte des Satans, der Sünde und des Todes führt er zu königlicher Freiheit empor.

Dass ihr verkündigen sollt usw. Mit Ernst prägt der Apostel den Zweck der Berufung ein und spornt seine Leser an, dem Herrn die Ehre zu geben. Der Hauptgedanke ist der: Gott hat uns unzähliger Wohltaten gewürdigt und geleitet uns damit fortwährend, damit durch uns sein Ruhm verherrlicht werde. Denn unter Gottes Tugenden ist seine Weisheit und Güte, Macht und Gerechtigkeit zu verstehen, sowie all solches Tun, worin seine Herrlichkeit widerstrahlt. Übrigens soll von diesen Tugenden nicht bloß unsere Zunge sprechen, sondern unser ganzes Leben. Diese Wahrheit sollen wir täglich bedenken, jeden Augenblick sollen wir sie uns ins Gedächtnis zurückrufen: alle Wohltaten, die Gott uns angedeihen lässt, zielen darauf, dass durch uns sein Ruhm verkündigt werde. Bemerkenswert ist auch, was der Apostel hinzufügt, dass Gott uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Diese Worte erheben die Größe seiner Gnade noch höher. Es wäre eine verhältnismäßig geringe Wohltat, käme der Herr uns auf einem Wege entgegen, da wir das Licht suchten. Viel erhabener ist es, dass er uns aus dem Labyrinth der Blindheit und dem Abgrund der Finsternis herausreißt. Wir ersehen daraus, in welcher Lage wir uns befinden, bevor Gott uns in sein Reich hinüber führt. Darauf deutet auch das Wort des Jesaja (60, 2): „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker. Aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit wird über dir erscheinen.“ Sicherlich können wir nur in tiefste Finsternis versinken, wenn wir uns von Gott entfernen, der unser Licht ist. Ausführlicheres darüber steht im zweiten Kapitel des Epheserbriefs.

V. 10. Die ihr weiland nicht ein Volk waret. Der Apostel bringt zur Bestätigung ein Wort aus Hosea (2, 25) bei und passt dasselbe trefflich seiner Ansicht an. Der Prophet hat in Gottes Namen den Juden die Verstoßung angekündigt und macht ihnen nun Hoffnung auf künftige Wiederversöhnung. Petrus weist nun darauf hin, dass dies zu seiner Zeit erfüllt ward. Denn die Juden waren hierhin und dorthin verstreut, wie die Glieder eines zerrissenen Körpers, ja sie schienen von Gottes Volk abgeschnitten: es fand sich bei ihnen keine Gottesverehrung mehr, und sie waren in heidnische Verderbnis verwickelt. Man konnte also nichts anderes sagen, als dass der Herr sie verstoßen hatte. Wenn er sie aber in Christus wieder sammelt, werden sie in Wahrheit aus einem Nicht-Volk zum Volk Gottes. Paulus deutet (Röm. 9, 26) diese Weissagung auch auf die Heiden, und nicht mit Unrecht. Denn nachdem der Bund mit Gott gebrochen war, welcher den einzigen Vorzug der Juden bildet, sind sie den Heiden gleich geworden. So bezieht sich die Zusage Gottes, aus einem Nicht-Volk sich sein Volk zu bilden, gleicher weise auf beide Teile.

Und weiland nicht in Gnaden waret. Mit diesem Zusatz will der Prophet deutlicher ausdrücken, dass der Bund, durch welchen Gott uns zu seinem Volk annahm, aus freier Gnade floss. Kein anderer Grund bestimmte ihn, uns als sein Eigentum anzusehen, als weil er sich unser erbarmt und uns unverdientermaßen zu seinen Kindern annimmt.

11 Liebe Brüder, ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilgrime: enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten, 12 und führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die, so von euch afterreden als von Übeltätern, eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tage der Heimsuchung.

V. 11. Als die Fremdlinge usw. Diese Ermahnung enthält zwei Stücke: erstlich soll unsre Seele von sündhaften und bösen Begierden rein und frei sein; zum andern sollen wir ehrbar unter den Menschen wandeln, damit wir durch das Beispiel eines guten Lebens nicht nur die Frommen stärken, sondern auch die Ungläubigen für Gott gewinnen. Um nun seine Leser von fleischlichen Begierden zurückzuhalten, benützt es der Apostel als Beweis, dass sie Fremdlinge und Pilgrime sind. So nennt er sie, nicht weil sie fern von ihrem Vaterland in verschiedene Gegenden verstreut waren, sondern weil Gottes Kinder, wo sie auch auf Erden weilen mögen, bloße Beisassen in der Welt sind. Im ersteren Sinne war der Ausdruck, wie aus dem dortigen Zusammenhange hervorgeht, im Eingang des Briefes gebraucht; was der Apostel aber an unserer Stelle sagt, gilt allen Christen insgemein. Denn nur darum halten uns fleischliche Begierden gefangen, weil unser Sinn in dieser Welt sich heimisch macht und wir nicht daran denken, dass der Himmel unser Vaterland ist. Menschen aber, die wie Pilger durch dieses Leben gehen, werden sich niemals dem Fleisch zu Dienst stellen. Übrigens sind unter den fleischlichen Lüsten nicht bloß die gröbsten Begierden zu verstehen, die wir mit den Tieren teilen, sondern alle Neigungen unserer Seele, zu welchen die Natur uns treibt und leitet. Denn es lässt sich nicht bestreiten, dass die Gesinnung des Fleisches, d. h. der unerneuerten Natur, Feindschaft gegen Gott ist (Röm. 8, 7).

Welche wider die Seele streiten. Dies ist ein zweiter Beweisgrund: wer den Begierden des Fleisches nachgibt, tut es nur zu seinem Verderben. Denn der Ausdruck beschreibt hier nicht jenen Kampf der Seele in sich selbst, von welchem Paulus im siebenten Kapitel des Römerbriefes spricht (vgl. auch Gal. 5, 17 ff.), sondern er will besagen, dass die fleischlichen Lüste der Seele, die ihnen zustimmt, das Verderben bereiten müssen. Der Apostel straft unsere Sorglosigkeit in diesem Stück: während wir ängstlich darauf bedacht sind, uns gegen Feinde zu schützen, von denen wir Gefahr für den Leib fürchten, lassen wir unbedenklich die gefährlichsten Seelenfeinde herankommen, so dass sie uns töten können; ja, wir strecken ihnen gleichsam den Hals hin.

V. 12. Und führet einen guten Wandel. Das ist das zweite Stück der Ermahnung: Christen sollen sich ehrbar vor den Menschen halten. An erster Stelle steht freilich, dass die Seele vor Gott rein sei: dann aber müssen wir auch auf die Menschen Rücksicht nehmen, dass wir ihnen nicht Anstoß bereiten. Insbesondere spricht der Apostel von den Heiden, welche afterreden. Waren doch die Juden allenthalben nicht bloß ein Gegenstand des Hasses, sondern geradezu des Abscheus. So mussten sie umso mehr darnach streben, durch ein heiliges Leben und wohlgeordnete Sitten den Hass und die Schande auszutilgen, die auf ihrem Namen lagen. Denn es gilt die Mahnung des Paulus, dass man nicht denen Ursache geben soll, die Ursache suchen (2. Kor. 11, 12). Die Schmähungen und Stichelreden gottloser Leute sollen uns also ein Antrieb zu rechtschaffenem Leben werden. Denn es ist nicht Zeit, in ruhigem Schlaf zu träumen, während jene wachsam auf jeden Fehltritt achten, den wir etwa begehen.

Und Gott preisen usw. Es wird uns eingeprägt, dass wir nicht um unsertwillen darauf sehen sollen, dass die Menschen Gutes von uns denken und reden; vielmehr gilt es, wie auch Christus lehrt (Mt. 5, 16), Gottes Ehre zu suchen. Petrus zeigt auch, wie dies geschehen kann: die Ungläubigen sollen durch unsere guten Werke bestimmt werden, sich ebenfalls dem Herrn zu unterwerfen; so werden sie durch diesen Grund ihrer Bekehrung dem Herrn die Ehre geben. Darauf deutet der Ausdruck: am Tage der Heimsuchung. Manche beziehen denselben freilich auf Christi letzte Ankunft. Ich aber deute ihn dahin, dass Gott das heilige und ehrbare Leben der Seinen wie eine Anleitung gebraucht, Irrende auf den rechten Weg zu führen. Denn dies ist der Anfang unserer Bekehrung, dass Gott sich herablässt, mit väterlichem Auge auf uns zu blicken; wendet er aber sein Angesicht von uns ab, so müssen wir vergehen. Darum heißt der Tag, an dem er uns zu sich zurückruft, mit Recht der Tag der Heimsuchung oder der gnädigen Zuwendung.

13 Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem Könige, als dem, der Gewalt hat, 14 oder den Beamten, als die von ihm gesandt sind zur Rache über die Übeltäter und zu Lobe den Frommen. 15 Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr mit Wohltun verstopfet die Unwissenheit der törichten Menschen, 16 als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes.

V. 13. Seid untertan aller menschlichen Ordnung. Jetzt wendet sich der Apostel zu besonderen Mahnungen. Und weil der Gehorsam gegen die Obrigkeit auch ein Stück eines rechtschaffenen Wandels ist, zieht er den Schluss: Seid also untertan usw. Hätten die Leser sich wider das Joch der Oberherrschaft aufgelehnt, so würden sie den Heiden einen ganz besonderen Anlass zum Afterreden gegeben haben. Machten sich doch die Juden eben dadurch verhasst und anrüchig, dass man sie wegen ihrer Widerspenstigkeit für unbezähmbar halten musste. Da aus den Unruhen, die sie in den Provinzen erregten, vielerlei Widrigkeiten hervorgingen, so fürchtete sich jedes friedliche und stille Gemüt vor ihnen wie vor der Pest. So fühlt sich eben dadurch Petrus veranlasst, über die Untertänigkeit so ernste Vorschriften zu geben. Außerdem hielten viele das Evangelium für eine Freiheitspredigt, auf Grund deren ein jeder sich der Dienstbarkeit entziehen könne. Es erschien als eine Unwürdigkeit, dass Gottes Kinder Knechte sein und dass die Erben der Welt nicht einmal freie Verfügung über ihren Leib haben sollten. Als weitere Versuchung kam hinzu, dass alle Obrigkeiten Christus feindlich waren und ihre Obergewalt missbrauchten. So leuchtete in ihnen nichts von dem Abbilde Gottes, welches vornehmlich Ehrfurcht erweckt. Jetzt verstehen wir die Absicht des Petrus: seine Mahnung an die Juden, die staatliche Ordnung zu pflegen, war durch zwingende Gründe veranlasst. Das Wort, welches wir durch „Ordnung“ wiedergeben, bedeutet buchstäblich Schöpfung oder Auferbauung. Petrus will daran erinnern, dass Gott als Schöpfer der Welt das Menschengeschlecht nicht der Unordnung und tierischen Lebensweise überlassen habe: vielmehr sei wie in einem wohlgeordneten Gebäude jedem einzelnen Glied sein Platz angewiesen. „Menschlich“ heißt diese Ordnung nicht etwa, weil sie von Menschen erfunden wäre, sondern weil eine solche wohl eingeteilte und geregelte Lebensweise dem Menschengeschlecht eigentümlich ist.

Es sei dem Könige usw. Gemeint ist der römische Kaiser, unter dessen Oberherrschaft die im Eingang des Briefes genannten Gegenden standen. Freilich war der Königsname bei den Römern äußerst verhasst, aber bei den Griechen neben der Bezeichnung als Selbstherrscher durchaus in Gebrauch. Was als Grund notwendiger Unterwerfung beigefügt wird, dass der Kaiser Gewalt hat, soll ihn nicht etwa mit anderen Obrigkeiten in Vergleich stellen. Gewiss war er der Oberherr; aber die Gewalt, welche Petrus ihm zuschreibt, eignet allen, die öffentliche Macht ausüben. Darum dehnt Paulus im 13. Kapitel des Römerbriefs die Aussage auf alle Obrigkeiten aus. Die Meinung ist aber, dass man allen regierenden Personen Gehorsam schuldet, weil sie nicht durch Zufall, sondern durch Gottes Vorsehung zu ihrer Ehrenstellung erhoben wurden. Die meisten pflegen nämlich gar zu peinlich darnach zu forschen, durch welchen Rechtsgrund ein jeglicher seine Herrscherstellung erlangt habe. Wir sollten aber allein damit uns zufrieden geben, dass die Herrscher eben herrschen. Darum beugt Paulus allen überflüssigen Einwürfen vor, indem er verkündet: „Es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott.“ Unter diesem Gesichtspunkt weist die Schrift auch sonst immer wieder darauf hin, dass Gott es ist, der die Könige mit dem Schwert gürtet, der sie zur Höhe emporhebt, der Königreiche gibt, welchem er will. Diesen Hinweis beizufügen, war besonders nötig, weil Petrus vom römischen Kaiser sprach. Denn ohne Zweifel waren es böse Künste und nicht rechtmäßige Gründe, durch welche die Römer nach Asien vorgedrungen waren und sich jene Gegenden unterworfen hatten. Zudem hatten die Kaiser, die damals regierten, die Oberherrschaft durch tyrannische Gewaltsamkeit an sich gerissen. Darum sagt Petrus, dass man dies alles nicht in Erörterung ziehen soll: Untertanen sollen ihren Herrschern ohne Widerspruch gehorchen, da jene nur darum über ihnen stehen, weil Gottes Hand sie erhoben hat.

V. 14. Oder den Beamten. Darunter sind alle Vertreter der Obrigkeit zu verstehen: gibt es doch keine Art der Herrschaft, der man sich nicht unterwerfen müsste. Der Grund ist, dass die Beamten als Gottes Diener dastehen. Denn dass sie von ihm gesandt sind, darf man durchaus nicht auf den König beziehen. Vielmehr wird als gemeinsamer Grund zur Empfehlung der Autorität aller Obrigkeiten eingeprägt, dass sie durch Gottes Befehl herrschen und von ihm gesandt werden. Daraus folgt, wie auch Paulus lehrt, dass man dem Herrn widerstrebt, wenn man der von ihm geordneten Gewalt sich nicht gehorsam unterwirft.

Zur Rache über die Übeltäter usw. Ein zweiter Grund, weshalb man die staatliche Ordnung ehrfürchtig anerkennen und pflegen muss: sie wurde von Gott zum gemeinen Besten des Menschengeschlechtes aufgerichtet. Wem der öffentliche Nutzen nicht am Herzen liegt, gleicht einem wilden Tier. Alles in allem will Petrus sagen: weil Gott die Welt durch den Dienst der Obrigkeiten erhält, ist der ein Feind des menschlichen Geschlechts, der ihrem Regiment Abbruch tut. Zum Beweise dienen ihm die beiden Stücke, die auch nach Plato den Staat aufrechterhalten: die Ehrung der Guten und die Bestrafung der Bösen. Denn im Altertum waren nicht bloß Strafen für Übeltäter, sondern auch Belohungen für gute Bürger verordnet. Gewiss kommt es oft vor, dass die Ehren nicht recht verteilt werden und wohlverdienten Leuten nicht entsprechender Lohn gegeben wird. Aber schon die Ehre soll man nicht unterschätzen, dass die Guten wenigsten unter dem Schutz und der Obhut der Obrigkeiten leben dürfen, dass sie nicht der Vergewaltigung und Beleidigung durch frevelhafte Leute preisgegeben sind, dass sie unter Gesetz und Gericht viel ruhiger leben und ihren Wert behaupten können, als wenn ein jeglicher, durch keine Bande gezügelt, nach seiner Willkür leben dürfte. Alles in allem: es ist ein einzigartiger Segen Gottes, dass frevelhafte Leute nicht tun dürfen, was ihnen beliebt. Allerdings ließe sich einwenden, dass Könige und andere Obrigkeiten oft ihre Gewalt missbrauchen und mehr in tyrannischer Grausamkeit daherstürmen, als dass sie eine gesetzmäßige Herrschaft übten. So ungefähr stand doch die Sache, als unser Brief geschrieben wurde. Ich antworte: der Missbrauch, welchen die Tyrannen und ähnliche Leute treiben, kann doch nicht hindern, dass Gottes Ordnung immer feststeht; so wird auch die bleibende Einrichtung der Ehe nicht umgestoßen, wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau sich unziemlich betragen. Mögen die Menschen noch so weit abirren, so wird doch der feste, von Gott gesetzte Zielpunkt nicht von der Stelle gerückt. Wiederum könnte jemand einwenden, dass man Fürsten nicht zu gehorchen braucht, die Gottes heilige Ordnung, soviel an ihnen ist, auf den Kopf stellen, ja sich wie reißende Tiere gebärden, da doch die Obrigkeiten Gottes Bild an sich tragen sollten. Ich antworte: die von Gott gesetzte Ordnung muss uns so viel bedeuten, dass wir auch einer tyrannischen Herrschaft, welche die Gewalt in Händen hat, ihre Ehre belassen. Einleuchtender ist vielleicht noch die andere Erwägung, dass eine derartig grausame und zügellose Tyrannei, in der nicht wenigstens ein Schimmer von Recht und Ordnung noch leuchtete, weder jemals existiert hat noch sich überhaupt denken lässt. Gott lässt seine Ordnung niemals durch menschliche Lasterhaftigkeit völlig ersticken; es bleiben immer wenigstens gewisse Grundlinien. Zudem ist ein noch so verunstaltetes und verderbtes Regiment immer noch besser und nützlicher als Anarchie.

V. 15. Denn das ist der Wille Gottes usw. Der Apostel kehrt zu der früheren Belehrung zurück, dass man den Ungläubigen nicht Anlass zum Schmähen geben solle. Doch sagt er jetzt weniger als zuvor. Er spricht nur aus, dass den Unwissenden der Mund verstopft werden soll. Alles in allem soll man derartig leben, dass die Ungläubigen, die wider uns afterreden wollen, sich zum Schweigen gezwungen sehen. Die Ausdrucksweise: verstopfet die Unwissenheit ist ungewöhnlich und darum etwas hart, aber doch keineswegs unverständlich. Wenn die Ungläubigen als törichte Menschen bezeichnet werden, so wird damit der Grund ihrer Schmähungen aufgedeckt: sie wissen nichts von Gott. Wenn übrigens diesen Ungläubigen Verstand und Einsicht abgesprochen wird, so ergibt sich der Schluss, dass rechte Weisheit nur auf der Erkenntnis Gottes ruhen kann. Mögen also die Ungläubigen sich in ihrem Scharfsinn noch so sehr gefallen und auch anderen als klug erscheinen, Gottes Geist spricht ihnen doch das Urteil, dass sie töricht sind. Darum sollen wir lernen, nur in Gott weise zu sein: denn, abgesehen von ihm, gibt es keine Gewissheit. Der Apostel zeigt uns auch, auf welche Weise man die Schmähsucht der Ungläubigen in Schranken halten muss: mit Wohltun. Dieses Wort umfasst alle Pflichten der Menschlichkeit, die wir gegen unsere Nächsten erfüllen müssen. Dazu gehört auch der Gehorsam gegen die Obrigkeit, ohne welchen menschliche Gemeinschaft nicht gepflegt werden kann. Allerdings könnte man einwenden, dass die Gläubigen mit dem größten Eifer zum Wohltun die Schmähungen der Ungläubigen doch nicht abwenden werden. Aber der Apostel will gewiss auch nicht sagen, dass sie über Verleumdungen und üble Nachreden erhaben sein werden, sondern dass die Ungläubigen den von ihnen so sehr gesuchten Stoff zum Afterreden nicht vorfinden sollen. Weiter möge niemand sagen, die Ungläubigen seien es ja nicht wert, dass Kinder Gottes nach ihrem Wink ihr Leben einrichten müssten. Darum erinnert Petrus ausdrücklich: das ist der Wille Gottes, dass ihnen der Mund gestopft werde.

V. 16. Als die Freien usw. Dieser Satz kommt gewissen Missverständnissen zuvor, welchen die Freiheit der Kinder Gottes zu unterliegen pflegt. Wie die Menschen von Natur nur zu scharfsichtig sind, ihren Vorteil zu erspähen, so glaubten viele, als die Predigt des Evangeliums aufkam, sie seien frei, um lediglich sich selbst zu leben. Diesen Wahn zerstört Petrus, indem er kurz darauf hinweist, welch gewaltiger Abstand zwischen der Freiheit der Christen und zügelloser Willkür besteht. Diese Freiheit ist nicht ein Deckel der Bosheit, ward also nicht gegeben, damit wir den Nächsten verletzen oder ihm irgendeinen Schaden zufügen. Wahre Freiheit ist diejenige, die niemand schädlich oder nachteilig ist. Um dies zu bekräftigen, erklärt der Apostel diejenigen für frei, die sich als Knechte Gottes beweisen. Daraus ergibt sich als Ziel unserer Freiheit, dass wir williger und geschickter zum Gehorsam gegen Gott werden sollen. Ist sie doch nichts anderes als Befreiung von der Sünde: der Sünde aber wird die Herrschaft genommen, damit sich die Menschen in den Dienst der Gerechtigkeit stellen. Alles in allem: der Dienst ist frei und die Freiheit dienstbar. Weil wir Knechte Gottes sein müssen, um des Guts der Freiheit zu genießen, bedarf es der Mäßigung in ihrem Gebrauch. Auf diese Weise sind die Gewissen frei: das hindert aber nicht, dass wir dem Herrn dienen, der uns auch den Menschen unterwirft.

17 Tut Ehre jedermann. Habt die Brüder lieb. Fürchtet Gott. Ehret den König.

Dieser Vers fasst die vorigen kurz zusammen. Er weist darauf hin, dass man weder Gott fürchten noch den Menschen ihr Recht geben kann, wenn nicht die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten wird und die Obrigkeiten das Regiment in der Hand behalten. Dass man jedermann Ehre beweisen soll, verstehe ich dahin, dass man niemand in dieser Hinsicht vernachlässigen soll. Denn wir haben es mit einer allgemeinen Vorschrift zu tun, welche der Erhaltung und Pflege menschlicher Gemeinschaft dient. „Ehre“ ist für die Ebräer ein sehr weiter Begriff; und wir wissen, dass die Apostel, obwohl sie griechisch schrieben, sich der Ausdrucksweise dieser Sprache bedienten. Darum scheint mir der Ausdruck nichts anderes zu besagen, als dass man auf jedermann die schuldige Rücksicht nehmen soll. Denn soviel an uns ist, müssen wir Friede und Freundschaft mit allen Menschen pflegen: der Eintracht steht aber nichts mehr entgegen als Verachtung. Die angeschlossene Mahnung: Habt die Brüder lieb, ist eine besondere Anwendung des ersten Satzes. Denn sie bezieht sich auf die einzigartige Liebe, mit der wir die Genossen des Glaubens umfassen sollen, weil uns ja ein besonders enges Band mit ihnen verknüpft. Petrus will also nicht, dass man diese Stufen überspringe; aber erinnert doch, dass der Vorzug, der den Brüdern gebührt, unsere Liebe nicht hindern soll, sich auf das ganze Menschengeschlecht auszudehnen.

