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Zusammenfassung
- alle Wissenschaften haben ihren Ursprung im Heiligen Geist, dem einzige Quelle aller Wahrheit
- darum geringschätzen wir nicht jegliche menschliche Erkenntnis, denn sonst würden wir die Gabe des Geistes, dem Quell allem Wahren, verachten und wären somit Gott selbst undankbar.
- daher gab Gott den Menschen einige Reste seiner Gaben, selbst nachdem die Natur des Menschen durch den Sündenfall verdorben wurde
Text
Sooft wir heidnische Schriftsteller lesen, leuchtet uns aus ihnen wunderbar das Licht der Wahrheit entgegen. Daran erkennen wir, daß der Menschengeist zwar aus seiner ursprünglichen Reinheit herausgefallen und verdorben, daß er aber doch auch jetzt noch mit hervorragenden Gottesgaben ausgerüstet und geschmückt ist. Bedenken wir nun, daß der Geist Gottes die einzige Quelle der Wahrheit ist, so werden wir die Wahrheit, wo sie uns auch entgegentritt, weder verwerfen noch verachten — sonst wären wir Verächter des Geistes Gottes! Denn man kann die Gaben des Geistes nicht geringschätzen, ohne den Geist selber zu verachten und zu schmähen! Wieso auch? Wollen wir etwa leugnen, daß den alten Rechtsgelehrten die Wahrheit geleuchtet habe, wo sie doch mit solcher Gerechtigkeit die bürgerliche Ordnung und Zucht (civilem ordinem et disciplinam) beschrieben haben? Wollen wir sagen, die Philosophen seien in ihrer feinen Beobachtung und kunstvollen Beschreibung der Natur blind gewesen? Wollen wir behaupten, es hätte denen an Vernunft gefehlt, die die Kunst der Beweisführung dargestellt und uns vernünftig zu reden gelehrt haben? Wollen wir die für unsinnig erklären, die uns durch Ausbildung der Heilkunde mit solchem Fleiß gedient haben? Was sollen wir zu den mathematischen Wissenschaften sagen? Sollen wir sie für Raserei von Irrsinnigen halten? Nein, wir können die Schriften der Alten hierüber nicht ohne große Bewunderung lesen, und dazu kommen wir, weil wir sie den Tatsachen entsprechend notwendig für hervorragend erklären müssen. Aber können wir überhaupt etwas für lobenswert oder hervorragend erklären, ohne zugleich zu erkennen, daß es von Gott herkommt? Eines solchen Undanks sollten wir uns schämen; sind doch selbst die heidnischen Dichter nicht darein verfallen: sie haben erklärt, Philosophie und Gesetzgebung und alle schönen Künste seien Lehren der Götter! Es sind also selbst diese Menschen, die doch die Schrift „natürliche Menschen“ nennt, offensichtlich in der Erforschung der niedrigeren Dinge bis zu diesem Grade scharfsichtig und erkenntnisfähig. An solchen Beispielen sollen wir lernen, wieviel Gutes der Herr uns Menschen übriggelassen hat, nachdem wir freilich des wahren Guten verlustig gegangen sind!
Themen: Erkenntnistheorie
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