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Zusammenfassung

  1. einige bestreiten die Unsterblichkeit der Seele, aufgrund der Natur
    1. sie behaupten, dass die Seele nicht von Körper getrennt existieren kann
    2. im Gegenteil – bei höheren Geistesbeschäftigungen gibt es kein körperliches Gegenstück, sondern sie sind von Gott gegebene Zeichen der Unsterblichkeit
    3. wenn dann der Mensch göttlich ist, dann sind wir gezwungen, seinen Schöpfer anzuerkennen und in menschlicher Kunst und Handwerk die dahinterliegende göttliche Quelle zu sehen
  2. einige schreiben die Schöpfung der Natur zu
    1. nutzlose Spekulation über den „universellen Geist“, die zu verwerfen sind
    2. die Natur ist nicht Gott, sondern die Ordnung der Natur wurde von Gott festgelegt
  3. folglich müssen wir Gott nicht mit seinem Werk verwechseln

Text

Aber mit diesem Schweinestall habe ich hier nichts weiter zu schaffen. Lieber will ich jetzt mit denen streiten, die in abwegiger Spitzfindigkeit jenen dürren Ausspruch des Aristoteles gern so lange drehen und wenden möchten, bis er ihnen zur Leugnung der Unsterblichkeit der Seele wie zur Bestreitung des Anrechts Gottes dienlich wäre. Da nämlich die Kräfte der Seele organisch sind, so binden sie die Seele an den Leib, so daß sie ohne ihn nicht bestehen könnte. Durch große Lob­preisungen der Natur unterdrücken sie dann, soviel sie vermögen, den Namen Gottes. Aber es kann doch keine Rede davon sein, daß die Vermögen der Seele in den Wir­kungsweisen, welche dem Leibe dienen, sich erschöpften. Was hat denn der Körper da­mit zu tun, daß man den Himmel mißt, die Gestirne zählt, ihre Größe feststellt, ihre Abstände erforscht, die größere oder geringere Geschwindigkeit ihres Laufs beobachtet oder die Grade der Abweichungen von der Bahn bestimmt? Ich gebe zu, daß die Sternkunde einen Nutzen hat. Hier will ich nur zeigen, daß in solch schwieriger Er­forschung der Himmelserscheinungen Körper und Seele nicht in einfacher Ent­sprechung zueinander stehen, sondern daß die Wirkung der Seele vom Körper ge­sondert ist. Ich habe nur ein einziges Beispiel gebracht, nach welchem sich leicht weitere bilden lassen. Die mannigfaltige Beweglichkeit der Seele, mit der sie Himmel und Erde durchforscht, Vergangenes und Zukünftiges verbindet, früher Vernommenes im Gedächtnis behält, sich vorstellt, was sie will, diese Erfindungsgabe, mit der sie unglaubliche Dinge ausdenkt und die die Mutter sovieler wundersamer Fertigkeiten ist — das alles sind sicherlich Spuren Gottes im Menschen. Was soll man dazu sa­gen, daß sie selbst im Schlafe regsam und beweglich ist und gar noch viel nützliche Dinge erfindet, über vieles nachdenkt, ja Künftiges erahnt? Kann man darauf eine andere Antwort finden, als daß die Spuren der Unsterblichkeit, die dem Menschen eingeprägt sind, nicht zerstört werden können? Wie sinnlos wäre es aber, wenn der Mensch selbst göttlich (divinus) wäre und doch seinen Schöpfer nicht anerkennte? Wir sollten mit eigener Urteilskraft unterscheiden zwischen Recht und Unrecht — und im Himmel sollte kein Richter sein? Uns sollte doch selbst im Schlafe ein Rest der Denkkraft verbleiben — und kein Gott sollte über der Welt wachen und walten? Wir sollen als Erfinder von soviel nützlichen Künsten und Dingen gelten — damit Gott seines Ruhmes beraubt werde? Und dabei lehrt doch schon die Erfahrung, daß wir unseren Besitz auf ganz andere Art, anderswoher empfangen! Was nun einige Leute über eine geheime Beseelung schwatzen, welche die ganze Welt am Leben erhielte, das ist abgeschmackt und geradezu gottlos. Ihnen macht denn Vergils berühmter Ausspruch Freude:

„Erst den Himmel umher und Land und weite Gefilde,

Auch die leuchtende Kugel des Monds und die strahlende Sonne

Nährt von innen ein Geist; und ganz die Glieder durchströmend

Reget Seele das All, dem großen Leibe vereinigt.

Dorther Menschengeschlecht und Tiere und rasches Geflügel,

Auch soviel Meerwunder, die wogende Tiefe durchtaumeln:

Alle durchwebt sie lebendige Kraft und himmlischer Ursprung.“

 

Bei solcher Denkweise soll die Welt, die doch als Spiegel Gottes erschaffen ist, ihr eigener Schöpfer sein. Diese Anschauung, die sich bei Griechen und Lateinern findet, hat Vergil auch noch an anderer Stelle ausgesprochen:

„Daß in den Bienen ein Teil göttlichen Geistes

Wohn‘ und ätherischer Hauch. Denn die Gottheit gehe durch alle

Länder dahin und Räume des Meeres und Tiefen des Himmels.

Schafe daher und Rinder, der Mensch und des Wildes Geschlechter,

Jedes bei seiner Geburt sich hole vom Hauche des Lebens.

Siehe, auch dorthin kehre dereinst, der Verwesung entronnen,

Alles zurück, und nirgends sei Tod, es schwinge sich lebend

Unter die Zahl des Gestirns und leucht‘ am erhabenen Himmel.“

 

Was soll nun aber dieses dürre Gedankenspiel von dem „allgemeinen Geiste“ (Weltseele), der die Welt beseelt und trägt, für Frucht tragen zur Entstehung und Erhaltung der Frömmigkeit im Menschenherzen? Das kann man am besten aus den Frevelreden des schmutzigen Hundes Lucretius ersehen, die diesem Ursprung ent­stammen! Es ist nichts anderes, als daß man sich einen Schattengötzen macht, um nur ja den wahren Gott, den wir fürchten und dem wir dienen sollen, möglichst gründlich loszuwerden. Ich gebe zu: man kann auch in rechter Gesinnung sagen, die „Natur“ sei Gott — wenn es nur aus einem frommen Herzen kommt. Aber es ist doch eine undurchdachte und unangebrachte Redeweise; denn die Natur ist doch vielmehr die von Gott gesetzte Ordnung, und deshalb ist es bei einer so wichtigen Sache, der doch besondere Ehrfurcht gebührt, schädlich, wenn man Gott unklar mit dem ihm unter­geordneten Geschehen in seinen Werken vermischt.

This entry was posted on Sonntag, September 27th, 2009 at 01:00 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 05, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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