Fürchtet Gott. Ich sagte schon, dass Petrus alle diese Sprüche seiner gegenwärtigen Absicht dienstbar macht. Seine Meinung ist, dass die Ehre, die man den Königen beweist, aus der Furcht Gottes und der Liebe zu den Menschen entspringt und darum mit diesen Tugenden sich verbindet. Es ist, als hätte er gesagt: Wer nur immer Gott fürchtet, seine Brüder liebt und das ganze Menschengeschlecht mit schuldigem Wohlwollen umfasst, wird auch den Königen ihre Ehre geben. Dabei nennt der Apostel ausdrücklich „den König“, d. h. den römischen Kaiser, weil diese Regierungsform vor andern verhasst war und alle übrigen unter sich befasste.

18 Ihr Knechte, seid untertan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. 19 Denn das ist Gnade, so jemand um des Gewissens willen zu Gott das Übel verträgt und leidet das Unrecht. 20 Denn was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missetat willen Streiche leidet? Aber wenn ihr um Wohltat willen leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott.

V. 18. Ihr Knechte, seid untertan usw. Auch diese besondere Mahnung hängt, wie alle folgenden, mit dem vorangestellten Hauptsatz zusammen. Denn das die Knechte ihre Herren, die Weiber ihren Männern gehorchen sollen, dient alles zur Erhaltung menschlicher Ordnung. Die Knechte sollen untertan sein mit aller Furcht. Damit wird eine reine und freiwillige Stimmung der Ehrfurcht gefordert, in welcher sie innerlich anerkennen, was sie zu tun schuldig sind. Diese Furcht steht also im Gegensatz einerseits zur Heuchelei, anderseits zu gewaltsamem Zwang. Denn der „Dienst vor Augen“, wie Paulus (Kol. 3, 22) sich ausdrückt, ist das Widerspiel der Ehrfurcht. Und wenn auf der anderen Seite die Knechte wider ihre erzwungene Leistung murren, bereit, das Joch abzuschütteln, wenn sie nur dürften, so kann auch nicht von Ehrfurcht die Rede sein. Alles in allem: die rechte Furcht wird aus der Erkenntnis der Pflicht geboren. Eine Einschränkung, die hier allerdings nicht ausdrücklich steht, muss man aus anderen Stellen ergänzen. Die Unterwerfung nämlich, welche wir Menschen schulden, reicht niemals so weit, dass sie Gottes Oberherrschaft schmälern dürfte. Darum sollen die Knechte den Herren unterworfen sein, aber in Gott, oder wie man zu sagen pflegt, bis zur Grenze des Altars. Übrigens umfasst der griechische Ausdruck an dieser Stelle nicht nur die Sklaven, sondern auch die freie Dienerschaft.

Nicht allein den gütigen usw. Nur so weit müssen Sklaven den Herren gehorchen, dass sie nichts gegen das Gewissen tun. Werden sie aber unrecht behandelt, was ihre eigene Person angeht, so dürfen sie den Gehorsam nicht verweigern. Mögen die Herrn sein, wie sie wollen, - die Knechte haben keine Entschuldigung, wenn sie ihnen nicht treuen Gehorsam leisten. Denn wenn ein Vorgesetzter seine Macht missbraucht, wird er zwar einst vor Gott Rechenschaft geben müssen, verliert aber in der Gegenwart sein Recht nicht. Die Sklaven unterliegen nun einmal der Ordnung, dass sie auch unwürdigen Herren dienen müssen. Die wunderlichen oder „verdrehten“ Herren stehen im Gegensatz zu den gütigen und freundlichen. Gemeint sind grausame und unerträgliche Menschen, die nicht Freundlichkeit noch Milde beweisen.

V. 19. Denn das ist Gnade, man könnte auch sagen: ein Lob. Der Apostel will sagen, dass wir uns vor Gott keine Gnade noch Lob erwerben, wenn wir eine Strafe aushalten, die wir mit unseren Sünden verdient haben. Vielmehr sind nur solche Leute lobenswert und tun ein Gott wohlgefälliges Werk, die geduldig Unrecht ertragen. Es war in jener Zeit sehr nötig, auszusprechen, dass ein Mensch vor Gott in Gnaden steht, wenn er in Rücksicht auf Gott um seines guten Gewissens willen in seiner Pflicht verharrt, selbst wenn die Menschen ihn ungerecht und unwürdig behandeln. Denn die Lage der Sklaven war eine überaus harte: man ging beleidigend mit ihnen um, wie mit einem Stück Vieh. Solch unwürdige Behandlung konnte sie zur Verzweiflung treiben; es blieb ihnen nur das eine übrig, auf Gott zu schauen. Dies nämlich bedeutet der Ausdruck: um des Gewissens willen zu Gott, dass jemand nicht in Rücksicht auf Menschen sondern auf Gott seine Pflicht tut. Denn wenn ein Weib nachgiebig und ihrem Mann gehorsam ist, um sich ihm zu empfehlen, hat sie ihren Lohn in der Welt, wie Christus dies von den ehrgeizigen Leuten sagt, die auf Menschengunst schauen (Mt. 6, 16). Das gleiche gilt von jeder anderen Lage. Wenn ein Sohn dem Vater gehorcht, um ihn wohlwollend und günstig zu stimmen, wird er seinen Lohn vom Vater haben, nicht von Gott. Der Hauptgedanke ist also, dass dem Herrn unsere Dienstleistungen angenehm sind, wenn uns dabei der Zweck vorschwebt, ihm zu dienen, und wir uns nicht lediglich durch Rücksicht auf Menschen treiben lassen. Wer aber bedenkt, dass er es mit Gott zu tun hat, muss notwendig dahin streben, das Böse mit Gutem zu überwinden. Denn nicht bloß dies fordert Gott von uns, dass wir uns gegen einen jeglichen wiederum so halten, wie er sich uns gegenüber stellte: wir sollen auch denen Gutes tun, die es nicht wert sind und die uns verfolgen. Schwierig bleibt aber noch immer die Aussage, dass derjenige kein Lob gewinnen soll, der eine gerechte Strafe geduldig trägt. Denn wenn auch der Herr unsere Sünden straft, ist ihm doch ohne Zweifel die Geduld, mit der wir uns unter seine Strafe ruhigen Gemüts beugen, ein wohlriechendes Opfer. Aber Petrus redet hier nur vergleichsweise: es bedeutet ein geringeres und schwaches Lob, wenn jemand eine gerechte Strafe gleichmütig annimmt, als wenn ein Unschuldiger, lediglich weil er Gott fürchtet, sich nicht weigert, Beleidigungen der Menschen zu tragen.

21 Denn dazu seid ihr berufen; sintemal auch Christus gelitten hat für uns, und uns ein Vorbild gelassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; 22 welcher keine Sünde getan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden; 23 welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht dräute, da er litt, er stellte es aber dem heim, der da recht richtet.

V. 21. Denn dazu seid ihr berufen usw. War auch von Knechten die Rede, so dürfen doch die folgenden Sätze nicht auf sie beschränkt werden. Denn der Apostel erinnert die Frommen insgemein, in welcher Lage sie sich als Christen befinden: als der Herr sie berief, legte er ihnen das Gesetz auf, Beleidigungen geduldig zu tragen. Damit uns dies aber nicht zu beschwerlich falle, werden wir durch Christi Beispiel getröstet. Scheint doch nichts unwürdiger und unerträglicher, als ohne Schuld zu leiden. Richten wir aber die Augen auf den Sohn Gottes, so mildert sich diese Herbigkeit. Denn wer sollte die Gefolgschaft verweigern, wenn Er vorangeht? Einer Erläuterung bedarf die Aussage, dass er uns ein Vorbild gelassen hat. Denn wenn von der Nachfolge Christi die Rede ist, muss man unterscheiden, was es eigentlich ist, das uns an ihm als Vorbild aufgestellt wird. Christus ist trockenen Fußes über das Meer gewandelt, hat Aussätzige geheilt, Tote erweckt, Blinden das Gesicht wiedergegeben: wollten wir das gleiche versuchen, so wäre dies eine verkehrte Nachahmung. Denn als er die Zeichen seiner Macht sehen ließ, wollte er uns kein Vorbild zur Nachfolge geben. Ein solches Missverständnis war es auch, wenn man Christi vierzigtägiges Fasten leichthin als Vorbild aufstellte. Aber das hatte doch einen ganz anderen Zweck. Darum gilt es, Urteil anzuwenden, worauf auch Augustin einmal hinweist, wenn er das Wort Christi auslegt (Mt. 11, 29): „Lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.“ Dieser Schluss lässt sich auch aus den Worten des Petrus ziehen; weil es der Unterscheidung bedarf, erinnert er ausdrücklich, dass es Christi Geduld ist, die als nachzuahmendes Vorbild für uns hingestellt wird. Diesen Gedanken unterstreicht auch Paulus (Röm. 8, 29): alle Kinder Gottes sind dazu verordnet, dem Ebenbilde Christi gleich zu werden, auf dass derselbige der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Wollen wir also mit ihm leben, so müssen wir zuerst mit ihm sterben.

V. 22. Welcher keine Sünde getan hat. Dies steht in genauem Zusammenhange mit dem vorliegenden Gegenstande. Denn wollte jemand sich mit seiner Unschuld brüsten, - so hat doch ganz gewiss Christus nicht für Missetaten Strafe erduldet. Dabei weist der Apostel zugleich darauf hin, ein wie weiter Abstand uns von Christus trennt, indem er sagt: ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden. Denn wer in keinem Worte fehlt, ist ein vollkommener Mann, wie Jakobus (3, 2) sagt. Christi Unschuld wird uns dadurch als eine derartig vollkommene beschrieben, dass niemand von uns wagen darf, sie sich anzumaßen. So wird vollends klar, dass er vor allen andern unschuldig gelitten hat. Darum darf niemand von uns sich weigern, nach seinem Vorbild zu leiden, da niemand ein so gutes Gewissen hat, dass er sich nicht irgendeinen Sündenschaden vorwerfen müsste.

V. 23. Welcher nicht wieder schalt usw. Hier gibt Petrus an, was wir an Christus nachahmen sollen: wir sollen Beleidigungen sanftmütig tragen und nicht darauf sinnen, sie zu rächen. Denn unsere Geistesart bringt es mit sich, dass bei erlittenem Unrecht die Seele sofort in Rachbegier aufbraust: Christus dagegen hat sich aller Vergeltung entschlagen. Wir müssen also unser Herz zügeln, damit es nicht begehre, Böses mit Bösem zu vergelten.

Er stellte es (d. h. seine Sache) aber dem heim usw. Dies fügt Petrus zum Trost der Frommen hinzu: wenn sie geduldig Schmähungen und Vergewaltigungen seitens gottloser Leute ertragen, sollen sie wissen, dass Gott rächend auf ihrer Seite steht. Es wäre doch gar zu hart, der Laune gottloser Leute preisgegeben zu sein, ohne dass Gott sich um unser Elend kümmerte. Darum schmückt Petrus den Herrn mit dem rühmenden Beiwort: der da richtet. Er will damit sagen: Uns kommt es zu, mit Gleichmut das Übel zu dulden; inzwischen wird Gott sein Amt nicht vernachlässigen, dass er sich nicht als gerechten Richter zeigte. Wie übermütig auch die Gottlosen sich eine Zeitlang gebärden, so wird es ihnen doch nicht ungestraft hingehen, dass sie jetzt die Kinder Gottes belästigen. Die Frommen brauchen sich nicht zu fürchten, als wären sie alles Schutzes bar. Denn weil es Gottes Beruf ist, sie zu schützen und ihre Sache zu führen, dürfen sie ihre Seele ganz ruhig halten. Diese Lehre bietet auf der einen Seite einen nicht geringen Trost, auf der andern ist sie ganz besonders geeignet, das stürmische Fleisch zu besänftigen und zu zähmen. Denn in Gottes Schutz und Hut kann nur ausruhen, wer sanftmütigen Geistes auf sein Gericht harrt. Wer selbst zur Rache aufspringt, drängt sich an Gottes Stelle und lässt den Herrn nicht seines Amtes warten. Darauf bezieht sich jenes Wort des Paulus (Röm. 12, 19): „Gebet Raum dem Zorn“, nämlich Gottes. Er gibt zu verstehen, dass wir dem Herrn den Weg zu seinem Richten gleichsam vertreten, wenn wir ihm zuvorkommen. Darum bekräftigt Paulus seinen Satz mit Moses Zeugnis (5. Mos. 32, 35): „Die Rache ist mein, spricht der Herr.“ So will denn Petrus einprägen, dass Christi Beispiel uns mäßigt, Beleidigungen zu tragen, wenn wir Gott dem Herrn seine Ehre lassen. Denn wenn wir ihn als gerechten Richter bekennen, dürfen wir ihm unser Recht und unsere Sache anvertrauen. Doch fragt sich, in welcher Weise Christus seine Sache dem Vater anheim stellte. Hat er etwa Rache von ihm erbeten? Uns hat er dies doch verboten. Denn er heißt uns (Mt. 5, 44 ff.) denen wohl tun, die uns beleidigen, und für die bitten, die uns schmähen. Es wird ja auch aus der evangelischen Geschichte hinreichend klar, dass Christus zu Gottes Gericht seine Zuflucht nahm und doch auf seine Feinde nicht Rache herabbetete. Vielmehr stellte er sich als Fürbitter hin, indem er sprach: „Vater, vergib ihnen.“ Und sicherlich fehlt viel, dass die Stimmungen unseres Fleisches mit dem Gericht Gottes zusammenstimmen. Will also jemand seine Sache dem heimstellen, der da recht richtet, so muss er unbedingt zuvor sich einen Zügel anlegen, damit er nicht von Gottes gerechtem Gericht etwas Fremdartiges fordert. Denn wer sich den Zügel schießen lässt und um Rache betet, überlässt dem Herrn nicht das Amt des Richters, sondern will ihn gleichsam zu seinem Henker machen. Wessen Wünsche aber darauf ruhig gestimmt sind, dass er seine Feinde in Freunde verwandelt und auf den rechten Weg geführt sehen möchte, der wird seine Sache in Wahrheit dem Herrn anheim stellen, indem er betet: Herr, du kennst mein Herz und weißt, dass ich gerettet sehen möchte, die mein Verderben wollen. Wenn sie sich bekehren, will ich sie beglückwünschen. Wenn sie verstockt in ihrer Bosheit verharren, weiß ich doch, dass du für mein Heil auf der Wacht stehst, und überlasse dir getrost meine Sache! In solchen Grenzen der Bescheidenheit hielt sich Christus; darum sind auch wir an diese Regel gebunden.

24 Welcher unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, auf dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch welches Wunden ihr seid heil geworden. 25 Denn ihr waret wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehret zu dem Hirten und Bischofe eurer Seelen.

Es wäre gar zu flach, wenn der Apostel den Tod Christi uns nur als sittliches Vorbild ans Herz gelegt hätte; darum rühmt er eine weit herrlichere Frucht desselben. Dreierlei will in diesem Zusammenhang erwogen sein. Erstlich hat Christus uns durch seinen Tod ein Beispiel der Geduld gegeben. Zum andern hat er uns vom Tode erlöst und wieder ins Leben gebracht; darum sind wir ihm derartig verpflichtet, dass wir seinem Beispiel willig folgen müssen. Drittens beschreibt der Apostel den Zweck des Todes Christi noch viel umfassender: wir sollen, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Dies alles aber dient dazu, die vorangehende Mahnung zu bekräftigen.

V. 24. Welcher unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat usw. Das ist ein für die Kraft des Todes Christi besonders geeigneter Ausdruck. Wie nämlich unter dem Gesetz ein Sünder, der Lossprechung von seiner Schuld begehrte, ein Opfertier an seine Stelle setzte, so hat Christus den Fluch, den unsre Sünden verdienten, auf sich genommen, um sie vor Gott zu sühnen. Ausdrücklich heißt es, dass er sie auf das Holz getragen hat; denn solche Sühne konnte nur am Kreuz vollbracht werden. Petrus hat also aufs deutlichste ausgesprochen, dass Christi Tod ein Opfer zur Sühnung unserer Sünden war: indem er sich ans Kreuz heften und als Opfer für uns darbringen ließ, nahm er unsre Schuld und Strafe auf sich. Jesaja (53, 5), aus welchem Petrus den Hauptinhalt seiner Lehre entnahm, bedient sich mehrerer Ausdrücke: er ward durch Gottes Hand um unserer Sünden willen zerschlagen, um unserer Missetat willen verwundet, um unsertwillen gebeugt und aufgerieben. Die Züchtigung zu unserem Frieden ward ihm auferlegt. Petrus will mit seinem Wort das gleiche sagen: wir wurden in der Weise mit Gott versöhnt, dass Christus sich von seinem Richterstuhl als Bürgen und Angeklagten für uns darstellte, um die Strafe zu dulden, der wir verfallen waren. Diese Wohltat verdunkeln die Sophisten in ihren Schulen, soviel sie können. Sie schwätzen, dass Christi Todesopfer uns nach der Taufe nur von der Schuld befreie, dass aber die Strafe durch unsre genugtuenden Leistungen weggenommen werde. Wenn aber Petrus sagt, dass Christus unsre Sünden getragen habe, meint er nicht nur, dass ihm die Schuld angerechnet ward, sondern dass er sich auch der Strafe unterzog, um dadurch in Wahrheit zum Sühnopfer zu werden, nach jenem Wort des Propheten: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.“ Übrigens lässt sich auch das folgende Satzglied: durch welches Wunden ihr seid heil geworden – in den gegenwärtigen Zusammenhang wohl einfügen: wir sollen die Last fremder Sünden auf unsre Schultern nehmen, nicht um sie zu sühnen, wohl aber um sie als eine uns auferlegte Bürde zu tragen.

Der Sünde abgestorben usw. Dass Christi Sterben uns zum Vorbild der Geduld dienen soll, hat der Apostel zuvor schon angemerkt: hier aber redet er, wie gesagt, umfassender davon, dass wir ein heiliges und gerechtes Leben führen sollen. Von beiden Stücken redet die Schrift mehrfach: der Herr übt uns durch Mühsale und Widrigkeiten, damit wir dem Tode Christi gleich gestaltet werden. Zum andern ist davon die Rede, dass unser alter Mensch in Christi Sterben gekreuzigt ward, damit wir in einem neuen Leben wandeln sollen. Der Unterschied zwischen diesem letzten Zweck und der vorigen Mahnung zur Geduld ist nun nicht bloß der, dass die gegenwärtige Aussage umfassender wäre. Vielmehr wird Christi Geduld uns einfach als Beispiel vorgestellt. Wenn es aber heißt, Christus habe gelitten, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben möchten, so deutet dies auf die Kraft des Todes Christi, unser Fleisch zu töten, wovon Paulus im 6. Kapitel des Briefs an die Römer ausführlicher handelt. Denn nicht nur dieses Gut hat er uns erworben, dass Gott uns geschenkweise gerecht spricht, indem er uns die Sünden nicht anrechnet, sondern auch, dass wir der Welt und dem Fleisch absterben und zu einem neuen Leben auferstehen. Gewiss wird dieses Absterben nicht an einem einzigen Tag vollendet. Aber wo Christi Tod seine Kraft beweist zur Sühne der Sünden, da wirkt er zugleich auch für die Abtötung des Fleisches.

V. 25. Denn ihr waret wie die irrenden Schafe. Auch diesen Satz entlehnt Petrus aus Jesaja (53, 6), nur dass der Prophet die Aussage allgemeiner gestaltet: „Wir gingen all in die Irre wie Schafe.“ Übrigens liegt der Hauptnachdruck nicht darauf, dass wir mit Schafen oder unvernünftigen Tieren verglichen werden, sondern dass wir in der Irre gingen, wie der Prophet hinzufügt: „ein jeglicher sah auf seinen Weg.“ Es soll gesagt werden, dass wir alle den Weg des Heils verlassen haben und dem Verderben entgegen gehen, wenn Christus uns nicht aus der Zerstreuung sammelt. Das ergibt sich vollends deutlich aus der gegensätzlichen Aussage: aber ihr seid nun bekehret. Denn wer sich von Christus nicht regieren lässt, muss in der Irre gehen, wie ein vom Weg abgeirrtes Tier. Damit ergeht ein Verwerfungsurteil über die gesamte Weisheit der Welt, welche sich der Leitung Christi nicht unterwirft. Ausgezeichnet sind die beiden Titel Christi: der Apostel bezeichnet ihn als den Hirten und Bischof der Seelen. Wer sich in seinem Schafstall und seiner Obhut hält, braucht nicht zu fürchten, dass Christus nicht treulich für sein Heil wacht. Ist es nun auch Christi Aufgabe, uns an Leib und Seele unversehrt zu erhalten, so spricht der Apostel doch ausdrücklich von den Seelen, weil dieser himmlische Hirte uns durch seinen geistlichen Schutz zum ewigen Leben bewahrt.

Kapitel 3

1 Desselbigengleichen sollen die Weiber ihren Männer untertan sein, auf dass auch die, so nicht glauben an das Wort, durch der Weiber Wandel ohne Wort gewonnen werden, 2 wenn sie ansehen euren keuschen Wandel in der Furcht. 3 Ihr Schmuck soll nicht auswendig sein mit Haarflechten und Goldumhängen oder Kleideranlegen, 4 sondern der verborgene Mensch des Herzens mit dem unvergänglichen Wesen des sanften und stillen Geistes; das ist köstlich vor Gott.

