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Zusammenfassung
- Es ist falsch, die menschliche Neigung zur Sünde mit dem überzogenen Bezeichnung des „Freien Willens“ zu benennen
- Die meisten Modernen, sei es das einfache Volk oder die gelehrten Theologen, übersehen die Interpretation diese Begriffs bei den antiken Theologen und enden, durch die etymologische Bedeutung (in verbi etymon), in eine verderbliche Selbstsicherheit.
Text
Auf diese Weise wird also dem Menschen der freie Wille zugeschrieben, und zwar nicht etwa in dem Sinne, als ob er die freie Wahl zum Guten genau wie zum Bösen hätte, sondern weil er mit Willen und nicht aus Zwang böse handelt. Das ist nun zwar ausgezeichnet — aber was für einen Zweck soll es eigentlich haben, eine so geringfügige Sache mit einem derartig prangenden Namen zu belegen? Das ist wahrhaftig eine treffliche Freiheit, wo der Mensch zwar nicht zur Sündenknechtschaft gezwungen wird, aber doch ein solcher freiwilliger Knecht (ethelodulos) ist, daß sein Wille von der Sünde in Fesseln gehalten wird! Fürwahr, alles Wortgezänk (logomachia) ist mir widerwärtig, denn damit wird die Kirche ohne Nutzen geplagt; aber ich meine, man solle sich recht vor solchen Ausdrücken hüten, die etwas Widersinniges zu enthalten scheinen, besonders wenn gefährlicher Irrtum im Verzuge ist. Wo in aller Welt ist denn ein Mensch, der, wenn er hört, daß dem Menschen der freie Wille zugeschrieben wird, nicht gleich meint, er sei nun seines Geistes und Willens Herr und könne sich von selbst nach jeder Richtung wenden? Aber es könnte jemand einwenden: jede Gefahr in dieser Richtung fei ja behoben, wenn man das Volk über die Bedeutung des Begriffs fleißig unterweise. Ja, aber der Menschengeist ist von Natur dermaßen zum Irrtum geneigt, daß er leichter aus einem einzigen Wörtchen den Irrtum als aus einer langen Rede die Wahrheit entnimmt. Dafür bedeutet gerade dieser Begriff einen besseren Beleg, als man wünschen könnte. Denn jene Auslegung der Alten hat man ganz hintangestellt, und seither bleibt jedermann beim wörtlichen Verständnis des Ausdrucks „freier Wille“ stehen und läßt sich so zu verderbenbringendem Selbstvertrauen hinreißen.
Themen: Freier Wille
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