Jetzt wird ein anderes Stück der Unterwerfung unter menschliche Ordnung besprochen. Es sollen die Weiber ihren Männern untertan sein. Und weil es für sie ein besonders einleuchtender Vorwand zur Abschüttelung des Jochs zu sein schien, wenn sie an ungläubige Männer gebunden waren, werden sie gerade in dieser Richtung an ihre Pflicht erinnert. Der Apostel erklärt es als besonders veranlasst, dass sie umso eifriger sich unterwerfen: sie sollen nämlich mit ihrem rechtschaffenem Wandel ihre Männer zum Glauben locken. Wenn nun die Weiber schon unfrommen Männern Gehorsam schulden, so müssen sie noch viel williger zum Gehorsam sein, wenn sie gläubige Männer haben. Ungereimt scheint es aber, was Petrus ausspricht, dass die Männer sollten ohne Wort gewonnen werden können. Wo bleibt da jenes Wort (Röm. 10, 17): „Der Glaube kommt aus der Predigt“? Petri Worte wollen aber gewiss nicht so verstanden werden, als vermöchte ein heiliges Leben rein für sich Ungläubige zu Christus zu führen; indessen macht es ihre Seelen weicher und lenkt sie in eine Richtung, die nicht mehr gar zu feindselige Empfindungen gegen die Frömmigkeit hegt. Wie böse Beispiele zum Anstoß dienen, so bringen gute eine nicht geringe Hilfe. Petrus meint also: die Weiber können durch einen heiligen und ehrbaren Wandel auch schweigend dahin wirken, dass sie ihre Männer zum Ergreifen des Glaubens an Christus vorbereiten.

V. 2. Wenn sie ansehen euren keuschen Wandel usw. Es werden nämlich dem rechten Glauben auch noch so fremd gegenüberstehende Gemüter gebrochen, wenn sie die so wohl geordneten Sitten der Gläubigen sehen. Leute, die von Christi Lehre nichts verstehen, bemessen dieselbe nach unserm Leben. So kann es nicht ausbleiben, dass sie den christlichen Glauben loben müssen, der uns zu einem reinen Wandel in der Furcht anleitet.

V. 3. Ihr Schmuck soll nicht auswendig sein usw. Ein zweites Stück der Ermahnung: die Frauen sollen sich mit Maß und Bescheidenheit schmücken. Sie sind ja bekanntlich in diesem Stück eifriger und begieriger, als sich ziemt; darum bestrebt Petrus sich mit gutem Grunde, dies eitle Wesen an ihnen zu bessern. Gewiss will er nun übermäßig kostbaren Schmuck im Allgemeinen tadeln; er zählt aber davon besondere Beispiele auf: die Frauen sollen nicht das Haar künstlich kräuseln und drehen, wozu sie sich eines Brenneisens zu bedienen pflegten, noch dasselbe in Schnörkeln legen. Zum andern sollen sie ihr Haupt nicht mit Gold schmücken; dies nämlich waren die Hauptstücke eins luxuriösen Auftretens. Nun fragt sich, ob der Apostel kurzweg die Anwendung von Gold zum Schmuck des Körpers verwerfen will. Presst jemand die Worte, so erscheinen ganz ebenso wie das Gold auch kostbare Kleider verboten. Denn unmittelbar darauf spricht der Apostel vom Kleideranlegen. Und doch wäre es eine übertriebene Strenge, Schmuck und Eleganz in der Kleidung kurzweg zu verbieten. Sagt man, dass der Stoff zu kostbar zu sei, so hat ihn doch der Herr geschaffen. Wir wissen auch, dass die Künste von ihm stammen. Petrus wolle also nicht jede Schönheitspflege tadeln, sondern das Laster der Eitelkeit, an welchem die Weiber kranken. Auf zweierlei gilt es in der Kleidung zu achten, auf Bequemlichkeit und Anstand. Zum Anstand aber gehört Maßhalten und Bescheidenheit. Wenn also ein Weib mit üppigem Haarschmuck und Gewand einhergeht. wenn sie Überfluss und Prunk zur Schau trägt, kann ihre Eitelkeit nicht entschuldigt werden. Der Einwand, dass es eine gleichgültige und freigelassene Sache sei, sich so oder anders zu kleiden, lässt sich leicht widerlegen. Denn übertriebene Eleganz und überflüssige Pracht, wie überhaupt jedes Übermaß, entspringt aus einem inneren Fehler. Zudem sind Anmaßung, Stolz, prunkendes Gebaren und anderes dergleichen nicht gleichgültige Dinge. Ein Gemüt, das von Eitelkeit gereinigt ist, wird allem den richtigen Zügel anlegen und das Maß nicht überschreiten.

V. 4. Sondern der verborgene Mensch des Herzens. Auf diesen Gegensatz wollen wir fleißig achten. Cato (Marcus Portius Cato der Ältere lebte im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr.; er war bestrebt, die schlichte und strenge Art der alten Römer gegenüber moderner Verweichlichung zu erhalten.) pflegte zu sagen: Wer allzu eifrig sich mit der Pflege des Körpers beschäftigt, vernachlässigt die Pflege der Seele. So gibt auch Petrus, indem er das Begehren der Frauen zügeln will, ihnen das Heilmittel in die Hand, dass sie vielmehr allen Eifer auf die Ausbildung der Seele verwenden sollen. Denn unter dem Herzen versteht er ohne Zweifel das gesamte Seelenleben. Zugleich zeigt er, worin der innere Schmuck der Frauen besteht: in dem unvergänglichen Wesen des sanften und stillen Geistes. Dies Wesen scheint mir im Gegensatz zu stehen gegen die vergänglichen und nichtigen Dinge, die zum Schmuck des Körpers dienen. Alles in allem will Petrus sagen, dass der Schmuck der Seele nicht einer verwelkenden Blume gleicht, noch in vergänglichem Glanz besteht, sondern unvergänglich ist. Ein sanfter und stiller Geist wird als eine besondere Tugend der Frauen genannt: er ist ein hervorragender Schmuck dieses Geschlechts. Denn wir wissen, welch unerträgliches Geschöpf ein herrisches und einrissiges Weib ist. Endlich ist nichts geeigneter, das eitle Wesen, von welchem Petrus spricht, zu bessern, als eine sanfte Ruhe des Geistes. Statt: das ist köstlich vor Gott – lässt sich auch übersetzen: welcher (nämlich der Geist) köstlich ist vor Gott. Der Sinn bleibt doch derselbe. Der Hauptgrund, weshalb die Weiber so übermäßig auf ihren Schmuck bedacht sind, ist, dass sie die Augen der Menschen auf sich ziehen wollen. Petrus dagegen empfiehlt ihnen, vielmehr dafür zu sorgen, dass sie vor Gott einen Wert haben.

5 Denn also haben sich auch vorzeiten die heiligen Weiber geschmückt, die ihre Hoffnung auf Gott setzten und ihren Männern untertan waren, 6 wie die Sara Abraham gehorsam war und hieß ihn Herr; deren Töchter ihr geworden seid, so ihr wohl tut und euch durch keine Furcht abschrecken lasset.

Den Frauen wird das Beispiel der heiligen Weiber vorgehalten, welche mehr nach einem Schmuck des Geistes strebten, als dass sie sich den Lockmitteln äußerer Körperpflege ergeben hätten. Vor allem wird Sara genannt, welche als Mutter aller Gläubigen es besonders verdient, in ihrem Geschlecht Ehre und Nachfolge zu empfangen. Dabei wendet sich die Rede des Apostels noch einmal zum Gehorsam und bekräftigt denselben durch Saras Beispiel. Sie nannte, wie wir bei Mose lesen (1. Mos. 18, 12), ihren Gatten „Herr“. Gewiss legt Gott keinen Wert auf solche Titel, und zuweilen kann sich das frechste und unbotmäßigste Weib solcher Redeweise bedienen. Aber Petrus will zu verstehen geben, dass Sara so zu reden pflegte, weil sie es als ihr von Gott auferlegtes Gesetz erkannte, dem Manne sich unterzuordnen. Petrus fügt hinzu: deren Töchter ihr geworden seid. Er will damit sagen, dass Frauen, welche Saras rechtschaffenes Verhalten sich zum Vorbild dienen lassen, einen Platz unter den Gläubigen gewinnen werden.

Und euch durch keine Furcht davon abschrecken lasset. Die Schwäche ihres Geschlechtes macht es, dass die Frauen misstrauisch und furchtsam sind, und infolge dessen sich oft launisch gebärden: sie fürchten, von ihren Männern noch wegwerfender behandelt zu werden, wenn sie sich ihnen unterordnen. Daran scheint Petrus zu denken, wenn er sagt, dass sie durch keine Furcht sich sollen irre machen lassen. Seine Meinung ist etwa: unterwerft euch nur willig der Herrschaft der Männer und lasset euch nicht vom Gehorsam durch die Furcht abhalten, als kämet ihr in eine schlechtere Lage, wenn ihr Geduld beweist. Andere Ausleger meinen, Petrus wolle hier im Allgemeinen das furchtsame Wesen der Weiber bessern, welches dem Glauben entgegengesetzt ist; seine Mahnung ziele darauf, dass sie überhaupt mit tapferem und unerschrockenem Geist sich ihrem Beruf unterstellen sollen. Mir gefällt jedoch die erste Auslegung besser, die immerhin von der andern nicht allzu weit absteht.

7 Desselbigengleichen, ihr Männer, wohnet bei ihnen mit Vernunft, und gebet dem weiblichen als dem schwächeren Werkzeuge seine Ehre, als die auch Miterben sind der Gnade des Lebens, auf dass eure Gebet nicht verhindert werden.

Desselbigengleichen, ihr Männer, usw. Den Männern mutet der Apostel Vernunft zu. Denn ihre Herrschaft über die Weiber ist an das Gesetz gebunden, dass sie dieselbigen vernünftig leiten. Ehemänner sollen also daran denken, dass sie zur Erfüllung ihrer Pflicht Vernunft nötig haben. Sicherlich müssen sie viele Torheiten tragen, vielen Verdruss hinabschlucken und sich doch zugleich hüten, dass sie nicht durch ihre Nachgiebigkeit das törichte Wesen noch fördern. Darum ist die Mahnung des Petrus nicht überflüssig: „wohnt bei ihnen mit Vernunft.“

Als dem schwächeren Werkzeuge. Als ein Stück der Weisheit, von welcher der Apostel spricht, hebt er auch dies heraus, dass Männer den Frauen ihre Ehre geben sollen. Denn nichts stört die Gemeinschaft des Lebens in höherem Maße als Verachtung. Nur wen wir schätzen, können wir in Wahrheit lieben. So muss die Liebe mit Ehrerbietung verbunden sein. Im Übrigen bedient sich der Apostel eines doppelten Beweisgrundes, um die Männer zu überreden, dass sie ihre Frauen ehrerbietig und freundlich zu behandeln haben. Einmal weist er auf die Schwachheit ihres Geschlechtes hin, zum andern auf die Ehre, deren Gott sie würdigt. Freilich scheint dies beides sich auszuschließen, dass man den Frauen ihre Ehre geben soll, weil sie so schwach sind, und dann wieder, weil sie so hoch stehen. Wo aber Liebe waltet, vereinigt sich beides trefflich. Es ist unwidersprechlich, dass man den Herrn in seinen Gaben verachtet, wenn man nicht denen Ehre erweist, denen er irgendwelche Vorzüge verliehen hat. Und wenn wir bedenken, dass wir Glieder eines Leibes sind, so lernen wir uns tragen und unsere Schwachheiten gegenseitig mit Vergebung decken. Das meint Paulus, wenn er sagt (1. Kor. 12, 23), dass wir den schwächeren Gliedern die meiste Ehre zuwenden: wir sind besonders darauf bedacht, zuzudecken, dessen sie sich zu schämen haben. Es hat also guten Grund, wenn Petrus uns ans Herz legt, die Frauen darum fürsorglich zu behandeln und durch Schonung zu ehren, weil sie schwach sind. Jungen Kindern verzeihen wir leicht, wenn sie in jugendlicher Unerfahrenheit etwas versehen. So darf auch ein Mann um der Schwachheit ihres Geschlechts willen nicht zu streng und hart gegen seine Gattin sein.

Als die auch Miterben sind der Gnade. Die verschiedenen Lesarten schwanken, ob die Männer oder die Weiber als Miterben des Lebens bezeichnet werden sollen, oder ob von einer „vielgestaltigen“ Gnade die Rede ist. Für den Sinn macht dies keinen großen Unterschied. Denn da Gott Männer und Weiber zusammen der gleichen Gnadengaben würdigt, ladet er sie ein, untereinander Gleichheit zu pflegen. Außerdem wissen wir, dass wirklich in vielerlei Gnadengaben die Weiber mit den Männern verbunden sind: teils zielen dieselben auf den Gebrauch des gewöhnlichen Lebens, teils auf Gottes himmlisches Reich. Die Hauptsache aber ist, dass auch die Frauen Miterben des Lebens sind. Denn wenn auch manche unter ihnen sich der Hoffnung auf ewiges Heil verschließen, so genügt es doch zur Ehrung ihres Geschlechts, dass der Herr nicht weniger ihnen dasselbe anbietet als den Männern.

Auf dass eure Gebete nicht verhindert werden. Denn man kann Gott nur anrufen, wenn man ein stilles und gesammeltes Gemüt hat. Unter Schelten und Streit findet das Gebet keinen Raum. Gewiss wendet sich nun Petrus an die Ehegatten und legt ihnen die Eintracht ans Herz, damit sie in einem Geiste gemeinsam zu Gott beten sollen. Doch lässt sich daraus die allgemeine Lehre entnehmen, dass niemand dem Herrn nahen kann, der nicht mit seinen Brüdern freundlich verbunden ist. Dies muss ein Grund sein, häusliches Streiten und Schelten zu unterdrücken, damit in jeder Familie Gott angerufen werde. Ebenso muss diese Erkenntnis als Zügel dienen, im öffentlichen Leben alle Streitereien zu bändigen. Wir wären wahnsinnig, wollten wir uns den Weg zur Anrufung Gottes mit Wissen und Wollen verschließen; damit würden wir ja die einzige rettende Zuflucht verlieren. Einige Ausleger verstehen den Satz des Petrus dahin, dass der eheliche Verkehr sich in bescheidenen Schranken halten solle, damit eine allzu häufige Ausübung nicht den Ernst des Gebets hindere. So sagt auch Paulus (1. Kor. 7, 5): „Entziehe sich nicht eins dem andern, es sei denn aus beider Bewilligung eine Zeitlang, dass ihr zum Fasten und Beten Muße habt.“ Der Gedanke des Petrus aber ist umfassender, und auch Paulus meint doch nicht, dass durch die Beiwohnung das Gebet unmöglich werde. So bleibe ich bei der vorgetragenen Auffassung.

8 Endlich aber seid allesamt gleich gesinnet, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. 9 Vergeltet nichts Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern dagegen segnet, und wisset, dass ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen erbet.

Es folgen allgemeine Mahnungen, die unterschiedslos jeden betreffen. Zunächst bezeichnet der Apostel summarisch einige Stücke, die besonders nötig sind, um Freundschaft und Liebe zu pflegen. Zuerst sollen wir gleich gesinnet sein. Gewiss dürfen Freunde auch verschiedene Meinungen hegen; dieselben werden aber leicht zu einem kleinen Nebel, der die Liebe verdunkelt; ja aus diesem Samen kann Hass geboren werden.

Als mitleidig in unserer ganzen Stimmung erweisen wir uns, wenn unter uns eine Eintracht waltet, in welcher ein jeder das Leid des Nächsten wie sein eigenes fühlt und an seinem Glück sich miterfreut, in welcher man nicht bloß an sich selbst denkt, sondern auch die andern umfasst. Brüderlich soll insbesondere das gegenseitige Verhalten der Gläubigen sein. Denn erst da regiert wahre Brüderlichkeit, wo man gemeinsam Gott als den Vater kennt. Weiter sollen wir barmherzig sein, also uns getrieben fühlen, nicht bloß den Brüdern zu helfen und ihren Jammer zu lindern, sondern auch ihre Schwachheiten zu tragen. Bezüglich des folgenden Wortes schwankt die griechische Lesart. Statt „freundlich“ habe ich zu setzen vorgezogen: demütig. Denn das beste Band der Freundschaft besteht darin, dass ein jeder mäßig und bescheiden denkt. Nichts gebiert mehr Zerwürfnisse als allzu große Selbstgefälligkeit. Klüglich fordert also Petrus von uns Demut, damit nicht Stolz und Hochmut uns zur Verachtung des Nächsten verführen.

V. 9. Vergeltet nicht Böses mit Bösem. Diese Worte verwehren jegliche Rache. Denn wenn die Liebe erhalten bleiben soll, muss man vieles tragen. Immerhin ist hier nicht von gegenseitigem Wohlwollen die Rede. Vielmehr leitet der Apostel uns an, Unrecht zu dulden, wo gottlose Menschen uns reizen. Allerdings betrachtet man es insgemein als die Art eines kleinen und niedrigen Geistes, Unrecht ungestraft hingehen zu lassen; und doch gilt dies, wie wir schon früher sagten, vor Gott als die erhabenste Hochherzigkeit. Es genügt aber nicht, sich der Rache zu enthalten, sondern Petrus fordert auch, dass wir für diejenigen Gutes erbitten, die uns Schmach antun. „Segnet“ will nämlich hier etwa besagen: Bittet um Segen für sie. Dies ergibt sich aus der gegensätzlichen Fortführung: dass ihr den Segen erbet. Im Allgemeinen aber will Petrus uns belehren, dass man das Böse durch Wohltaten überwinden muss. Das ist freilich schwer; aber wir sollen darin es unserm himmlischen Vater gleichtun, der seine Sonne auch über Unwürdige aufgehen lässt.

Wisset, dass ihr dazu berufen seid usw. Weil die Aufgabe der Christen gar zu hart und unbillig scheinen konnte, stellt ihnen der Apostel den Lohn vor Augen. Die Gläubigen haben keinen Grund zur Klage; denn wenn sie Beleidigungen verzeihen, tun sie es zu ihrem eigenen Besten. Geduld ist ein ungeheurer Gewinn; denn wenn wir mit Gleichmut Unrecht erdulden, geleitet uns der Herr mit seinem Segen. Dass wir denselben „erben“, deutet auf seinen bleibenden Besitz. Petrus will sagen, dass es uns nicht bloß für kurze Zeit, sondern immer wohl gehen soll, wenn wir uns mäßigen und das Unrecht ertragen. Übrigens segnet Gott auf andere Weise als die Menschen. Unsere Sache ist es, Bitten um Segen zu ihm empor zu schicken; die Segnung selbst liegt in seiner Hand. Auch das Umgekehrte lässt uns Petrus zwischen den Zeilen lesen, dass Menschen, die Unrecht rächen wollen, einen unglücklichen Ausgang aller ihrer Anschläge erfahren müssen, weil sie sich durch ihr Verfahren des Segens Gottes entschlagen.

10 Denn wer leben will und gute Tage sehen, der schweige seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht trügen. 11 Er wende sich vom Bösen und tue Gutes, er suche Frieden und jage ihm nach. 12 Denn die Augen des Herrn merken auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Gebet; das Angesicht aber des Herrn stehet wider die da Böses tun. 13 Und wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommet? 14 Und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch aber vor ihrem Trotzen nicht, erschreckt nicht; 15 heiliget aber Gott den Herrn in euren Herzen.

V. 10. Denn wer leben will usw. Der Apostel bekräftigt die voran stehende Aussage durch ein Zeugnis Davids. Es handelt sich um eine Stelle aus dem 34. Psalm (V. 13 ff.), wo der heilige Geist bezeugt, dass es allen wohl gehen werde, die sich von aller Schandtat und Schädigung fernhalten. Die gemeine Empfindung gibt uns freilich etwas ganz anderes ein. Denn die Menschen glauben sich der Unverschämtheit ihrer Feinde preiszugeben, wenn sie sich nicht wacker rächen. Aber der Geist Gottes verheißt nur solchen Leuten ein glückliches Leben, die sich sanftmütig halten und das Böse geduldig leiden. Denn gut können wir es nur haben, wenn der Herr unsere Wege glücklich leitet. Er will sich aber nur guten und guttätigen Menschen zur Verfügung stellen, nicht frechen und trotzigen. Übrigens folgt Petrus der griechischen Übersetzung, was für den Sinn kaum einen Unterschied macht. Zuerst werden wir erinnert, dass es Sünden der Zunge zu meiden gilt: wir sollen nicht schmähsüchtig und hochfahrend reden, zum andern sollen wir uns auch nicht trügerisch und zweizüngig verhalten. Sodann wendet sich die Rede zu den Taten: wir sollen niemand verletzen, noch ihm Schaden zufügen, sondern uns bestreben, gegen jedermann guttätig zu sein, und sollen die Pflichten der Menschlichkeit ausüben.

V. 11. Er suche Frieden usw. Es ist nämlich nicht genug, den Frieden zu halten, den man uns anbietet, sondern auch, wenn er von uns zu fliehen scheint, sollen wir ihn suchen. Oft kommt es auch vor, dass, wenn wir, so viel an uns ist, nach Frieden streben, die andern ihn nicht gewähren. Um dieser Schwierigkeiten und Hindernisse willen gebietet der Apostel, dass wir den Frieden suchen und ihm nachjagen sollen.

V. 12. Denn die Augen des Herrn merken auf die Gerechten. Zur Milderung jeglichen Übels muss es uns ein hinreichend wirksamer Trost sein, dass der Herr auf uns schaut, um uns zur rechen Zeit zu helfen. Der Apostel will uns also einprägen, dass die guten Tage des Glücks, von denen die Rede war, sich daraus ergeben, dass Gott uns schützt. Denn wenn der Herr nicht für die Seinen sorgte, wären sie wie Schafe den Wölfen zur Beute preisgegeben. Dass wir so leicht in Unruhe geraten, uns so oft zum Zorn entflammen lassen, dass wir von Rachbegier brennen, kommt ganz sicher daher, dass wir vergessen, wie Gott für uns sorgt, und dass wir nicht auf seiner Hilfe ausruhen. Darum wird man vergeblich von Geduld predigen, wenn die Herzen nicht zuvor die Lehre in sich aufnehmen, dass Gott für uns sorgt, um uns zu seiner Zeit beizuspringen. Wo wir dagegen fest überzeugt sind, dass Gott die Sache der Gerechten mit seinem Schutz decken will, streben wir zuerst rückhaltlos nach einem einwandfreien Verhalten; und wenn zum andern gottlose Leute sich lästig und feindlich stellen, nehmen wir unsere Zuflucht zu Gottes Schutz. Denn dass die Ohren des Herrn für Gebete geöffnet sind, reizt uns zu eifrigem Beten.

Das Angesicht aber des Herrn usw. Dieser Satz spricht aus, dass der Herr unser Rächer sein wird, weil er nicht immer die Frechheit der Gottlosen sich austoben lassen kann. Zugleich aber kündigt er an, was geschehen muss, wenn wir etwa unser Leben mit Schandtaten sollten schützen wollen; wir würden Gott zu unserm Feind haben. Freilich könnte man einwenden, dass die tägliche Erfahrung ein ganz anderes Bild zeigt. Denn je gerechter und friedliebender sich jemand hält, desto mehr spielen verbrecherische Leute ihm mit. Darauf diene zur Antwort: niemand strebt in einem solchen Grade nach Billigkeit und Frieden, dass nicht auch er zuweilen in irgendeinem Stück sündigte. Vornehmlich aber müssen wir dies anerkennen, dass die für dieses Leben geltenden Verheißungen nicht weiter greifen, als die Erfüllung ihres Inhalts für uns nützlich ist. Darum wird unser Friede mit der Welt oft gestört, damit unser Fleisch unter den Gehorsam gegen Gott gebändigt werde, überhaupt damit uns nichts an der Vollkommenheit abgehe.

V. 13. Und wer ist, der euch schaden könnte usw. Noch einmal bekräftigt der Apostel den vorangehenden Satz durch einen aus der allgemeinen Erfahrung entnommenen Beweis. Denn es geschieht sehr häufig, dass gottlose Leute uns zu schaffen machen, weil sie von gereizt sind, oder wenigstens, weil wir uns nicht hinreichend bemühten, sie für uns zu gewinnen. Denn wer sich der Guttätigkeit befleißigt, stimmt auch sonst harte Gemüter mild. Den gleichen Grund führt auch Plato in seinem ersten Buch über den Staat (Kap. 22) an: „Ungerechtigkeit erregt Unruhen, Hass und Kampf; Gerechtigkeit aber führt zu Eintracht und Freundschaft.“ Wenn aber dies insgemein zu geschehen pflegt, so geschieht es doch nicht immer. Denn die Kinder Gottes mögen noch so eifrig sich bemühen, gottlose Leute durch Wohltaten zu besänftigen, ja gegen jedermann sich freundlich zu stellen, - sie erleiden doch ungerechte Angriffe von vielen Seiten. Darum fügt Petrus hinzu (V. 14): Und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen usw. Alles in allem: Die Gläubigen werden einen ruhigen Lebensstand eher erreichen, wenn sie auf Wohltaten bedacht sind, als wenn sie gar zu schnell Gewalttat und Rache anwenden. Haben sie aber nichts unterlassen, was zum Frieden dient, und müssen doch leiden, so werden sie eben darin selig sein, weil sie um Gerechtigkeit willen leiden. Dies letztere liegt freilich von unserer fleischlichen Stimmung sehr weit ab; aber nicht umsonst hat Christus es verkündigt (Mt. 5, 10 f.), und nicht umsonst wiederholt es Petrus nach den Worten seines Meisters. Denn endlich wird Gott als Befreier erscheinen, und dann wird öffentlich klar werden, was jetzt unglaublich scheint, dass die Leiden, welche die Frommen geduldig trugen, ein Glück waren. „Um Gerechtigkeit willen“ leiden, besagt nicht bloß, dass man Schaden und Unbequemlichkeit erfahren muss, wenn man irgendeiner guten Sache sich annimmt, sondern dass Leute, die unschuldig und in der Furcht Gottes in der Welt wandeln, ungerecht leiden müssen.

Fürchtet euch aber vor ihrem Trotzen nicht. Noch einmal weist der Apostel auf den Quell und Grund der Ungeduld hin. Wir lassen uns mehr als billig beunruhigen, wenn gottlose Leute sich wider uns erheben. Denn solche innere Verstörung macht uns mutlos, wirft uns aus der Bahn oder zündet Rachbegier in uns an. Dabei ruhen wir nicht in Gottes Schutz aus. Denn es wäre das beste Mittel, stürmische Gemütsbewegungen zu zügeln, wenn wir die übermäßige Furcht durch das Vertrauen auf Gottes Hilfe besiegen würden. Ohne Zweifel will nun Petrus auf ein Wort des Jesaja (8, 12) anspielen: als die Juden wider Gottes Willen sich mit unheiligen und weltlichen Hilfsmitteln zu schützen begehrten, erinnerte Gott seinen Propheten, dass er nicht sich fürchten solle, wie sie taten. Buchstäblich: Fürchtet euch nicht mit ihrer Furcht. Petrus gibt diesem Gedanken eine etwas andere Wendung: Fürchtet euch nicht vor ihrer Furcht, d. h. vor dem Schrecken, den uns die Ungläubigen mit Gewalttaten und rauen Drohungen einjagen wollen. Diese Abweichung hat nichts Anstößiges, weil ja Petrus das Wort des Propheten nicht auslegen, sondern lediglich darauf hinweisen wollte, dass nichts uns besser zur Geduld anleiten könne als die Weisung Jesajas (V. 15): Heiliget Gott den Herrn. Die Gläubigen werden furchtlos dastehen und sich durch keine Erschütterung und keinen Schrecken von der rechten Bahn ihrer Pflicht abdrängen lassen, wenn sie den Herrn Zebaoth heilig halten. Dieses „Heiligen“ will im genauen Zusammenhange mit dem vorliegenden Gedankengange verstanden sein. Woher kommt es, dass wir uns durch Furcht erdrücken lassen und verloren zu sein glauben, wenn irgendetwas von Gefahr uns droht? Doch nur daher, dass wir einem sterblichen Menschen eine größere Macht, zu schaden, zutrauen als dem Herrn, zu retten. Gott verheißt, der Hüter unseres Wohlergehens zu sein: dagegen stürmen die Gottlosen wider dasselbe an. Lassen wir uns nun nicht durch Gottes Verheißung aufrecht halten, - tun wir ihm dann nicht eine Schmach an und entheiligen ihn gewissermaßen? Darum lehrt der Prophet, dass man über den Herrn Zebaoth ehrenvoll denken soll: mögen die Gottlosen alles in Bewegung setzen, uns zu verderben, dazu auch mit gewaltigen Mitteln gerüstet sein, - der eine Gott hat reichlich Macht genug, uns zu retten. Darum fügt Petrus hinzu: Heiliget ihn in euren Herzen. Denn wenn tief in unserem Herzen die Überzeugung haftet, dass die vom Herrn verheißene Hilfe für uns ausreicht, so werden wir aufs beste gewappnet sein, alle furchtsamen Gedanken des Unglaubens abzuwehren.

Seid allezeit bereit zur Verantwortung jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist, 16 und das mit Sanftmütigkeit und Furcht; und habt ein gut Gewissen, auf dass die, so von euch afterreden als von Übeltätern, zu Schanden werden, dass sie geschmähet haben euren guten Wandel in Christo.

Dies ist eine neue Vorschrift, die sich jedoch aus dem Vorangehenden ergibt. Denn der Apostel mutet den Gläubigen eine Standhaftigkeit zu, in der sie ohne Scheu Widersachern von ihrem Glauben Rechenschaft geben. Dies gehört zu der Heiligung Gottes, von der soeben die Rede war. Denn erst dann geben wir dem Herrn in Wahrheit seine Ehre, wenn weder Furcht noch Scham uns am rechten Bekenntnis des Glaubens hindern. Übrigens befiehlt Petrus nicht geradezu, dass wir überall, immer und unterschiedslos gegenüber allen Menschen alles verkünden und offenbar machen sollen, was der Herr uns gegeben hat. Denn Gott hat die Seinen mit dem Geist der Unterscheidung ausgerüstet, damit sie zu beurteilen wissen, wann, wieweit und bei welchen Leuten zu reden nützlich ist. Er heißt uns nur: Seid bereit zur Verantwortung, damit wir nicht durch Gleichgültigkeit oder feige, fleischliche Furcht mit unserem Schweigen die Lehre Christi dem Gespött gottloser Leute preisgeben. Diese Weisung zielt alles in allem darauf, dass wir zum Bekenntnis des Glaubens bereitstehen müssen, es abzulegen, so oft es nötig ist, damit nicht die Ungläubigen infolge unseres Schweigens unsere ganze Religion für verwerflich erklären. Übrigens – das wollen wir bemerken – legt Petrus uns nicht auf, uns für die Lösung jeder Frage, die man aufwirft, bereit zu halten. Denn es ist nicht jedermanns Sache, über jegliches Ding zu disputieren. Und hier steht doch eine allgemeine Anweisung, die auch unerfahrene und ungebildete Leute angeht. Petrus zielt also lediglich darauf, dass die Christen den Ungläubigen eindrücklich machen sollen, wie sie Gott in reiner Weise verehren und eine heilige und rechte Religion pflegen. Und das hat keine Schwierigkeit. Denn es wäre doch ganz ungereimt, dass wir nichts zur Verteidigung unseres Glaubens sollten vorbringen können, wenn jemand uns darnach fragt. Müssen wir uns doch stets bemühen, dass jedermann erkenne, wie wir Gott fürchten und fromm und ehrfürchtig über seine rechtmäßige Verehrung denken. Das fordert auch die Rücksicht auf die Zeit. Der Name der Christen war überaus verhasst und unehrlich. Viele hielten sie für eine nichtswürdige, mit vielen Religionsfreveln angefüllte Sekte. So wäre es die äußerste Treulosigkeit gegen Gott gewesen, wenn die Christen keinen Wert darauf gelegt hätten, auf Fragen zu antworten und Zeugnis von ihrer Frömmigkeit abzulegen. Das meint der Apostel, wie mich dünkt, mit der Verantwortung, die er den Christen zumutet.

„Hoffnung“ steht hier im Austausch für „Glaube“. Doch meint Petrus, wie gesagt, nicht, dass die Gläubigen peinlich und gründlich über die einzelnen Glaubensartikel zu disputieren wissen sollen, vielmehr sollen sie nur zeigen können, dass der Glaube an Christus wahre Frömmigkeit ist. Daraus schließen wir freilich, dass Leute, die keine Gewissheit haben und nichts zur Verteidigung ihres Glaubens zu sagen wissen, sich nur missbräuchlich Christen nennen. Sehr erwägenswert ist nun weiter, was Petrus von der Hoffnung sagt, „die in euch ist.“ Er gibt damit zu verstehen, dass nur ein solches Bekenntnis Gott gefällt, welches aus dem Herzen quillt: wenn der Glaube nicht tief im Innern wurzelt, wird die Zunge vergeblich schwätzen.

V. 16. Und das mit Sanftmütigkeit usw. Eine sehr nötige Erinnerung: denn wenn die Gemüter nicht auf Maßhalten gestimmt sind, werden sofort Streitereien empor wuchern. Sanftmütigkeit steht nun im Gegensatz sowohl zu stolzer und windiger Prahlerei als zu übertriebener Hitze. Darum hat sich mit ihr die Furcht zu verbinden: denn wo Ehrfurcht vor Gott herrscht, bändigt sie allen Trotz der Seele; insbesondere aber lehrt sie uns, Gottes Geheimnisse mit sanftem Geist zu behandeln. Denn streitsüchtige Wortgefechte kommen eben daher, dass sehr viele Menschen nicht genügend ehrfürchtige Gedanken über die Größe der himmlischen Weisheit hegen und sich darum in unheiliger Kühnheit überheben. Soll also das Bekenntnis unseres Glaubens vor Gott angenehm sein, so müssen wir alles hochfahrende und streitsüchtige Wesen fernhalten.

Und habt ein gut Gewissen. Weil das Wort ohne das Leben wenig Eindruck macht, fügt der Apostel zum Bekenntnis des Glaubens das gute Gewissen. Sehen wir doch, wie sehr viele Leute eine geschwinde Zunge haben und vieles leichthin herausschwätzen, aber ohne Nutzen. weil sie nicht ein entsprechendes Leben führen. Weiter ist es nun ein unangreifbares Gewissen, das uns die nötige Zuversicht zum Reden verleiht. Wer viel über das Evangelium plappert, aber aus seinem zügellosen Leben der Unfrömmigkeit überwiesen werden kann, macht nicht nur sich lächerlich, sondern gibt auch die Lehre selbst den Verleumdungen gottloser Leute preis. Denn warum anders sollen wir zur Verteidigung bereitstehen, wenn jemand Rechenschaft unseres Glaubens fordert, als weil es unsere Aufgabe ist, die Lehre Gottes gegen verkehrten Verdacht zu schützen, mit welchem unerfahrene Menschen sie belasten? Es wird aber ein Schutz mit der Zunge wenig helfen, wenn das Leben nicht damit zusammenstimmt. Darum heißt es, dass zu Schanden werden sollen, die unsern guten Wandel in Christus schmähen, weil sie von uns wie von Übeltätern reden. Die Meinung ist: wenn die Gegner an euch nichts anderes zu zerpflücken haben, als dass ihr Christus nachfolgt, werden sie sich endlich ihrer Bosheit schämen müssen; oder wenigstens wird eure Unschuld ausreichen, sie zu widerlegen.

17 Denn es ist besser, so es Gottes Wille ist, dass ihr von Wohltat wegen leidet denn von Übeltat wegen. 18 Sintemal auch Christus einmal für unsre Sünden gelitten hat, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass er uns zu Gott führete, und ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist.

V. 17. Denn es ist besser usw. Dies bezieht sich nicht bloß auf den letzten Satz, sondern auf den ganzen Zusammenhang. Der Apostel hatte von dem Bekenntnis des Glaubens gesprochen, welches zu jener Zeit eine gefährliche Sache war. Jetzt fügt er hinzu, dass, wenn die Christen um ihrer Verteidigung einer guten Sache willen von Nachteilen betroffen würden, es viel besser sei, in dieser Weise ungerecht zu leiden, als wenn sie wegen Schandtaten geschlagen werden müssten. Dieser Trost lässt sich besser durch innerliches Nachdenken als durch weitschweifiges Reden ergreifen. Vielfach liest man freilich auch bei weltlichen Schriftstellern, dass ein gutes Gewissen gegenüber jeglichem Übel ein hinreichender Schutz sei, und dass man dulden müsse. Das ist eine tapfere Rede; aber wahrhaft tapfer wird das Herz doch erst, wenn es auf Gott schaut. Darum fügt Petrus die Einschränkung hinzu: so es Gottes Wille ist. Diese Worte erinnern daran, dass es nicht von ungefähr geschieht, wenn wir in irgendeinem Stück ungerecht leiden müssen, sondern durch Gottes bestimmte Verfügung. Dass aber Gottes Wille und Verfügung immer auf das Beste gegründet ist, wird als zugestanden vorausgesetzt. Darum haben die Gläubigen in ihrem Elend immer den Trost, dass Gott ihr Zeuge ist; sie dürfen sich sagen, dass er sie auf den Kampfplatz führt, damit sie unter seinen Augen eine Probe ihres Glaubens ablegen.

V. 18. Sintemal auch Christus einmal usw. Ein weiterer Trostgrund: haben wir in unseren Anfechtungen ein gutes Gewissen, so leiden wir nach Christi Vorbild; daraus folgt, dass wir glücklich sind. Zugleich aber beweist der Apostel aus dem Zweck des Sterbens Christi, wie unpassend es sein würde, dass wir wegen böser Taten geschlagen werden müssten. Denn Christus hat gelitten, auf dass er uns zu Gott führte. Was anders will das sagen, als dass wir durch Christi Sterben Gott dem Herrn geweiht wurden, um ihm zu leben und zu sterben? Der Satz hat also zwei Glieder. Das erste ist, dass wir Verfolgungen mit Gleichmut tragen müssen, weil der Sohn Gottes uns den Weg zeigt. Das andere besagt: weil wir durch Christi Tod zum Gehorsam gegen Gott verpflichtet wurden, ziemt es sich, dass wir nicht wegen unserer Sünden, sondern um Gerechtigkeit willen leiden. Doch lässt sich hier die Frage aufwerfen, ob denn Gott den Gläubigen nicht eben eine Züchtigung auferlegt, wenn er es zulässt, dass Schläge von irgendeiner Seite sie treffen. Gewiss, so möchte ich antworten, legt Gott ihnen oft Strafen auf, die sie verdient haben. Das will auch Petrus nicht leugnen; aber er erinnert, wie trostreich es ist, zu wissen, dass ihre Sache Gottes Sache ist. Wieso man aber sagen könne, dass Gott in denen, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, nicht Sünden strafe, und in welchem Sinne sie unschuldig heißen dürfen, werden wir im nächsten Kapitel sehen.

Und ist getötet nach dem Fleisch usw. Schon dies war etwas Großes, dass wir dem Sohn Gottes gleichen, wenn wir ohne Ursache leiden. Doch kommt als weiterer Trostgrund noch hinzu, dass der Ausgang des Todes Christi ein glücklicher war; denn wenn er auch gelitten hat wegen der Schwachheit des Fleisches, so wurde er doch lebendig gemacht durch den Geist, d. h. er ist in Kraft des Geistes auferstanden. Weder Kreuz noch Tod konnten ihm die Siegespalme entreißen. Das ist aber darum gesagt, damit wir nach einem Wort des Paulus (2. Kor. 4, 10) wissen sollen, dass wir an unserm Leibe das Sterben Christi umtragen, damit auch sein Leben an uns offenbar werde. „Fleisch“ dient hier zu Bezeichnung des äußeren Menschen, „Geist“ zur Beschreibung der göttlichen Kraft, durch welche Christus siegreich aus dem Tode hervorging.

19 In demselbigen ist er auch hingegangen, und hat geprediget, den Geistern, die auf der Warte standen, 20 da vorzeiten Ungläubige waren, da Gott harrte und Geduld hatte zu den Zeiten Noahs, da man die Arche zurüstete, in welcher wenige, das ist acht Seelen, gerettet wurden durchs Wasser; 21 welches nun auch uns selig macht in der Taufe, die durch jenes bedeutet ist, nicht das Abtun des Unflats am Fleisch, sondern das Zeugnis eines guten Gewissens vor Gott, durch die Auferstehung Jesu Christi, 22 welcher ist zur Rechten Gottes in den Himmel gefahren, und sind ihm untertan die Engel und die Gewaltigen und die Kräfte.

V. 19. In demselbigen ist er auch usw. Dies hat Petrus beigefügt, damit wir wissen, dass jene lebendig machende Kraft des Geistes, von der er sprach, nicht auf Christi Person beschränkt blieb, sondern auch auf uns überströmt, wie auch Paulus dies im 5. Kapitel des Römerbriefs lehrt. Es heißt also, dass Christus nicht bloß für sich auferstand, sondern um dieselbe Kraft seines Geistes andern offenbar zu machen; ja sogar bis zu den Toten sei dieselbe gedrungen. Daraus folgt, dass wir dieselbe nicht minder schmecken werden: sie soll alles, was in uns sterblich ist, lebendig machen. Im Übrigen hat diese dunkle Stelle mancherlei Erklärungen gefunden. Allgemein verbreitet war die Ansicht, dass hier ein Abstieg Christi zu den Toten erzählt werde. Aber die Worte lauten anders. Denn es ist nicht von der Seele Christi die Rede, sondern nur davon, dass er im Geist gekommen sei. Es sind aber zwei ganz verschiedene Dinge, ob die Seele Christi hinging, oder ob Christus in der Kraft seines Geistes predigte. Ausdrücklich spricht also Petrus vom Geist, um den Aberglauben an eine so genannte reale Gegenwart auszuschließen. Ich zweifle also nicht, dass er im Allgemeinen sagen will, Christi Gnadenoffenbarung habe sich auch auf die Geister der Frommen erstreckt, und er habe sie mit der Lebensmacht seines Geistes durchtränkt. Darum brauchten wir nicht zu fürchten, dass sie nicht auch bis zu uns dringen könne. Von diesen Seelen der Frommen, die den Körper verlassen hatten, wird nun gesagt, dass sie auf der Warte standen. Denn dies scheint mir der betreffende griechische Ausdruck eher zu besagen als etwa, dass sie im „Gefängnis“ waren; zu denken ist entweder an einen Ort, da die Wache gehalten wird, oder an das Warten und Wachen selbst. Es gibt einen trefflichen Sinn, dass die frommen Seelen auf die Hoffnung des verheißenen Heils gespannt waren und wie aus der Ferne sehnsüchtig darauf warteten. Denn ohne Zweifel haben die heiligen Väter sowohl im Leben als nach ihrem Sterben alle Gedanken auf dieses Ziel gerichtet. Will man aber das Wort „Gefängnis“ beibehalten, so lässt sich auch dem ein passender Sinn abgewinnen. Nach dem Zeugnis des Paulus (Gal. 3, 23) war für die Väter, so lange sie lebten, das Gesetz gleichsam ein enger Kerker, in dem sie festgehalten wurden. So mussten sie auch nach ihrem Tode sich durch eine ängstliche Sehnsucht nach Christus wie gefesselt fühlen, weil ihnen noch nicht eine völlige Freiheit des Geistes geschenkt war. Dies ängstliche Harren war für sie wie ein Gefängnis. Bis dahin erscheinen die Worte des Apostels sachgemäß und stimmen trefflich zum Zusammenhang; das Folgende aber bietet einige Schwierigkeit, da nun nicht mehr von den Gläubigen, sondern lediglich von Ungläubigen die Rede ist. Dadurch scheint die ganze vorgetragene Auslegung umgestoßen zu werden. Dies war der Grund, dass einige hier an ein Gericht dachten, welches der Geist Christi über die Ungläubigen vollzogen habe, die vorzeiten die Frommen belästigten und befehdeten. Dann würde Petrus die Gläubigen mit diesem Hinweis trösten, dass Christus noch nach seinem Sterben sie gestraft habe. Dass dies aber ein Irrtum ist, zeigt die Aussage des nächsten Kapitels (V. 6): den Toten sei das Evangelium verkündigt worden, damit sie im Geist für Gott leben möchten. Dies trifft doch allein für die Gläubigen zu. Außerdem ist kein Zweifel, dass Petrus seine gegenwärtige Aussage dort wiederholen will. Seine Hauptabsicht ist, uns einzuprägen, dass die lebendig machende Kraft des Geistes Christi, die man an ihm selbst spüren konnte und die auch an den Toten sich erwies, als solche sich auch an uns betätigen werde. Indessen gilt es nun, zu untersuchen, weshalb der Apostel nur Ungläubige nennt. So scheint er ja sagen zu wollen, dass Christus im Geist denen erschienen sei, die vorzeiten ungläubig waren. Ich möchte aber den Satz anders abteilen, so dass er besagt, dass damals die reinen Anbeter Gottes unter lauter Ungläubige gemischt, ja von deren Menge fast überschüttet waren. Ich gebe zu, dass die mit der griechischen Syntax nicht ganz stimmt; aber die Apostel nehmen es in diesem Stück nicht allzu genau, und namentlich an unsrer Stelle reiht Petrus unübersichtlich immer einen Gedanken an den andern. Zudem lässt sich auf andere Weise ein passender Sinn nicht gewinnen. Darum habe ich unbedenklich eine Auflösung der verwickelten Sätze gegeben, die deutlich macht, dass die Ungläubigen, von denen die Rede ist, andere sind als diejenigen, denen das Evangelium gepredigt ward: an die Aussage, dass Christus sich den verstorbenen Gläubigen geoffenbart, reiht sich die andere, dass die Gläubigen lebten, da vorzeiten Ungläubige waren. Die Meinung ist, dass es den heiligen Vätern keinen Schaden bringen konnte, wenn sie sich von der Menge der Ungläubigen fast erdrückt sahen. Der Apostel scheint mir also einem Zweifel zu begegnen, der die Gläubigen seiner Zeit ängstigen konnte. Sie sahen, wie die ganze Welt in den Händen der Ungläubigen war, welche die Herrschaft und das Leben hatten. Solche Versuchung hätte ihnen, die gleichsam unter dem Tode verschlossen waren, alle Zuversicht nehmen können. Darum erinnert Petrus sie daran, dass sich die Väter in keiner andern Lage befanden: und doch wurde ihr Leben, obwohl damals die Menge der Gottlosen die ganze Erde bedeckte, durch Gottes Kraft bewahrt. Auf diese Weise tröstet der Apostel die Frommen, damit nicht ihre geringe Anzahl ihnen den Mut schwäche oder ganz nehme. Das treffliche Beispiel, welches er dafür wählt, der Untergang der Welt in der Sintflut, war vor andern bekannt: damals entging nur Noahs Familie der allgemeinen Vernichtung des Menschengeschlechts. Auch auf diese Weise der Rettung spielt der Apostel an, indem er in ihr etwas wie eine Taufe sieht. So wird auch dieser Teil seiner Aussage verständlich. Alles in allem: die Welt ist immer voll von Ungläubigen gewesen; darum dürfen sich durch ihre ungeheure Zahl die Frommen nicht schrecken lassen. So ließ auch Noah, obgleich die gottlosen Leute ihn rings umgaben und der Seinen nur so wenige waren, sich doch vom rechten Weg des Glaubens nicht abdrängen.

Da Gott harrte usw. Dies ist im Blick auf die Gottlosen gesagt, die durch Gottes zuwartende Geduld nur noch träger wurden. Denn wenn Gott seine Rache verschiebt und nicht alsbald vollzieht, spotten die Gottlosen in ihrer Sicherheit aller Drohungen. Dagegen ließ sich Noah durch Gottes offenbarenden Spruch warnen und hatte die Flut schon geraume Zeit vor Augen. Er machte sich mit Eifer an den Bau der Arche, weil er, durch Gottes Gericht erschreckt, alle stumpfe Gleichgültigkeit abgeschüttelt hatte.

V. 21. In der Taufe, die durch jenes bedeutet ist. Die Rettung Noahs durch das Wasser wird als eine abbildliche Darstellung der Taufe bezeichnet. Der Apostel erinnert daran, um die Ähnlichkeit zwischen ihm und uns desto eindrücklicher zu machen. Denn dies ganze Satzglied zielt, wie wir schon sagten, darauf, dass wir uns nicht durch böse Beispiele von der Furcht des Herrn und dem rechten Heilsweg abbringen und mit der Welt vermischen lassen sollen. Dies wird ganz deutlich in der Taufe, wo wir mit Christus begraben werden und der Welt und dem Fleisch absterben, damit wir für Gott leben. Unter diesem Gesichtspunkt heißt es, dass unsere Taufe durch Noahs Taufe bedeutsam vorgebildet war. Denn wie Noah das Leben durch den Tod gewann, da er ja in der Arche wie in einem Grabe eingeschlossen war und mit seinen wenigen Familiengliedern gerettet ward, während die ganze Welt zugrunde ging, - so ist heute für uns die Abtötung, die in der Taufe dargestellt wird, der Eingang in das Leben; und wir dürfen auf Rettung nur hoffen, wenn wir uns von der Welt haben absondern lassen.

Nicht das Abtun des Unflats am Fleisch. Dies wurde hinzugefügt, weil unter gewissen Umständen der größte Teil der Menschen Christi Namen bekennt und durch dieselbe Taufe fast alle mit uns in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen wurden. So würde nicht mehr zutreffen, dass heute nur wenige durch die Taufe gerettet werden, wie Gott durch die Arche nur acht Seelen gerettet hat. Demgegenüber erinnert der Apostel, dass der Empfang des äußeren Zeichens nicht genügt, wenn man nicht in wahrer und wirkungskräftiger Weise die Taufe auf sich nimmt. Diese Wahrheit derselben findet sich aber nur bei wenigen. Daraus folgt, dass wir nicht um uns herum auf das blicken dürfen, was die Masse der Menschen treibt, um uns von ihrem Beispiel abhängig zu machen; auch sollen wir uns nicht fürchten, wenn wir an Zahl gering sind. Übrigens verdrehen die Schwärmer, wie z. B. Schwenkfeld (Frommer Mystiker, den die Reformatoren als Schwärmer betrachteten, starb 1561 zu Ulm.), dieses Zeugnis in übler Weise, um den Sakramenten jegliche Kraft und Wirkung abzusprechen. Denn Petrus wollte nicht die von Christus eingesetzte Taufe für nichtig und unwirksam erklären, sondern nur die Heuchler von der Heilshoffnung ausschließen, die, soviel an ihnen ist, die Taufe verkehren und verderben. In den Sakramenten haben wir zwei Stücke in Betracht zu ziehen, das Zeichen und den Inhalt. So ist in der Taufe Wasser das Zeichen, der Inhalt aber ist die Abwaschung der Seele durch Christi Blut und die Abtötung des Fleisches. Christi Einsetzung begreift dies beides in sich. Dass aber das Zeichen oft unwirksam und offensichtlich fruchtlos wird, ist durch den Missbrauch der Menschen verschuldet, der doch die Natur des Sakraments nicht aufhebt. Wir wollen also lernen, dass man den bezeichneten Inhalt nicht etwa vom Zeichen losreißen darf. Freilich muss man sich auch vor dem entgegen gesetzten Fehler hüten, der unter den Papisten herrscht. Weil sie nämlich zwischen Inhalt und Zeichen nicht den gebührenden Unterschied machen, bleiben sie an dem äußeren Element hängen und gründen darauf ihre Heilszuversicht. So lenkt der Anblick des Wassers ihre Gedanken von Christi Blut und der Gnadenwirkung des Geistes ab. Sie bedenken nicht, dass Christus allein der Spender all der Güter ist, die dort geboten werden; sie nehmen seinem Tod die Ehre und übertragen sie auf das Wasser; sie binden die verborgene Wirkung des Geistes an das sichtbare Zeichen. Was sollen wir also tun? Damit wir nicht scheiden, was der Herr verbunden hat, müssen wir in der Taufe ein geistliches Bad sehen, müssen darin ein Zeugnis der Sündenvergebung und ein Unterpfand unserer Erneuerung ergreifen. Andererseits müssen wir aber Christus und dem heiligen Geist die gebührende Ehre lassen, die es ausschließt, dass irgendein Stück unseres Heils auf das Zeichen übertragen werde. Wenn also Petrus bei Erwähnung der Taufe alsbald einschränkend hinzufügt, dass dieselbe nicht das Ablegen fleischlichen Schmutzes sei, so gibt er deutlich zu verstehen, dass die Taufe für manche Leute nur ein Buchstabenwerk ist, dass darum das äußere Zeichen an sich nichts zustande bringt.

Das Zeugnis eines guten Gewissens vor Gott. Buchstäblich wäre zu übersetzen „die Frage“. Dieser Ausdruck steht aber hier für Antwort oder Zeugnis. Petrus beschreibt nun in Kürze die Kraft und den Gebrauch der Taufe, indem er sie mit dem Gewissen in Verbindung bringt und insbesondere eine Zuversicht fordert, in der man den Anblick Gottes aushält und vor seinem Richterstuhl bestehen kann. Diese Worte lehren, dass die Taufe in ihrem Hauptstück eine geistliche Sache ist und dass sie die Vergebung der Sünden und die Erneuerung des alten Menschen in sich begreift. Denn wie könnte das Gewissen gut und rein sein, ehe nicht der alte Mensch gebessert ist und wir zur Gerechtigkeit Gottes erneuert wurden? Und wie sollten wir vor Gott anders Antwort geben können, als indem wir auf die unverdiente Vergebung der Sünden trauen und uns darauf stützen? Alles in allem: Petrus wollte die Wirkung der Taufe beschreiben, damit sich nicht jemand des bloßen und toten Zeichens rühme, wie die Heuchler zu tun pflegen. Bemerkenswert ist aber, dass er sagt: durch die Auferstehung Jesu Christi. Diese Worte prägen ein, dass man nicht an dem Element des Wassers hängen bleiben darf, dass vielmehr, was dasselbe darstellt, allein von Christus uns zufließt und von ihm erbeten sein will. Weiter bedeutet die Erinnerung an die Auferstehung einen Rückblick auf die vorige Aussage, dass Christus durch den Geist lebendig gemacht worden sei. Denn die Auferstehung war der Sieg über den Tod und die Vollendung unseres Heils. Wir schließen daraus, dass der Tod Christi nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr mitgedacht werden soll, wenn von der Auferstehung die Rede ist. Also haben wir von der Taufe nur dann einen Nutzen, wenn alle unsre Empfindungen sich an Christi Tod und Auferstehung heften.

V. 22. Welcher ist zur Rechten Gottes. An Christi Aufstieg in den Himmel wird erinnert, damit unsre Augen ihn nicht in der Welt suchen. Daran hat der Glaube ein großes Interesse. An das Sitzen zur Rechten des Vaters erinnert der Apostel, damit wir nicht zweifeln, dass Christi hinreichende Kraft und Schutzmacht zur Verfügung steht, uns zu retten. Denn dass Christus daselbst sitzt, will eben besagen, dass er als Gottes Vertreter die höchste Gewalt ausübt. Zur Erläuterung dieser Tatsache dient auch der folgende Satz: und sind ihm untertan die Engel und die Gewaltigen und die Kräfte. Um die Rede volltönender zu machen, werden die Engel mit verschiedenen Namen bezeichnet; denn es war dem Petrus ein Anliegen, die Größe der Herrschaft Christi lobpreisend zu erheben.

Kapitel 4

1 Weil nun Christus im Fleisch für uns gelitten hat, so wappnet euch auch mit demselbigen Gedanken, dass nämlich, wer am Fleisch leidet, von Sünden aufhöret, 2 dass er hinfort, was noch übriger Zeit im Fleisch ist, nicht der Menschen Lüsten, sondern dem Willen Gottes lebe. 3 Denn es ist genug, dass wir die vergangene Zeit des Lebens zugebracht haben nach heidnischem Willen, da wir wandelten in Unzucht, Lüsten, Trunkenheit, Fresserei, Sauferei und gräulichen Abgöttereien. 4 Das befremdet sie, dass ihr nicht mit ihnen laufet in dasselbige wüste, unordentliche Wesen, und lästern; 5 aber sie werden Rechenschaft geben dem, der bereit ist, zu richten die Lebendigen und die Toten.

V. 1. Weil nun Christus usw. Als uns zuvor Christus als Beispiel vorgestellt wurde, war nur von der Geduld unter dem Kreuz die Rede. Denn zuweilen wird die Abtötung durch Leiden als Kreuz bezeichnet, weil durch die Übung der Trübsal der alte Mensch aufgerieben und unser Fleisch gebändigt wird. Jetzt aber greift der Apostel weiter und handelt von der Erneuerung des ganzen Menschen. Diese zwiefache Gleichgestaltung mit dem Tode Christi legt die Schrift uns ans Herz: erstlich sollen wir uns in Schmach und Leiden sein Bild aufprägen lassen; zum andern sollen wir uns selbst absterben, den alten Menschen erdrücken und uns zu einem geistlichen Leben erneuern lassen. Immerhin kommt Christus nicht einfach als Vorbild in Betracht, wenn es sich um die Abtötung des Fleisches handelt: vielmehr werden wir durch seinen Geist wahrhaft in seinen Tod hineingesenkt, damit derselbe zur Kreuzigung unseres Fleisches in uns wirksam werde. Derselbe Gedanke wird im 6. Kapitel des Römerbriefs ausführlicher behandelt. Wenn Petrus sagt: wappnet euch, so will er eben daran erinnern, dass wir tatsächlich und wirkungskräftig mit unbesiegbaren Waffen ausgerüstet sind, wenn wir den Tod Christi in rechter Weise ergreifen.

Mit demselbigen Gedanken, dass nämlich usw. Andere übersetzen „denn“. Aber wir haben es schwerlich mit einer Begründung, vielmehr mit einer Erläuterung zu tun. Petrus erklärt, welches der Gedanke ist, mit welchem der Tod Christi uns wappnet; dass nämlich, wer am Fleisch leidet, von Sünden aufhöret. Das Reich der Sünde muss in uns abgeschafft sein, damit Gott in unserem Leben regiere. Die Rede bezieht sich also nicht bloß auf Christus, sondern auf alle Frommen insgesamt und hat völlig den gleichen Sinn wie der Satz des Paulus im Römerbrief (6, 7): „Wer gestorben ist, der ist gerechtfertigt (oder losgelöst) von der Sünde.“ Beide Apostel wollen sagen, dass wir nichts mehr mit der Sünde zu schaffen haben; seitdem wir im Fleisch gestorben sind, hat sie kein Anrecht mehr, in uns zu blühen und ihre Macht in unserem Leben auszuüben. Allerdings könnte man es unpassend finden, dass Petrus uns in unserem Leiden am Fleisch als Christus gleichgestaltig darstellt. Denn sicherlich war doch keine Sünde in Christus, die hätte ausgeläutert werden müssen. Aber die Ähnlichkeit braucht sich nicht auf alles und jedes zu erstrecken. Es genügt, dass wir in einer ganz bestimmten Richtung dem Tode Christi gleich gestaltet sind. So verhält es sich ja auch mit jenem Pauluswort (Röm. 6, 5): „Wir sind eingepflanzt zur Ähnlichkeit seines Todes.“ Auch hier deckt sich nicht alles bis aufs letzte: der Tod Christi kommt nur als Urbild und Beispiel unserer Abtötung in Betracht. Weiter muss erinnert werden, dass das Wort „Fleisch“ zweimal, und zwar in verschiedenem Sinne, gebraucht wird. Dass Christus im Fleisch gelitten hat, will besagen, dass die menschliche Natur, die er von uns angenommen hatte, dem Tode unterworfen war: sofern Christus Mensch war, starb er in einer seiner Natur entsprechenden Weise. Wenn aber im zweiten Satzglied die Rede auf uns übergeht, bedeutet „Fleisch“ die Verderbtheit und Sündhaftigkeit unserer Natur. Dass wir am Fleisch leiden, beschreibt also die Verleugnung unserer selbst. Nun erkennen wir sowohl die Ähnlichkeit als die Verschiedenheit zwischen Christus und uns: wie er in dem von uns angenommenen Fleisch gelitten hat, so muss unser ganzes Fleisch gekreuzigt werden.

V. 2. Dass er hinfort usw. Dieser Satz beschreibt, in welcher Weise man von der Sünde abstehen muss: wir sollen auf die Lüste der Menschen verzichten und unser Leben dem Willen Gottes gleich zu gestalten bestrebt sein. So werden uns die zwei Stücke unserer Erneuerung vorgehalten, der Untergang des Fleisches und die Neubelebung im Geist. Von jener muss der Lauf eines rechten Lebens seinen Ausgang nehmen, auf diese muss er hinzielen. Weiter stellt Petrus hier fest, was die Regel eines rechten Lebens ausmacht: der Mensch soll sich an Gottes Willen halten. Sobald er von diesem abirrt, ist nichts Nichtiges und Wohlgeordnetes mehr in seinem Leben. Weiter erscheint der Gegensatz zwischen dem Willen Gottes und der Menschen Lüsten bemerkenswert. Wir können daraus abnehmen, wie groß unsere Verkehrtheit ist und wie schwer wir ringen müssen, um dem Herrn gehorsam zu werden. In dem Ausdruck „was noch übriger Zeit im Fleisch ist“ bedeutet Fleisch das gegenwärtige Leben, wie auch einmal im Ebräerbrief (5, 7).

V. 3. Denn ist genug usw. Petrus meint nicht, dass uns lediglich ein Überdruss an der Lust anwandeln soll, wie es denen zu gehen pflegt, die sich bis zur Sättigung damit erfüllt haben; vielmehr sollen die Leser durch die Erinnerung an ihr vergangenes Leben sich zu wahrer Buße treiben lassen. Sicherlich muss es für uns der schärfste Stachel sein, nunmehr den rechten Weg einzuschlagen, wenn wir bedenken, dass wir während eines großen Teils unseres Lebens den Irrweg gingen. Zudem erinnert uns Petrus, wie ungereimt es wäre, wenn wir als Leute, die von Christus erleuchtet wurden, unser Leben nicht zum Besseren wenden wollten. Die Zeiten der Unwissenheit und des Glaubens werden gegeneinander gestellt. Der Apostel will etwa sagen: es ist billig, dass ihr euch als neue und andere Menschen darstellt, seitdem Christus euch berufen hat. Statt von der Menschen Lüsten spricht er jetzt übrigens von heidnischem Willen. Damit wirft er den Juden vor, dass sie in jeglicher Art von Befleckung sich wie Heiden gehalten hätten, obgleich sie doch der Herr abgesondert hatte. In Zukunft aber sollen sie die Laster abschütteln, die sonst Anzeichen der Blindheit und Unkenntnis Gottes bei den Menschen sind. Gewichtig ist auch die Wendung: „was noch übriger Zeit im Fleisch ist.“ Sie deutet darauf hin, dass es bis ans Ende auszuharren gilt, wie auch Paulus sagt (Röm. 6, 9), dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt. Denn darum sind wir vom Herrn erkauft, damit wir ihm alle Tage unseres Lebens dienen.

Da wir wandelten in Unzucht usw. Das hier gegebene Verzeichnis ist nicht vollständig. Der Apostel rührt nur einige Dinge an, aus denen sich allgemein schließen lässt, in welcher Richtung die Begierden und Neigungen der Menschen gehen, die vom Geist Gottes nicht wiedergeboren sind. Dabei nennt er gröbere Laster, wie man zu tun pflegt, wenn man eben Beispiele vorbringt. Doch erhebt sich hier eine Frage: Petrus scheint vielen Leuten unrecht zu tun, wenn er allen Unzucht, lüsternes Treiben, Fressen und Saufen vorwirft, obwohl doch sicherlich damals nicht jedermann in diese Laster verstrickt war. Wissen wir doch, dass sogar unter den Heiden viele ein ehrenhaftes Leben führten, welches über die Schande erhaben war. Aber Petrus schreibt den Heiden solche Laster auch nicht in dem Sinne zu, als wollte er jedem einzelnen alle diese Dinge vorwerfen, sondern er will zeigen, wie wir von Natur zum Bösen geneigt sind, ja, wie wir uns einem verkehrten Wesen ergeben haben, so dass notwendig die hier aufgezählten Früchte aus der bösen Wurzel erwachsen müssen. Es gibt keinen Menschen, der nicht den Samen aller Laster in seinem Herzen trüge; aber nicht alle sprossen in jedem einzelnen Menschen auf und kommen ans Tageslicht. Indessen sind die Ansteckungskeime derartig über das ganze Menschengeschlecht zerstreut und verbreitet, dass man sehen muss, wie der ganze Körper von unzähligen Übeln angefüllt ist, und wie kein Gebiet von der allgemeinen Verderbnis unberührt und frei bleibt. Noch eine andere Frage erhebt sich angesichts des letzten Stückes. Petrus spricht zu den Juden. Wie kann er ihnen gräuliche Abgöttereien vorwerfen, da sie sich doch, wo immer sie sich auch aufhielten, peinlich vor dem Götzendienst hüteten? Aber wir wissen, dass trotz Israels Bekenntnis zu Gott kein Stück des Gottesdienstes unbefleckt geblieben war. Und wie groß konnte die Verwirrung bei den scharenweise in barbarischen Gegenden zerstreuten Juden sein, wenn Jerusalem selbst, von dessen Strahlen sie ihr Licht entlehnten, bis zur äußersten Stufe der Unfrömmigkeit gesunken war! Wissen wir doch, wie dort jeglicher Wahnsinn ungestraft im Schwange ging, so dass sogar das Hohepriestertum und das oberste Regiment der Gottesgemeinde in den Händen der Sadduzäer war.

V. 4. Das befremdet sie, dass ihr nicht mit ihnen laufet usw. Dieser Satz soll die Gläubigen wappnen, dass sie sich nicht durch verkehrte Urteile und Reden der Gottlosen irremachen und verführen lassen. Ist es doch eine nicht geringe Versuchung, wenn die Menschen, unter denen wir uns zu bewegen haben, uns eine Lebensart vorwerfen, die von der allgemeinen Weise aller Menschen sich ganz fernhält. Man sagt etwa: Für diese Leute müsste man eine neue Welt schaffen, da sie ja mit dem Menschengeschlecht überhaupt nichts zu tun haben wollen. So klagt man die Kinder Gottes an, als ob sie eine Scheidung von der ganzen Welt anstrebten. Darum beugt der Apostel vor und sagt den Gläubigen, dass sie sich durch solche Vorwürfe und Verleumdungen nicht erschüttern lassen sollen. Die Stütze aber, die er ihnen darreicht (V. 5), ist der Blick auf Gottes Gericht. Dies ist es ja, was uns Standhaftigkeit gegen alle Anläufe verleiht, dass wir geduldig jenem Tag entgegen harren, an welchem Christus alle strafen wird, die uns jetzt leichthin verdammen, an welchem es offenbar werden muss, dass ihm unsere Sache wohl gefällt. Ausdrücklich aber sagt der Apostel, dass Christus bereitsteht, zu richten die Lebendigen und die Toten. Wir sollen nicht glauben, irgend geschädigt zu werden, dadurch dass jene Leute am Leben bleiben, wenn wir sterben; denn sie werden darum der Hand Gottes nicht entfliehen.

6 Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, auf dass sie gerichtet werden nach dem Menschen am Fleisch, aber im Geist Gott leben. 7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. 8 So seid nun mäßig und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen aber habt untereinander eine brünstige Liebe; denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge. 9 Seid gastfrei untereinander ohne Murmeln. 10 Und dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. 11 So jemand redet, dass er´ s rede als Gottes Wort. So jemand ein Amt hat, dass er´ s tue als aus dem Vermögen, das Gott darreicht, auf dass in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christ, welchem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

V. 6. Denn dazu ist auch den Toten usw. Wir sehen jetzt, in welcher Richtung der Apostel seine frühere Aussage (3, 19) verwendet: der Tod hindert nicht, dass Christus uns nicht dennoch für alle Zeit als Rächer zur Seite stehe. So bringt es den Frommen einen herrlichen Trost, dass ihr Sterben keinen Verlust für ihr Heil bedeutet. Mag also auch Christus in diesem Leben nicht als Befreier erscheinen, so wird die von ihm beschaffte Erlösung doch nicht wertlos und vergeblich: ihre Wirkung erstreckt ja sich bis auf die Toten. Übrigens lässt es der griechische Ausdruck zweifelhaft, ob den Toten das Evangelium als Heilsmittel oder Christus als Erlöser gepredigt ward, was doch für den Sinn fast keinen Unterschied macht. Wenn nun die Gnade Christi einmal bis zu den Toten dringen konnte, so ist kein Zweifel, dass auch wir sie noch nach dem Tode schmecken werden. Wir ziehen hier also zu enge Grenzen, wenn wir sie auf das gegenwärtige Leben beschränken.

Auf dass sie gerichtet werden usw. Allerlei Auslegungen, die sich weit von der Meinung des Apostels entfernen dürften, übergehe ich. Nach meiner Ansicht soll einem Einwurf begegnet werden. Konnte man doch sagen, dass sich keine Frucht des Evangeliums für die Toten sehen lasse, weil es sie ja keineswegs ins Leben zurückführe. Zur Hälft gibt Petrus diesem Einwurf recht, jedoch so, dass er den Toten das von Christus erworbene Heil nicht abspricht. Es ist eine Einräumung, wenn er im ersten Satzglied sagt, dass die Menschen am Fleisch gerichtet, d. h. verurteilt werden. „Fleisch“ bedeutet dabei den äußeren Menschen. So ergibt sich der Sinn: obwohl die Toten, wie es der Lauf der Welt ist, an ihrem Fleisch Vernichtung leiden und nach dem äußeren Menschen als Verurteilte dastehen mussten, so hören sie doch nicht auf, bei Gott zu leben, und zwar im Geist; denn Christus macht sie mit seinem Geist lebendig. Nun fügen wir hinzu, was Paulus lehrt (Röm. 8, 10), dass der Geist Leben ist und die Reste des Todes, die uns noch anhaften, endlich verzehren muss. Alles in allem: mag nach ihrer menschlichen Stellung im Fleisch die Lage der Toten eine minderwertige sein, so genügt es doch, dass der Geist Christi sie lebendig macht, der sie ja einst zur Vollkommenheit des Lebens führen wird.

V. 7. Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Obgleich die Gläubigen vernehmen, dass ihr Glück anderswo ist als in der Welt, so spiegeln sie sich doch ein langes Leben vor, und diese verkehrte Einbildung macht sie träge und sorglos, so dass sie ihren Eifer nicht völlig dem Reiche Gottes zuwenden. Darum möchte sie der Apostel aus der Schläfrigkeit des Fleisches aufwecken, indem er an das nahe Ende aller Dinge erinnert. Er gibt damit zu verstehen, dass man nicht träge an dieser Welt haften darf, die wir ja nach kurzer Zeit verlassen müssen. Er denkt dabei nicht an das persönliche Ende eines jeden Menschen, sondern an die gesamte Erneuerung der Welt und will sagen, dass in Bälde Christus kommen wird, um allen Dingen ein Ende zu machen. Es ist nicht zu verwundern, dass die Sorgen der Welt uns in Beschlag nehmen und wie im Schlaf erhalten, dass der Anblick der gegenwärtigen Dinge unsere Augen blendet, - denn fast alle Menschen versprechen sich eine Ewigkeit in dieser Welt, wenigstens denken sie fast niemals an das Ende. Würde aber die Posaune Christi in unsere Ohren schallen, so müsste sie alle unsere Gefühle aufs tiefste erschüttern und könnte uns nicht in solcher Erstarrung lassen. Übrigens könnte man einwenden, dass, seitdem Petrus dies schrieb, eine lange Reihe von Zeitaltern verflossen sei und man doch noch nichts vom Ende gesehen habe. Aber die Zeit dünkt uns nur darum so lang, weil wir ihre Länge mit den Maßstäben dieses vergänglichen Lebens messen. Könnten wir die ewige Dauer des zukünftigen Lebens anschauen, so würden viele Jahrhunderte uns wie ein Augenblick dünken, wie auch der zweite Petrusbrief (3, 8) lehrt. Übrigens sollen wir uns an den Grundsatz halten: seitdem Christus einmal erschienen ist, bleibt für die Gläubigen nichts anders übrig, als mit gespanntem Gemüt ständig seiner zweiten Ankunft entgegenzuharren. Dass wir (V. 8) mäßig und nüchtern sein sollen, dürfte sich mehr auf die Seele als auf den Leib beziehen. Stimmt doch diese Mahnung mit dem Wort Christi überein (Mt. 25, 13): „Wachet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde.“ Denn wie Schlemmerei und Nachgiebigkeit gegen den Schlaf den Leib beschweren und ihn zu seinen Pflichten untüchtig machen, so machen die eitlen Sorgen oder die Ergötzungen dieser Welt die Seele trunken und taumelig. Dass wir nüchtern sein sollen zum Gebet, deutet auf die allernotwendigste Übung, in welcher die Gläubigen sich vornehmlich bewegen müssen, weil alle ihre Stärke vom Herrn kommt. Der Apostel will etwa sagen: da ihr in euch selbst nur zu schwach seid, so bittet vom Herrn, dass er euch stärke. Dabei prägt er uns auch ein, dass man ernstlich und nicht obenhin beten muss.

Vor allen Dingen aber usw. In erster Linie wird uns die Liebe empfohlen, die das Band der Vollkommenheit ist. Und es wird gesagt, dass sie brünstig oder angespannt sein soll; denn jeder Mensch ist nur zu brünstig in der Liebe gegen sich selbst und liebt alle anderen nur kalt. Der Wert der Liebe wird uns nun an ihren Früchten gezeigt: die deckt auch der Sünden Menge. Nichts ist ja wünschenswerter als dies. Der Satz ist aus den Sprüchen Salomos entnommen (10, 12), wo es heißt: „Hass erregt Hader; aber Liebe deckt zu alle Übertretungen.“ Der Sinn ergibt sich deutlich aus dem Gegensatz der beiden Vershälften. Das erste Glied spricht aus, dass es seinen Grund im Hass hat, wenn die Menschen sich gegenseitig durchhecheln, schmähen und alles Hässliche und Tadelnswerte aufdecken. Das zweite Glied schreibt dann der Liebe die gegenteilige Wirkung zu: wenn Menschen sich lieb haben, verzeihen sie gütig und freundlich einander vieles; so begraben sie hin und her ihre Fehler, und jeder will des andern Ehre unangetastet wissen. Mit der Erinnerung daran bekräftigt Petrus seine Mahnung, indem er darauf hinweist, dass für uns selbst nichts nützlicher ist, als gegenseitige Liebe zu pflegen. Denn wer leidet nicht an vielen Fehlern? Darum bedarf jeder der Verzeihung, und keiner ist, der nicht für sich Schonung wünschen müsste. Dies unvergleichliche Gut verschafft uns nun die Liebe, wenn sie unter uns waltet, dass unzählige böse Dinge durch Vergessenheit zugedeckt werden. Wo man aber dem Hass die Zügel schießen lässt, müssen die Menschen einander beißen und fressen und sich dadurch verzehren, wie Paulus sagt (Gal. 5, 15). Bemerkenswert ist auch, dass nach Salomos Wort die Liebe nicht bloß wenige, sondern viele Sünden deckt, wie auch Christi Spruch uns heißt, den Brüdern siebenzig mal siebenmal zu vergeben (Mt. 18, 22). Je mehr Sünden also die Liebe heilt, desto deutlicher sieht man, wie nützlich sie zur Bewahrung des Menschengeschlechts ist. Dies ist der einfache Sinn der Worte. Daraus ergibt sich, wie lächerlich es ist, wenn die Papisten hier einen Beweis für ihre genugtuenden Leistungen finden wollen, als könnten Almosen und andere Liebeserweise vor Gott Sünden aufwiegen und austilgen.

V. 9. Seid gastfrei untereinander. An die allgemeine Mahnung zur Liebe schließt sich die Empfehlung einer besonderen Liebespflicht. Gastfreundschaft stand in damaliger Zeit in allgemeiner Übung und galt als ein besonders heiliges Stück menschlichen Betragens. So befiehlt der Apostel, dass man sie gegenseitig übe: niemand soll von den andern mehr verlangen, als er selbst zu leisten bereit ist. Der Apostel fügt hinzu: ohne Murmeln. Denn es geschieht gar selten, dass jemand dem Nächsten sich und das Seine zur Verfügung stellt, ohne es ihm böswillig aufzudrücken. Der Apostel will also, dass wir die Guttätigkeit weitherzig und frohen Sinnes üben.

V. 10. Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe usw. Damit werden wir erinnert, was wir uns immer vorhalten müssen, wenn wir unsern Mitmenschen Gutes tun. Denn nichts ist geeigneter, das Murren zum Schweigen zu bringen, als der Gedanke daran, was uns vom Herrn anvertraut ward. Sollen wir die Gaben verwalten, die ein jeglicher empfangen hat, so liegt darin ein Gesetz, dass wir unsre Fähigkeiten eben dazu ausgeteilt erhielten, um uns in der Unterstützung der Brüder als Gottes Diener zu beweisen. So ist das zweite Glied eine Erläuterung des ersten: wir sollen uns als gute Haushalter beweisen. Und wie im ersten Gliede von der Gabe die Rede war, die jeder empfangen hat, so hier von der mancherlei Gnade Gottes, die uns Gott verschiedenartig ausgeteilt hat, damit ein jeder sein Teil zum gemeinen Besten verwende. Wenn wir also irgendein Vermögen mehr empfangen haben als andere, so sollen wir daran denken, dass wir Haushalter Gottes sind und dadurch verpflichtet, den Nebenmenschen freundlich mitzuteilen, wie ihre Not und ihr Bedarf es fordert. So werden wir geneigt und schnell zum Mitteilen sein. Und noch eine andere Überlegung ist wertvoll: wenn der Herr vielgestaltige Gnadengaben unter den Menschen ausgeteilt hat, soll niemand mit sich allein und seiner Begabung zufrieden sein, sondern ein jeder sich der Hilfe und Unterstützung von Seiten seines Bruders bedürftig fühlen. Dass die Menschen ohne gegenseitige Hilfe nicht leben können, ist ein Band, welches Gott geschaffen hat, um Gemeinschaft unter ihnen zu erhalten. So geschieht es, dass ein Mensch, der in vielen Stücken die Brüder um Hilfe angeht, umso lieber auch mit ihnen teilen wird, was er empfangen hat. Dass ein solches Gemeinschaftsband vorhanden ist, haben auch die Heiden bemerkt; aber der Apostel lehrt hier, dass Gott es absichtlich geschaffen habe, um die Menschen sich gegenseitig zu verpflichten.

V. 11. So jemand redet usw. Nachdem Petrus sich darüber geäußert hat, wie man Gottes Gaben in rechter und reiner Weise gebrauchen soll, hebt er nun beispielsweise zwei Stücke heraus, und zwar solche, die besonders herrlich und vor andern rühmlich sind. Das Lehramt in der Gemeinde ist eine hervorragende Gnadengabe Gottes. Darum befiehlt der Apostel ausdrücklich, dass, wer dazu berufen ist, sich treu beweise. Dabei ist aber nicht bloß von dem die Rede, was wir den Menschen, sondern auch davon, was wir Gott schuldig sind: wir dürfen ihm nicht seine Ehre rauben. Wer also redet, d. h. nach öffentlicher Ordnung ein regelrechtes Amt empfangen hat, rede sein Wort als Gottes Wort. Er soll in Ehrfurcht, heiliger Scheu vor dem Herrn und zuverlässigem Ernst den anvertrauten Dienst auszurichten trachten und dabei bedenken, dass er mit Gottes Geschäften zu tun hat, und dass es Gottes, nicht sein eigenes Wort ist, was er darreicht. Denn noch immer verfolgt der Apostel den Gedanken, dass, wenn wir unsern Brüdern etwas mitteilen, wir nach Gottes Auftrag ihnen darreichen, was er zu diesem Zwecke bei uns niedergelegt hat. Wenn die Leute, die sich als Lehrer der Kirche ausgeben, nur dies eine bedenken wollten, wie viel treuer und gewissenhafter müssten sie dann sein! Denn was für eine große Sache ist es doch, Gottes Worte zu handhaben und dabei Christus zu vertreten! Die gar zu große Gleichgültigkeit und Ungebundenheit kommt doch nur daher, dass die wenigsten an die hochheilige Majestät des göttlichen Wortes denken und darum sich gehen lassen, als trieben sie ein gemeines Geschäft. Wir aber schließen aus den Worten des Petrus, dass ein mit dem Lehramt betrauter Mensch nichts anderes zu tun hat, als die von Gott empfangene Lehre treulich den andern weiterzugeben. Denn niemand soll auftreten, als wer mit Gottes Wort gerüstet ist und aus Gottes Munde gewisse Offenbarungen vorbringen kann. So bleibt kein Raum für Menschengedichte. Denn der Apostel hat mit kurzem Wort eben die Lehre beschrieben, die in der Kirche überliefert werden soll. Dass man sie „als“ Gottes Wort vortragen soll, darf nicht etwas ermäßigend durch ein „gleichsam“ gedeutet werden, - als ob es genug wäre, das, was man vorträgt, als Gottes Wort zu betiteln. Denn eben dies war einst die Weise der falschen Propheten; und heute sehen wir, wie anmaßend der Papst mit seinem Anhang durch diesen Titel alle seine gottlosen Überlieferungen deckt. Petrus aber will die Hirten der Gemeinde nicht zur Heuchelei anleiten, sondern zu nüchterner Bescheidenheit, zu Gottesfurcht und angespanntem Eifer; darum stellt er sich vor die Tatsache, dass sie mit Gottes Wort zu tun haben.

So jemand ein Amt hat usw. Dieses zweite Beispiel ist umfassender und begreift auch das Lehramt unter sich. Da es aber zu weit geführt hätte, alle einzelnen Ämter aufzuzählen, spricht der Apostel lieber insgemein über sie alle und will etwa sagen: welches Amt in der Gemeinde du auch ausrichtest, du sollst wissen, dass du nichts leisten kannst, als was der Herr dir gegeben hat, und dass du nichts bist als ein Werkzeug Gottes. Hüte dich also, in Missbrauch der Gnade Gottes dich selbst zu erheben! Hüte dich, Gottes Kraft herabzusetzen, die sich in deinem Dienst zum Heil der Brüder auswirkt und offenbart! Darum soll man seinen Dienst tun aus dem Vermögen, das Gott darreicht, d. h. man soll nichts als sein Eigenes sich anmaßen und demütig sich Gott und seiner Gemeinde zur Verfügung stellen.

Auf dass in allen Dingen Gott gepriesen werde. Es ließe sich auch übersetzen: bei allen Menschen. In jedem Fall ist die Meinung, dass Gott uns nicht darum mit seinen Gaben schmückt, um sich selbst zu berauben oder sich zu einem nichtigen Götzen zu machen, indem er seine Ehre an uns abtritt. Vielmehr will er eben dadurch seine Herrlichkeit ringsum leuchten lassen. Darum ist es eine schändliche Befleckung der Gaben Gottes, wenn die Menschen irgendetwas anderes sich vorsetzen, als Gott zu verherrlichen. Dies geschieht aber durch Jesus Christus, weil alles Vermögen zum Dienst, welches wir besitzen, er selbst allein uns einflößt. Denn er ist das Haupt, von welchem aus der ganze Leib, durch die Glieder und Gelenke zusammengefügt, für den Herrn wächst, wie er einem jeden Glied seine Kraft einhaucht.

Welchem sei Ehre usw. Manche Ausleger beziehen dies auf Christus; aber der Zusammenhang fordert die Beziehung auf Gott. Denn diese Wendung bekräftigt die voran stehende Erinnerung, dass Gott nach dem ihm zustehenden Recht alle Ehre für sich in Anspruch nimmt, dass also Menschen ihm verbrecherisch entreißen, was sein ist, wenn sie seine Ehre in irgendeinem Ding oder Stück verdunkeln.

12 Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden (die euch widerfähret, dass ihr versucht werdet), als widerführe euch etwas Seltsames, 13 sondern freuet euch, dass ihr mit Christus leidet, auf dass ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben möget. 14 Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet über dem Namen Christi; denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch. Bei ihnen ist er verlästert, aber bei euch ist er gepriesen. 15 Niemand nämlich unter euch leide als ein Mörder oder Dieb oder Übeltäter, oder der nach fremden Dingen schaut. 16 Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht; er ehre aber Gott in solchem Fall. 17 Denn es ist Zeit, dass anfange das Gericht an dem Hause Gottes.

V. 12. Ihr Lieben, lasset euch die Hitze usw. Die Erinnerung an die Trübsal wiederholt sich in diesem Brief immer wieder. Doch müssen wir auf einen Unterschied achten. Manche Seelen, welche die Gläubigen zur Geduld mahnen wollen, beziehen sich allgemein auf die gewöhnlichen Beschwerden des menschlichen Lebens. An unserer Stelle aber spricht der Apostel von dem Unrecht, welches die Gläubigen um des Namens Christi willen dulden müssen. Zuerst erinnert er daran, dass sie sich dadurch nicht befremden lassen sollen, als hätten sie es mit einem plötzlich und unerwartet auftretenden Ereignis zu tun. Er gibt damit zu verstehen, dass sie durch langes Zuvorbedenken sich darauf rüsten müssen, Kreuz zu tragen. Denn wer sich vorsagt, dass man unter Christus Kriegsdienst leisten muss, wird nicht betroffen sein, wenn etwas von Verfolgung einsetzt; er trägt es geduldig, weil er an den Gedanken gewöhnt ist. Wollen wir also geistesgegenwärtig dastehen, wenn es gilt, wider die anstürmende Flut der Verfolgung sich zu stemmen, so müssen wir in rechtzeitiger Gewöhnung uns das Kreuz beständig vergegenwärtigen. Mit zwei Gründen beweist nun der Apostel, dass das Kreuz für uns eine nützliche Übung ist: Gott versucht oder erprobt dadurch unsern Glauben; zum andern werden wir durch das Kreuz Genossen Christi. An erster Stelle sollen wir also bedenken, dass solche Prüfung, die unsern Glauben bewähren soll, uns ganz unentbehrlich ist, dass wir also willigen Gehorsam gegen Gott beweisen müssen, wenn er für unser Heil sorgt. Den kräftigsten Trost aber sollen wir aus unserer Gemeinschaft mit Christus schöpfen. Indem Petrus uns diese vor Augen stellt, wehrt er nicht bloß dem Befremden, sondern ruft uns sogar zu (V. 13): Freuet euch. Gewiss ist auch dies ein Anlass zur Freude, dass Gott zur Bewährung unseres Glaubens uns in Verfolgungen übt. Noch viel herrlicher aber ist die andere Freude, dass der Sohn Gottes uns in seinen Orden aufnimmt, um uns mit sich in die Gemeinschaft seliger Himmelsherrlichkeit zu führen. Gilt doch der Grundsatz, dass wir das Sterben Christi an unserem Leibe herumtragen, damit sein Leben an uns offenbar werde. Gewiss müssen auch die Verworfenen viele Leiden aushalten; aber weil sie von Christus geschieden sind, schmecken sie darin nichts als Gottes Zorn und Fluch. So werden Traurigkeit und Schrecken sie völlig verzehren. Darum ruht aller Trost der Gläubigen darauf, dass sie mit Christus Gemeinschaft haben, wobei das Ziel ist, dass sie einst auch der Herrlichkeit teilhaftig werden. Denn immer müssen wir an den Übergang vom Kreuz zur Auferstehung denken. Weil aber diese Welt einem Labyrinth gleicht, in welchem sich ihnen kein Ausgang aus dem Übel öffnet, so deutet Petrus auf die zukünftige Offenbarung der Herrlichkeit Christi. Er will etwa sagen, dass man dieselbe nicht verachten solle, weil sie jetzt verborgen ist; man müsse auf den Tag der Offenbarung warten. So stellt er uns eine doppelte Freude vor Augen, deren eine wir bereits in Hoffnung genießen, während den vollen Genuss der andern uns Christi Wiederkunft bringen wird. Die erstere ist mit Schmerz und Traurigkeit untermischt, die andere mit Frohlocken verbunden. Denn mitten in der Trübsal dürfen wir nicht von einer Freude träumen, die uns über jede Beschwerde erhöbe; aber die Tröstungen Gottes lindern die Empfindung des Übels derartig, dass wir doch zugleich Freude schmecken.

V. 14. Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet usw. Die Schmähungen, an welche der Apostel erinnert, bergen oft mehr Bitterkeit in sich als Verlust an Hab und Gut, ja als Foltern und Qualen des Körpers. Darum ist nichts geeigneter, einen edlen Geist zu brechen. Wir sehen viele, die Armut tapfer trugen, sich in Foltern mutig hielten, ja ohne Zittern dem Tod entgegen gingen, bei Schmähungen unterliegen. Diesem Übel will Petrus begegnen, indem er in Übereinstimmung mit Christi Wort (Mt. 5, 11) selig spricht, die um des Evangeliums willen Schmach tragen müssen. Das widerspricht freilich der gewöhnlichen menschlichen Empfindung. Aber der Apostel kann es begründen: denn der Geist Gottes, der auch ein Geist der Herrlichkeit ist, ruht auf euch. Wir sehen daraus, dass es dem Glück der Frommen keinen Eintrag tut, wenn sie etwas von Schmach um des Namens Christi willen dulden. Denn sie behalten ungeschmälert den Besitz der Herrlichkeit vor Gott, da ja in ihnen der Geist wohnt, an den immer die Herrlichkeit gebunden ist. Was also dem Fleisch als eine Torheit scheint, das bekräftigt der Geist Gottes in der gewissen Empfindung des Herzens als Wahrheit.

Bei ihnen ist er verlästert usw. Das ist eine Bestätigung des vorangehenden Satzes. Es muss – so will Petrus sagen – den Frommen genügen, wenn Gottes Geist ihnen bezeugt, dass Schmach, die sie um des Evangeliums willen tragen, selig und voller Herrlichkeit ist, mögen es auch die Verworfenen auf etwas ganz anderes abgesehen haben. Die Meinung ist etwa: Ihr könnt in voller Sicherheit den frechen Ansturm der Gottlosen verachten, weil das Zeugnis von der Herrlichkeit, welches Gottes Geist euch gibt, euch tief und fest eingeprägt bleibt. Dass es der Geist Gottes ist, gegen welchen die Schmähungen sich richten, kann gesagt werden, weil die Ungläubigen über das spotten, was er uns zu unserem Troste eingibt. Freilich wird damit die Zukunft voraus genommen: mag die Welt in ihrer Blindheit in der Schmach um Christi willen nichts als Schande sehen, so sollen doch die Frommen sich ihre Augen nicht durch diese falsche Meinung blenden lassen, sondern vielmehr auf Gott schauen. So wird nicht ganz abgestritten, was die Menschen gewöhnlich meinen; aber es wird die verborgene Erfahrung des Glaubens, welche Gott seinen Kindern in ihrem Gewissen geschenkt hat, ihrer leichtfertigen Ansicht entgegengesetzt. In dieser Weise rühmt sich Paulus (Gal. 6, 17), dass er die Malzeichen Christi an sich trage; er rühmt sich seiner Ketten, obgleich er recht gut weiß, wie die Welt darüber urteilt. So gibt er zu verstehen, dass Menschen, denen die Schmach des Kreuzes nicht als Herrlichkeit gilt, mit der blinden Welt irren.

V. 15. Niemand nämlich unter euch leide als Mörder usw. Auch dieser Satz begegnet einem Einwurf. Der Apostel hatte die Gläubigen zur Geduld ermahnt für den Fall, dass sie um der Sache Christi willen leiden müssten. Jetzt fügt er erläuternd hinzu, weshalb er nur von dieser Art Leiden sprach: nämlich weil sie sich von allen Übeltaten enthalten müssen. Darin liegt auch die Mahnung verborgen, dass sie nicht sündigen sollen, wobei ihre Züchtigung dann als eine gerechte erscheinen müsste. So ist das „nämlich“ hier keineswegs überflüssig; denn der Apostel will den Grund angeben, weshalb er die Gläubigen nur zur Gemeinschaft der Leiden Christi ermahnte, und will sie bei dieser Gelegenheit zugleich erinnern, dass sie gerecht und unschuldig leben sollen, damit sie sich nicht durch eigene Schuld verdiente Strafen zuziehen. Er will etwa sagen, dass es die Sache der Christen sei, jedermann Gutes zu tun, dabei aber von der Welt sich übel und unmenschlich behandeln zu lassen. Sollte jemand einwenden, dass man doch keinen so völlig unschuldigen Menschen finden könne, der nicht wegen vieler Sünden noch göttliche Strafe verdiente, so erwidere ich, dass Petrus hier von Verbrechen redet, die uns völlig fern liegen müssen, wie Mord und Raub. Weiter erwidere ich, dass der Apostel den Christen vorschreibt, wie sie sich halten müssen. Es versteht sich also von selbst, dass er einen Unterschied zwischen ihnen und den Kindern dieser Welt macht, die von Gottes Geist verlassen sind und sich in jede Art von Verbrechen stürzen. Kinder Gottes sollen nicht in die gleiche Lage sich begeben, dass sie durch ein ungerechtes Leben die nach den Gesetzen gerechten Strafen auf sich herabziehen. Weiter haben wir schon anderwärts gesagt, dass freilich in den Auserwählten noch viele Sünden sind, die Gott mit Recht strafen könnte, dass er aber in väterlicher Nachsicht seine Kinder schont und nicht die verdienten Strafen verhängt; zuweilen will er sogar sie ehren und mit den Malzeichen seines Christus schmücken, indem er sie wegen des Zeugnisses des Evangeliums Schmach leiden lässt. Ein Mensch, der nach fremden Dingen schaut, dürfte ein solcher sein, der nach dem Gut des andern begierig ist. Denn wer auf Raub und Betrug ausgeht, blickt mit schielenden Augen auf fremdes Gut; wer dagegen das Geld verachtet, kann Haufen Goldes liegen sehen, ohne das Auge zu wenden.

V. 16. Leidet er aber als ein Christ usw. Nachdem der Apostel die Christen vor Verletzung des Nächsten und vor Unrecht gewarnt, damit sie sich nicht mit den Ungläubigen um ihrer Missetaten willen der Welt verhasst machen, ruft er sie jetzt zum Dank gegen Gott auf, wenn sie um des Namens Christi willen Verfolgung leiden müssen. Sicherlich ist es eine mehr als gewöhnliche Wohltat Gottes, wenn er uns von den gemeinen Sündenstrafen löst und enthebt, dagegen zu ehrenvollem Kriegsdienst beruft, so dass wir für die Bezeugung seines Evangeliums Verbannung, Gefängnis, Schmach, ja selbst den Tod leiden müssen. Es ist also Undank gegen Gott, wenn man in Verfolgungen klagt und murrt, als würde man unwürdig behandelt. Sollte man es sich doch vielmehr zum Gewinn rechnen und Gottes Gnade anerkennen. Dass man „als ein Christ“ leiden soll, deutet übrigens weniger auf den Namen als auf die Sache.

Er ehre aber Gott in solchem Fall. Da alle Trübsal in der Sünde ihren Ursprung hat, so müssen die Frommen folgende Erwägung anstellen: Ich war wert, dass der Herr mir diese und größere Strafen für meine Sünden auferlegt hätte; nun aber will er, dass ich um der Gerechtigkeit willen leide, als wäre ich unschuldig. So erkennen die Heiligen freilich ihre Schuld an; weil sie aber in Verfolgungen auf den ganz anderen Zweck sehen, den der Herr ihnen vor Augen stellt, so spüren sie, wie ihre Schuld vor Gott getilgt und beseitigt ist. In diesem Stück oder „in solchem Fall“ haben sie Grund, Gott zu preisen.

V. 17. Denn es ist Zeit usw. Der Trost, der in der Güte der Sache liegt, wenn wir leiden und für den Namen Christi Schläge empfangen, wird jetzt noch erweitert. Der Apostel sagt, dass es für die ganze Gemeinde Gottes eine Notwendigkeit ist, nicht bloß den allen Menschen gemeinsamen Leiden zu unterliegen, sondern auch ganz besonders und vornehmlich durch Gottes Hand gezüchtigt zu werden; darum muss man Verfolgungen für Christus umso gleichmütiger tragen. Denn wollen wir nicht aus der Zahl der Gläubigen gestrichen sein, so ziemt es sich, dass wir unsern Rücken unter die Ruten Gottes beugen. Und es ist eine süße Würze, wenn der Herr nicht unterschiedslos wie an andern Leuten seine Gerichte an uns übt, sondern uns die Vertretung seines Sohnes anvertraut, so dass wir lediglich für seine Sache und seinen Namen leiden müssen. Übrigens hat Petrus seinen Satz aus der geläufigen und vielfach wiederholten Lehre der Schrift entnommen: dies dünkt mich wahrscheinlicher, als dass er, wie andere meinen, eine bestimmte Stelle (etwa Hos. 9, 6 oder Jer. 25, 29) hätte zitieren wollen. Denn es war vor alten Zeiten Gottes Weise, für welche alle Propheten zeugen, dass er die ersten Beispiele von Züchtigungen in seinem Volke gab, wie ein Hausvater nicht Fremde, sondern die Seinen straft. Obgleich Gott aller Welt Richter ist, will er seine Vorsehung doch insbesondere an der Regierung seiner Gemeinde kenntlich machen. Wenn er verkündet, dass er als Richter der ganzen Welt sich erheben will, so fügt er hinzu, dass dies geschehen soll, nachdem er sein Werk vollendet hat auf dem Berge Zion. Zwar streckt er unterschiedslos seine Hand wider die Seinen und die Fremden aus; denn wir sehen, wie beide gleicher Weise dem Unglück unterliegen, - stellt man aber einen Vergleich an, so scheint er gleichsam die Verworfenen in demselben Maße zu schonen, wie er sich gegen die Auserwählten streng hält. Daraus entspringen jene Klagen der Frommen, dass die Verworfenen ihr Leben in ständigen Vergnügungen hinbringen dürfen, dass sie an Wein und Lautenspiel sich erfreuen und endlich in einem Augenblick ohne Schmerz ins Grab hinabsteigen, - dass Fett ihre Augen deckt, dass sie frei von Beschwerden, sicher und sanft, unter Verachtung der andern, ein glückliches Leben genießen, so dass sie sich erkühnen, ihr Angesicht zum Himmel zu erheben. Wir müssen aber endlich bedenken, dass Gott seine Gerichte in dieser Weltzeit mäßigt, um die Verworfenen zu mästen auf den Schlachttag. So lässt er viele in ihren Verbrechen gehen, als wolle er sie begünstigen. Seine Kinder dagegen, für die er sorgt, ruft er mit Züchtigungen auf den rechten Weg zurück, sobald sie fallen. Unter diesem Gesichtspunkt sagt Petrus, dass das Gericht anfange beim Hause Gottes. Denn unter dem Namen des Gerichts fasst er alle Strafen zusammen, welche der Herr den Menschen für ihre Sünden auferlegt, sowie überhaupt alles, was auf die Besserung der Welt abzielt. Warum aber sagt er, dass jetzt die Zeit dafür sei? Wie mich dünkt, will er damit zu verstehen geben, dass, was die Propheten von ihrer Zeit behaupten, auf Christi Reich vornehmlich zutreffe, dass nämlich der Anfang bessernder Züchtigung bei der Gemeinde Gottes gemacht werden müsse. Darum sagt Paulus (1. Kor. 15, 19), dass die Christen die elendesten unter allen Menschen sein würden, wenn der Glaube an die Auferstehung nichts gelten sollte. Mit Recht: denn während andere ohne Scheu sich gehen lassen, seufzen die Gläubigen immerfort; während Gott die Sünden der andern nicht zu sehen scheint und sie ruhig in ihrem Schlafe lässt, übt er die Seinen unter der Zucht des Kreuzes viel strenger.

So aber zuerst an uns, was will´ s für ein Ende werden mit denen, die dem Evangelium Gottes nicht glauben? 18 Und so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? 19 Darum, welche da leiden nach Gottes Willen, die sollen ihm ihre Seelen befehlen, als dem treuen Schöpfer, in guten Werken.

Wenn die Gläubigen sehen, wie gut es die Bösen haben, kann es nicht ausbleiben, dass Eifersucht sie packt. Das ist eine sehr gefährliche Versuchung; denn jedermann liegt ein glückliches Leben in dieser Zeit am Herzen. Darum dringt der Geist Gottes an vielen Stellen, insbesondere im 37. Psalm, darauf, dass die Gläubigen nicht die Gottlosen wegen ihres Glücks beneiden sollen. Eben diesen Gedanken verhandelt jetzt Petrus: Kinder Gottes sollen ihre Trübsale mit gezügeltem Geist tragen, wenn sie ihr Geschick mit dem anderer vergleichen. Der Apostel setzt dabei als zugestanden voraus, dass Gott der Richter der Welt ist, dass also niemand ungestraft seiner Hand entfliehen werde. Er zieht daraus den Schluss, dass eine schreckliche Rache derer wartet, deren Lage jetzt eine soviel bessere zu sein scheint. Alles zielt, wie ich schon sagte, darauf, dass die Kinder Gottes sich nicht durch die Bitterkeit gegenwärtiger Leiden stoßen und mutlos machen lassen sollen; vielmehr sollen sie die Trübsale, die zu einem heilsamen Ende führen werden, für eine kurze Zeit geduldig tragen. Die Gottlosen erkaufen ein flüchtiges und hinfälliges Glück mit ewigem Verderben. So schreitet die Schlussfolge vom Kleineren zum Größeren fort: wenn Gott seiner Kinder nicht schont, die er liebt und die ihm gehorchen, wie viel schrecklicher wird seine Strenge gegen Feinde und Aufrührer sein! Nichts ist also besser, als dass man dem Evangelium gehorcht, damit Gott uns gnädig sei und mit väterlicher Hand zu unserem Heil züchtige.

V. 18. Und so der Gerechte usw. Man nimmt an, dass dieser Satz aus Spr. 11, 31 stamme, wo in der griechischen Übersetzung in der hier gebotenen Form wiedergegeben wird, was im hebräischen Text lautet: „Wenn der Gerechte auf Erden geschlagen wird, wie viel mehr der Gottlose und Sünder!“ Mag nun aber Petrus diesen Spruch anführen, oder, was ich für wahrscheinlicher halte, ein geläufiges Sprichwort beibringen wollen, - der Sinn ist in jedem Falle, dass ein schreckliches Gericht Gottes über die Gottlosen ergehen wird, wenn schon die Auserwählten einen so dornigen und schwierigen Weg zum Heil haben. Dies wird aber darum gesagt, damit wir nicht in sicherem Behagen dahinleben, sondern mit strengem Ernst unseren Lauf vollführen, weiter, damit wir nicht einen bequemen und weichen Weg begehren, dessen Ende ein schrecklicher Sturz sein wird. Übrigens muss man die Aussage, dass der Gerechte kaum gerettet wird, auf die Schwierigkeiten des gegenwärtigen Lebens beziehen. Denn unser Lauf in dieser Welt ist wie eine gefährliche Schifffahrt, die zwischen vielen Klippen hindurchführt und von vielen Stürmen und Unwettern bedroht wird. Wer zum Hafen gelangt, muss zuvor einem tausendfachen Tod entfliehen. Indessen ist es gewiss, dass Gottes Hand uns regiert und dass kein Schiffbruch uns droht, solange wir uns seiner Leitung anvertrauen. Es war also eine törichte Auslegung, wenn man daran dachte, dass hier von der nur mit Mühen und Schwierigkeiten zu erreichenden Rettung in Gottes zukünftigem Gericht die Rede sei. Denn Petrus spricht nicht in der Form der Zukunft, sondern der Gegenwart; er prägt auch nicht Gottes Strenge ein, sondern weist darauf hin, wie viele und schwierige Gefahren ein Christenmensch überwinden muss, bis er zum Ziel gelangt. Ein „Sünder“ ist hier soviel wie ein Verbrecher, wie ja auch als „Gerechte“ nicht solche bezeichnet werden, deren Gerechtigkeit ganz vollkommen ist, sondern die sich um ein rechtschaffenes Leben bemühen.

V. 19. Darum, welche da leiden usw. Der Apostel zieht den Schluss, dass man Verfolgungen mit Gleichmut tragen müsse, weil in ihnen die Frommen doch noch viel erfreulicher dastehen als die Ungläubigen, wenn sie alles erwünschte Glück genießen. Er ruft uns aber ins Gedächtnis zurück, dass wir nicht anders leiden als nach Gottes Willen, was viel zu unserem Trost beiträgt. Dass wir dem Herrn unsere Seelen befehlen sollen, will besagen, dass wir uns und unser Leben seiner treuen Obhut anvertrauen dürfen. Dabei heißt Gott der treue Schöpfer. Noch besser ließe sich vielleicht übersetzen: der „treue Besitzer“, der, was er zum Eigentum erwarb, treulich hütet und schützt. Der Apostel fügt hinzu, dass wir uns dem Herrn anvertrauen sollen in guten Werken: die Gläubigen dürfen also ihnen angetanes Unrecht nicht heimzahlen, sondern haben mit ihren gottlosen Beleidigern vielmehr durch Gutes tun zu ringen.

Kapitel 5

1 Die Ältesten, so unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden, die in Christus sind, und auch teilhaftig der Herrlichkeit, die offenbaret werden soll; 2 weidet, so viel an euch ist, die Herde Gottes, und übet das Aufseheramt nicht gezwungen, sondern williglich; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; 3 nicht als die über die Gemeinden herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde. 4 So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unverwelkliche Krone der Ehren empfangen.

Indem der Apostel die Hirten der Gemeinde an ihre Pflicht erinnert, weist er vornehmlich auf drei Laster hin, welche dieselben zu schädigen pflegen, auf Trägheit, Gewinnsucht und Herrschbegier. Gegenüber dem ersten Laster empfiehlt er einen fröhlichen und willigen Eifer, gegenüber dem zweiten eine uneigennützige Stimmung, gegenüber dem dritten Maßhalten, Bescheidenheit und Selbstzucht. Die Hirten sollen für die Herde des Herrn nicht gerade nur soviel sorgen, als die Notwendigkeit sie zwingt. Denn wer nicht mehr zu leisten strebt, als er sich gezwungen sieht, wird sein Werk nur geschäftsmäßig und nachlässig tun. Die Pastoren sollen also mit freiwilligem Geist wirken und ernstlich auf ihr Amt bedacht sein. Um ihnen die Habsucht auszutreiben, heißt der Apostel sie aus innerem Triebe ihre Pflicht tun. Denn wer sich nicht als Ziel vorsetzt, seine Arbeit gern und frei der Gemeinde zu widmen, wird nicht Christi Diener sein, sondern ein Knecht des Bauchs und des Geldsacks. Das dritte Laster, welches der Apostel verzeichnet, ist die Herrschsucht. Es fragt sich aber, an welche Art der Herrschaft er denkt. Die Antwort dürfte sich aus der entgegen gesetzten Aussage ergeben, dass die Pastoren Vorbilder der Herde sein sollen. Damit wird ihnen eingeprägt, dass ihre hervorragende Stellung sich in hervorragender Heiligkeit zeigen soll: dies wird aber nur der Fall sein, wenn sie sich und ihr Leben bescheiden der allgemeinen Regel unterwerfen. Dieser Tugend wird der tyrannische Hochmut gegenübergestellt, in welchem ein Pastor sich jeder Unterordnung entzieht und die Gemeinde in Knechtschaft niederhält. Solchen falschen Propheten wirft Hesekiel (34, 4) vor, dass sie streng und hart herrschen. Auch Christus tadelt die Pharisäer (Mt. 23, 4), dass die den Schultern des Volks unerträgliche Lasten auflegen, die sie selbst nicht mit einem Finger anrühren wollen. Es lässt sich also die herrschsüchtige Strenge, mit welcher schlechte Pastoren die Gemeinde behandeln, nur bessern, wenn sie ihre Autorität darauf beschränken, mit dem ehrbaren Vorbild des Lebens voranzugehen.

V. 1. Die Ältesten. Darunter sind die Pastoren zu verstehen, sowie alle, die zur Leitung der Gemeinde aufgestellt waren. Sie hießen „Älteste“ um ihrer ehrenvollen Stellung willen, nicht als wären sie alle bereits alte Leute gewesen, sondern weil sie vornehmlich aus den Greisen erwählt wurden. Denn hohes Alter besitzt gewöhnlich ein größeres Maß von Klugheit, Würde und Erfahrung. Weil aber, um mich eines Sprichworts zu bedienen, auch Alter nicht vor Torheit schützt und sich zuweilen junge Leute wie Timotheus finden, die für das Amt geeignet sind, so heißen auch sie nach ihrer Bestallung „Älteste“. Und wenn Petrus sich als Mitältesten bezeichnet, so sieht man eben daraus, wie auch aus manchen anderen Stellen, dass der Name allgemein geläufig war. Übrigens legt er sich mit diesem Titel eine besondere Autorität bei und will sagen, dass er ein gutes Recht habe, die Pastoren zu ermahnen, weil er zu ihnen gehört; denn diese wechselseitige Freiheit muss unter Amtsgenossen walten. Hätte er eine Obergewalt besessen, so hätte er sich auf sie berufen können, was im gegenwärtigen Fall besonders passend gewesen wäre. Aber obwohl er ein Apostel ist, weiß er, dass er durchaus keine Herrschaft über seine Amtsgenossen zu üben hat, sondern vielmehr durch gemeinsame Pflicht mit ihnen verbunden ist.

Zeuge der Leiden, die in Christus sind. Dieser Ausdruck kann von der Lehre verstanden werden, ich möchte ihn aber lieber auf das Leben beziehen. Denn auf diese Weise gewinnt man einen besseren Zusammenhang der beiden Satzglieder, dass Petrus die Leiden Christi an seinem Fleisch darstellt und auch teilhaftig der Herrlichkeit ist. So stimmt dieser Satz mit der Aussage des Paulus überein (2. Tim. 2, 12): „Dulden wir, so werden wir mit herrschen.“ Übrigens trägt es viel dazu bei, dir Worte des Apostels glaubwürdig zu machen, dass er durch das Dulden des Kreuzes einen Beweis seines Glaubens gab. Denn nun ist er gewiss, dass er im Ernst redet. Und wenn der Herr die Seinen in dieser Weise erprobt, so drückt er gewissermaßen ihrem Amt das Siegel auf, damit sie bei den Menschen an Würde und Ansehen gewinnen. Darauf zielt ja Petrus, dass man ihn als einen treuen Diener Christi hörend soll; zum Beweis dafür deutet er auf die Verfolgungen, die er erlitten hatte, und auf die Hoffnung des ewigen Lebens. Dabei erscheint bemerkenswert, dass Petrus ohne Scheu sich als einen Teilhaber der Herrlichkeit ausgibt, die doch noch nicht offenbar wurde. Denn es ist die Natur des Glaubens, auf verborgenen Gütern auszuruhen.

V. 2. Weidet, soviel an euch ist, die Herde Gottes. Hier lässt sich ersehen, was der Name eines Ältesten bedeutet: er schließt das Hirtenamt in sich. Geweidet kann aber Christi Herde nur durch die reine Lehre werden, welche die einzige Seelenspeise ist. Darum ist der kein Hirt, wer als stumme Larve dasteht, oder wer eigene Einfälle ausstreut, die wie tödliches Gift die Seelen umbringen. Übrigens ließe sich auch übersetzen: „Weidet die Herde, die bei euch ist.“ Ich ziehe aber die gegebene Übersetzung vor, die etwa besagen will: Spannt alle Sehnen an und wendet jede Fähigkeit auf, die Gott euch gegeben hat. Ob von der Herde Gottes oder des Herrn oder Christi die Rede ist, macht wenig Unterschied: alle drei Lesarten wurden überliefert.

Übet das Aufseheramt. Andere übersetzen: „Sehet wohl zu.“ Aber Petrus will ohne Zweifel von der Pflicht und dem Namen des Aufseheramts reden. Auch lässt sich aus andern Schriftstellen schließen (Apg. 20, 17 vgl. 28; Tit. 1, 5 vgl. 7), dass ein „Aufseher“ oder Bischof dasselbe ist wie ein Ältester oder Hirt. Der Apostel gibt also Vorschriften darüber, wie man das Hirtenamt recht verwalten soll, zunächst: nicht gezwungen. Denn wer sich nur an das hält, was ihm wie eine Notwendigkeit oder ein Zwang aufgelegt wurde, treibt sein Werk lässig und kalt.

V. 3. Nicht als die über die Gemeinden herrschen. Buchstäblich ließe sich fast übersetzen: „wider die Gemeinden.“ Damit beschreibt Petrus alle verkehrte Herrschaft, wie solche Leute sie üben, die sich nicht als Diener Christi und der Gemeinde fühlen und etwas mehr sein wollen. Das Wort „Klerus“ in der Mehrzahl, welches wir als „die Gemeinden“ übersetzen, bedeutet eigentlich „die Erbteile“. Wie die gesamte Gottesgemeinde das Erbe des Herrn heißt (5. Mos. 9, 29), so sind die einzelnen Gemeinden in Städten und Dörfern, deren Pflege einzelnen Hirten anvertraut wurde, gleichsam ebenso viele Erbteile Gottes. Wäre demgegenüber doch nie der Sprachgebrauch aufgekommen, dass man die Bezeichnung als „Klerus“, welche die Schrift der ganzen Gemeinde zuteil werden lässt, auf wenige Menschen beschränkt! Ausdrücklich ehrt aber Petrus die Gemeinden mit diesem Titel, um einzuprägen, dass jegliche Herrschaft, die Menschen an sich ziehen, ein Raub an Gottes Eigentum ist. Wenn der Herr an vielen Stellen die Kirche als sein Eigentum und Erbteil bezeichnet, will er eben die Herrschaft ganz für sich in Anspruch nehmen. Denn nicht eine Obergewalt, sondern eine Fürsorge hat er in die Hand der Pastoren gelegt, wobei ihm sein Recht ungeschmälert bleiben soll.

V. 4. So werdet ihr, wenn erscheinen wird usw. Wenn die Hirten nicht mit aller Anspannung auf dieses Ziel sich richten, können sie unmöglich im Lauf ihres Berufs emsig vorwärts kommen, ja, sie werden allmählich nachlassen. Denn es begegnen ihnen zahllose Anstöße, die sonst auch den Mutigsten außer Atem bringen könnten. Oft hat man mit undankbaren Menschen zu tun, die alle Mühe übel belohnen; lange und unermessliche Arbeiten sind oft vergeblich; Satan gewinnt mit seinen bösen Machenschaften zuweilen die Oberhand. Soll dabei ein frommer Diener Christi ungebrochen dastehen, so hat er nur das eine Heilmittel, dass er seine Augen auf Christi Wiederkunft richtet. So wird ein jeglicher sein Werk welches bei Menschen fruchtlos scheint, emsig verrichten, weil demselben beim Herrn ein so großer Lohn bereit liegt. Damit aber das lange Warten uns nicht dennoch erschlaffen lasse, rühmt der Apostel den hohen Wert des Lohnes, der den Verzug weit aufwiegen soll. Es wartet eurer, so sagt er, die unverwelkliche Krone der Ehren. Bemerkenswert ist auch, dass Christus der Erzhirte heißt: wenn wir die Gemeinde leiten, so tun wir es als seine Untergebenen und in seinem Namen, so dass er selbst ganz und gar der Oberhirt bleibt. Er besitzt nicht bloß eine hervorragende Stellung, sondern die Obergewalt über alle andern.

5 Desselbigengleichen, ihr Jüngeren, seid untertan den Ältesten. Allesamt seid untereinander untertan, und umkleidet euch mit Demut. Denn Gott widerstehet den Hoffärtigen; aber den Demütigen gibt er Gnade. 6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, dass er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn Er sorget für euch.

V. 5. Desselbigengleichen, ihr Jüngeren, usw. Die Ältesten, oder besser Älteren, werden hier in einem etwas anderen Sinne genannt als zuvor. Es stehen sich hier die Jungen und die Alten gegenüber. Gemeint sind also die Greise, während zuvor vom Ältestenamt die Rede war. Der Gedanke schreitet von einem engeren Kreise zu einem weiteren fort. Alles in allem will der Apostel, dass jeder, der an Lebensalter zurücksteht, auf den Rat der Älteren höre und sich belehrbar und bescheiden stelle. Denn junge Leute kommen besonders leicht zu Fall, bedürfen also des Zügels. Weiter können die Hirten ihr Amt nicht ausrichten, wenn nicht jene ehrerbietige Stimmung waltet und gepflegt wird, dass jüngere Leute sich leiten lassen. Denn wo keine Unterordnung ist, ist jede Ordnung in der Gemeinschaft umgestürzt. Wo die Leute, die nach Ordnung des Rechtes oder der Natur an der Spitze stehen sollten, keine Autorität besitzen, wird die Masse sofort zügellos und frech.

Allesamt seid untereinander untertan. Damit wird der Zweck aufgedeckt, welchem die geforderte Unterordnung der Jüngeren unter die Älteren dient: es soll unter allen Gleichmäßigkeit und Harmonie bestehen. Die Autorität, welche den alten Leuten zugesprochen wird, bedeutet doch nicht das Recht und die Freiheit, für sich selbst den Zügel abzuschütteln; auch ihrerseits haben sie sich in eine Ordnung zu fügen, damit man sich gegenseitig diene. So ist der Mann des Weibes Haupt, und doch ist er ihr auch seinerseits gewissermaßen unterworfen. So hat ein Vater Obergewalt über seine Kinder, und doch ist er nicht derartig von aller Unterordnung frei, dass er nicht auch er ihnen etwas schuldete. Dieser Grundsatz gilt ganz allgemein. Kurz, alle Abstufungen im Gemeinschaftsleben zielen auf die Erhaltung des Gesamtkörpers. Sie wird unmöglich sein, wenn nicht alle Glieder in gegenseitiger Unterordnung sich ineinander fügen.

Denn Gott widerstehet den Hoffärtigen. Eine überaus schwere Drohung: alle Menschen, die sich überheben möchten, werden Gott zum Feinde haben, der sie niederschlägt; wer dagegen sich niedrig hält, wird an ihm einen Freund und Gönner finden. Wir mögen uns vorstellen, das Gott zwei Hände hat: mit der einen schlägt er wie mit einem Hammer nieder, die sich erheben, und zermalmt sie; mit der andern hebt und stützt er wie mit einer starken Stütze, die sich freiwillig beugen. Wäre dies unsere feste, unseren Herzen tief eingeprägte Überzeugung, wer würde dann im Übermut Krieg mit Gott anzufangen wagen? Weil wir aber ungestraft zu bleiben hoffen, erheben wir ungescheut unser Horn bis zum Himmel. Es möge also der Satz des Petrus wie ein himmlischer Blitzstrahl wirken, die Menschen zu demütigen. Unter den Demütigen sind Leute zu verstehen, die sich von allem Vertrauen auf eigene Tüchtigkeit, Weisheit und Gerechtigkeit entäußern und alles Gute in Gott allein suchen. Wenn man auf keinem andern Weg zu Gott gelangen kann, wer sollte dann nicht gern auf Eigenruhm verzichten und sich demütigen?

V. 6. So demütiget euch nun. Immer müssen wir das Ziel im Auge behalten, um dessentwillen der Apostel uns die Demut vor Gott anbefiehlt: wir sollen dadurch freundlich und menschlich mit den Brüdern umgehen lernen und die Unterordnung nach dem Maß der Liebe nicht verweigern. Wer also hochfahrend und widerwillig im Verkehr mit den Menschen ist, von dem sagt der Apostel, dass er sich wider Gott auflehnt. Demgemäß ermahnt er alle Frommen, sich der Macht Gottes zu unterwerfen. Er spricht, um uns desto mehr Schrecken einzujagen, von Gottes gewaltiger Hand. Das hat in diesem Zusammenhange auch den Sinn, dass wir uns nicht zu fürchten brauchen, als ob eine demütige Haltung uns schaden könnte und die andern daraus nur Anlass zu größerer Frechheit nähmen. Dem begegnet Petrus und verheißt, dass Gott alle, die sich unterwerfen, erhöhen werde. Um aber zugleich einer übergroßen Eile zu wehren, fügt er hinzu: zu seiner Zeit. Er prägt also ein, dass wir nötig haben, für eine Spanne Zeit demütige Unterwerfung zu lernen, dass aber Gott schon weiß, wann es nützlich ist, uns emporzuheben. So ziemt es sich, dass wir uns seinem Rat anvertrauen.

V. 7. Alle eure Sorge werfet auf ihn usw. Jetzt verweist uns der Apostel noch dringender auf Gottes Vorsehung. Das Sprichwort sagt, man müsse mit den Wölfen heulen, und töricht sei, wer wie ein Schaf vom Wolf sich verschlingen lasse. Solche Reden entspringen doch nur der Meinung, dass ein bescheidenes Verhalten auf unserer Seite der Frechheit der Gottlosen die Zügel löse, so dass sie uns nur noch hochfahrender angreifen. Solche Stimmung erwächst aber aus Unkenntnis der göttlichen Vorsehung. Sobald es uns dagegen einmal feststeht, dass Gott für uns sorgt, wird unsere Seele leicht auf Geduld und Sanftmut sich stimmen lassen. Damit also menschliche Ungerechtigkeit uns nicht zu trotzigem Widerstand reize, gibt uns der Apostel das gleiche Heilmittel in die Hand, wie David im 37. Psalm (V. 5): indem wir unsere Sorge auf Gott werfen, sollen wir still sein. Denn wer nicht in Gottes Vorsehung seine Ruhe findet, muss in sich selbst in beständigem Aufruhr sein und mit gewaltsamem Ansturm auf andere losschießen. Umso eifriger sollen wir uns in den Gedanken versenken, dass Gott für uns sorgt: so werden wir zum ersten starken Frieden in uns haben und zum andern uns bescheiden und sanftmütig gegen die Menschen beweisen. Dass wir alle unsere Sorge auf Gott werfen sollen, hat übrigens nicht den Sinn, als sollte unser Herz wie Stein werden und wir alle Empfindung verlieren; nur soll uns kein Zittern noch übermäßige Angst zur Ungeduld treiben. Die Erkenntnis der göttlichen Vorsehung verscheucht nicht derartig jede Sorge, dass die Menschen in Sicherheit sich könnten gehen lassen: sie will uns nicht fleischliche Stumpfheit, sondern Ruhe des Glaubens bringen.

8 Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge. 9 Dem widerstehet, fest im Glauben, und wisset, dass eben dieselbigen Leiden über eure Brüder in der Welt sich vollenden. 10 Der Gott aber aller Gnade, der uns berufen hat zu seiner Herrlichkeit in Christus Jesus, derselbige möge euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. 11 Demselbigen sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

V. 8. Seid nüchtern usw. Diese Mahnung greift weiter. Weil die Gläubigen im Kampf mit einem überaus scharfen und mächtigen Feind stehen, müssen sie zum Widerstand gerüstet sein. Dies wird in einem doppelten Bilde ausgedrückt: seid nüchtern und wachet. Schlemmerei macht träge und schläfrig; desgleichen verfallen Leute, die sich durch irdische Sorgen oder Vergnügungen berauschen, in geistlichen Schlaf oder Gedankenlosigkeit. Jetzt verstehen wir, was der Apostel meint: es ist uns in dieser Welt ein Kriegsdienst verordnet, und wir haben es mit einem Feinde zu tun, den wir nicht verachten dürfen, der wie ein Löwe hierhin und dorthin springt, damit er uns verschlinge. So ergibt sich der Schluss, dass man ernstlich wachen müsse. Mit demselben Beweisgrund schärft Paulus unsern Eifer, wenn er sagt (Eph. 6, 12), dass wir nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen haben, sondern mit der Nichtswürdigkeit böser Geister. Den Frieden missbrauchen wir ja meistens zu müßigem Treiben; so geschieht es, dass der Feind uns allmählich umgarnt und erdrückt, weil wir uns außer Gefahr wähnten und in den Lüsten des Fleisches gehen ließen. Der Vergleich des Teufels mit einem Löwen will ihn als ein überaus reißendes Wesen darstellen. Dass er umhergehet, uns zu verschlingen, soll uns zu eifriger Wachsamkeit treiben. Weiter heißt der Teufel der Widersacher der Frommen: denn diese sollen wissen, dass ihr Gottesdienst und gläubiges Bekenntnis zu Christus sie verpflichtet, mit dem Teufel einen beständigen Krieg zu führen. Denn er, der wider das Haupt ankämpft, wird die Glieder nicht verschonen.

V. 9. Dem widerstehet. Dass der Feind so mächtig ist, soll uns auf der einen Seite scharf und besorgt machen; anderseits wäre doch Gefahr, dass ein unmäßiger Schrecken uns den Mut nehmen könnte, wenn uns nicht Hoffnung auf Sieg geboten würde. Der Apostel will uns also wissen lassen, dass der Krieg einen glücklichen Ausgang nehmen muss, wenn wir unter Christi Fahnen streiten. Denn wer in der Rüstung des Glaubens in den Kampf zieht, wird sicherlich den Sieg gewinnen. Der Apostel sagt: widerstehet! Fragt jemand: womit? – so lautet die Antwort; dass der Glaube Stärke genug hat: fest im Glauben. Paulus aber zählt an der eben zitierten Stelle (Eph. 6, 13) die einzelnen Stücke der Waffenrüstung auf. Dies alles will das gleiche besagen wie das Zeugnis des Johannes (1. Joh. 5, 4): „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“

Und wisset, dass eben dieselbigen Leiden usw. Auch dies dient zum Trost, dass wir in dem gleichen Kampf stehen wie alle Kinder Gottes. Denn Satan bereitet uns eine besonders gefährliche Versuchung, wenn er uns von dem Leibe Christi trennt. Darum erinnert uns der Apostel, dass nichts uns trifft, was wir nicht auch an den andern Gliedern der Gottesgemeinde sehen. Und wir dürfen uns durchaus nicht weigern, in der Gemeinschaft mit allen Heiligen zu stehen und in der gleichen Lage wie sie. Dass die Leiden sich vollenden, bedeutet etwa soviel wie das Wort des Paulus (Kol. 1, 24), dass täglich an den Gläubigen vollendet werde, was an den Trübsalen Christi noch fehlt. Dass die Brüder in der Welt sind, kann doppelt verstanden werden. Entweder ist die Meinung, dass Gott seine Gläubigen unterschiedslos übt, wo immer sie sich unter den Völkern der Welt befinden. Oder es soll gesagt werden, dass die Notwendigkeit des Kriegsdienstes unser wartet, solange wir in dieser Welt leben. Auch darauf wollen wir hinweisen, dass die Anläufe des Satans, von denen die Rede war, jegliche Art von Trübsalen umfassen. Wir schließen daraus, dass wir immer mit einem dämonischen Feinde zu tun haben, woher auch die Widrigkeiten kommen mögen, - mag uns Krankheit drücken, mag infolge Unfruchtbarkeit der Äcker Hungersnot drohen, oder mögen Menschen uns lästig fallen.

V. 10. Der Gott aber aller Gnade usw. Nachdem der Apostel hinreichend Mahnungen gegeben, wendet er sich jetzt zum Gebet. Denn eine bloße Belehrung würde fruchtlos in der Luft verfliegen, wenn nicht Gott durch seinen Geist wirkte. So müssen alle Diener Gottes diesem Beispiel folgen, damit der Herr selbst ihren Mühen Erfolg schenke, - denn anders schaffen sie weder mit Pflanzen noch mit Begießen etwas. Statt der Wunschform: Gott möge euch vollbereiten – gibt es auch eine andere Lesart: er wird euch vollbereiten. In jedem Falle bedeutet auch das Gebet des Apostels, welches ich lieber hier finden möchte, eine Stärkung für seine Leser. Denn wenn er den Herrn den Gott aller Gnade nennt und hinzufügt: der uns berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit, so zielt er ohne Zweifel darauf, mit voller Sicherheit einzuprägen, dass Gott sein angefangenes Heilswirken zur Vollendung führen wird. Ausdrücklich spricht er aber von „aller“ Gnade. Er will dadurch die Leser anleiten, alles Gute, was sie haben, auf Rechnung Gottes zu setzen. Weiter sollen wir erwarten, dass immer eine Gnadengabe sich an die andere schließe, so dass wir, was uns jetzt noch fehlt, von der Zukunft erhoffen.

Der uns berufen hat usw. Wie ich schon sagte, will dieser Zusatz unser Vertrauen stärken. Denn nicht bloß seine Güte, sondern auch seine bereits geschenkten Wohltaten treiben den Herrn, uns mehr und mehr zu helfen. Es ist auch nicht einfach von unserer Berufung die Rede, sondern von der ewigen Herrlichkeit als ihrem Ziel. Außerdem wird uns der feste Grund der Berufung in Christus Jesus gezeigt. Beides soll unsere Zuversicht auf einen dauerhaften Bestand stärken. Denn wenn unsere Berufung in Christus begründet ist und auf das himmlische Gottesreich und die selige Unsterblichkeit zielt, kann sie nicht schwankend und hinfällig sein. Wenn wir in Christus berufen sind, ist unsere Berufung auf guten Grund gebaut; und zum andern sollen wir daraus abnehmen, dass jede Rücksicht auf eigene Würdigkeit und Verdienst ausgeschlossen ist. Denn schon dies ist ein unverdientes Geschenk, dass Gott uns durch die Predigt des Evangeliums zu sich einlädt; größere Gnade aber ist es noch, wenn er unsere Herzen wirksam beeinflusst, so dass wir seiner Stimme gehorchen. Petrus redet ja insbesondere zu Gläubigen: darum denkt er mit der äußeren Predigt die innere Geisteswirkung verbunden. Dass er aber mit vielen Worten eine und dieselbe Sache beschreibt: Gott möge euch vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen, - soll uns erinnern, wie schwierig die Vollendung unseres Laufes ist, und dass es darum einer besonderen Gottesgnade bedarf. Ein Zwischensatz deutet darauf hin, dass die Dauer der Anfechtung kurz sein wird: die ihr eine kleine Zeit leidet. Auch dies ist ein kräftiger Trostgrund.

V. 11. Demselbigen sei Ehre usw. Statt dieser Wunschform ließe sich auch übersetzen: demselbigen gebührt Ehre. Jedenfalls soll es den Frommen die Zuversicht stärken, wenn der Apostel jetzt in einen Lobpreis Gottes ausbricht.

12 Durch euren treuen Bruder Silvanus (als ich achte) habe ich euch ein wenig geschrieben, zu ermahnen und zu bezeugen, dass das die rechte Gnade Gottes ist, darinnen ihr stehet. 13 Es grüßen euch, die samt euch auserwählet sind zu Babylon, und mein Sohn Markus. 14 Grüßet euch untereinander mit dem Kuss der Liebe. Friede sei mit allen, die in Christus Jesus sind! Amen.

V. 12. Durch euren treuen Bruder Silvanus usw. Dieser Schluss des Briefes ermahnt die Leser zur Standhaftigkeit. Ja, der Apostel erklärt geradezu, es sei seine Absicht gewesen, sie im Gehorsam gegen die Lehre, die sie angenommen hatten, festzuhalten. Dabei empfiehlt er seinen Brief mit seiner Kürze: das Lesen soll ihnen nicht allzu schwer fallen. Sodann fügt er eine kurze Empfehlung des Überbringers hinzu, damit auch das lebendige Wort sich zur schriftlichen Aussprache geselle. Denn eben darauf zielt das Zeugnis der Treue, welches dem Silvanus gegeben wird. Wenn der Apostel hinzufügt: als ich achte, - so geschieht dies entweder, weil er bescheiden reden oder die Leser gewiss machen will, dass er nur das sagt, wovon er wirklich überzeugt ist. Es wäre aber ungereimt, wenn sie selbst dem Urteil eines so bedeutenden Apostels nicht zustimmen wollten.

Zu ermahnen und zu bezeugen usw. Wie schwierig es ist, in dem angenommenen Glauben zu verharren, sieht man daraus, dass täglich viele abfallen. Bei dem Leichtsinn und der Unbeständigkeit der Menschen, ja bei ihrer übergroßen Neigung zu eitlem Wesen darf man sich darüber nicht wundern. Weil nun aber keine Lehre feste und beständige Wurzeln in den Menschenherzen schlagen kann, die noch mit irgendeinem Zweifel behaftet ist, bezeugt es der Apostel, dass es die gewisse Wahrheit Gottes ist, in welcher die Leser unterwiesen wurden. Wenn uns dies nicht im tiefsten Herzensgrunde feststeht, müssen wir freilich immer wieder von neuem schwanken und uns jedem Windhauch einer neuen Lehre beugen. Unter der Gnade Gottes ist der Glaube mit seinen Wirkungen und Früchten zu verstehen.

V. 13. Viele alte Ausleger deuteten Babylon allegorisch auf Rom. Diese Einbildung lassen sich die Papisten gern gefallen, damit Petrus als Vorsteher der römischen Kirche gelten könne. Die Schmach, die an diesem Namen haftet, schreckt sie nicht, wenn sie nur den Ehrentitel eines apostolischen Sitzes vorwenden können. Es liegt ihnen ja auch nicht viel an Christus, wenn ihnen nur Petrus bleibt. Ja, wenn sie nur den Namen des Stuhles Petri behalten können, haben sie nichts dagegen, dass sich ihr Rom in der tiefsten Hölle ansiedelt. Aber jene alte Einbildung ist grundlos. Und was vollends Eusebius und Hieronymus von einem fünfundzwanzigjährigen Aufenthalt des Petrus in Rom zu sagen wissen, widerlegt ein einfacher Blick auf die beiden ersten Kapitel des Galaterbriefs. Dass Petrus, als er seinen Brief schrieb, in Babylon sich befand, ist auch darum wahrscheinlicher, weil er damals den Markus als Begleiter bei sich hatte. Es stimmt dies auch besser mit seinem Beruf. Wir wissen ja, dass er insbesondere als Apostel für die Juden bestimmt war; so bereiste er vornehmlich solche Gegenden, in denen größere Scharen dieses Volkes wohnten. Wenn er nun von den Brüdern dort sagt: die samt euch auserwählet sind, so will er damit die anderen zu einer stets wachsenden Befestigung ihres Glaubens anhalten. Denn es war eine große Sache, dass Juden aus so weit voneinander entfernten Weltgegenden zu einer auserwählten Gottesgemeinde zusammenwuchsen.

Mein Sohn. Diesen Ehrentitel gibt der Apostel dem Markus, weil er ihm das Leben des Glaubens geschenkt hatte, gleichwie Paulus dem Timotheus. Der Kuss der Liebe soll als ein äußeres Zeichen der inneren Herzensgemeinschaft entsprechen.