Archive for the ‘Institutio’ Category

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Zusammenfassung

  1. geradeso wie das Universum vornehmlich für die Menschheit erschaffen wurde, so ist auch die Absicht von Gottes Vorsehung in erster Linie für den Menschen
  2. kein Mensch kann handeln, oder selbst sprechen, ohne dass es Gott will
  3. selbst Begebenheiten, dies uns zufällig erscheinen, sind doch Gottes Willen unterworfen, wie die Bibel es uns beweist: alles lebt nach Gottes geheimen Plan

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Aber wir wissen, daß die Welt vornehmlich um des Menschengeschlechts willen ge­schaffen worden ist: diesen Zweck müssen wir auch im Auge behalten, wenn wir über die Weltregierung nachdenken. Der Prophet Jeremia ruft aus: „Ich weiß, Herr, daß des Menschen Tun steht nicht in seiner Gewalt, und stehet in niemandes Macht, wie er … seinen Gang richte.“ (Jer. 10,23). Und Salomo sagt: „Jedermanns Gänge kommen von dem Herrn; welcher Mensch versteht seinen Weg?“ (Spr. 20,24). Nun soll man hingehen und sagen, der Mensch werde zwar von Gott bewegt gemäß der Neigung seiner Natur, aber er lenke diese Bewegung, wohin er selbst wolle! Wäre das recht geredet, so stände dem Menschen die Entscheidung über seine Wege zu! Dies wird man vielleicht verneinen, weil ja der Mensch nichts ohne Gottes Macht ausrichten könne. Aber der Prophet und Salomo legen Gott ja nicht nur die Macht, sondern auch die Entscheidung und Bestimmung bei, und deshalb hilft jener Einwand nichts. Auch noch an anderer Stelle straft Salomo feinsinnig diese Vermessenheit des Menschen, der sich ohne Rücksicht auf Gott ein Ziel vorsetzt, als ob er nicht von seiner Hand geführt würde: „Der Mensch setzt sich’s wohl vor im Herzen, aber vom Herrn kommt, was die Zunge reden soll“ (Spr. 16,1). Es ist gewiss eine lächerliche Torheit, wenn elende Menschen ohne Gott handeln wollen, die doch nicht einmal reden können ohne seinen Willen!

Um ferner noch deutlicher auszudrücken, daß nichts in der Welt ohne seine Bestimmung geschieht, zeigt die Schrift, daß ihm gerade das unter­worfen ist, was ganz zufällig scheint. Was wird man mehr dem Zufall zu­rechnen, als wenn ein Ast vom Baume bricht und dabei einen vorübergehenden Wanderer erschlägt? Aber der Herr sagt ganz im Gegenteil, er habe ihn in die Hand dessen fallen lassen, der ihn töte (Ex. 21,13). Wer wird nicht den Loswurf dem blin­den Glück zuschreiben? Aber auch das leidet der Herr nicht, der sich auch darüber die Entscheidung vorbehalten hat. Denn er lehrt nicht bloß, es geschehe durch seine Macht, daß die Lossteinchen in den Schoß geworfen und wieder herausgezogen wür­den, nein, gerade das, was man doch fast allein dem Glück zuschreiben möchte, ist nach seinem Zeugnis von ihm her! (Spr. 16,33). Dahin gehört auch das Wort des Salomo: „Arme und Reiche begegnen einander, beider Augen erleuchtet der Herr“ (Spr. 29,13). Denn es sind in der Welt die Reichen unter die Armen gemischt, weil ja von Gott her jedem seine Stellung zugewiesen wird; und deshalb erinnert Salomo daran, daß Gott, der ihnen allen das Licht gebe, nicht etwa selbst sein Auge ver­schließe, und er ermahnt auf diese Weise die Armen zur Geduld, weil die, welche mit ihrem Los unzufrieden sind, die ihnen von Gott auferlegte Last abzuschütteln suchen. So macht auch ein anderer Prophet den weltlich gesinnten Menschen Vor­würfe, weil sie es der Arbeit der Menschen oder dem Glück zuschreiben, daß die einen im Staube liegen, die anderen zu Ehren kommen: „Nicht vom Aufgang, noch vom Untergang, noch von der Wüste kommt Erhöhung, denn Gott ist der Richter, ernie­drigt und erhöht“ (Ps. 75,7f.; nicht Luthertext). Denn Gott kann das Richteramt nicht von sich legen, und daraus wird hier der Schluss gezogen, es geschehe aus sei­nem verborgenen Ratschluss, daß die einen große Leute werden, die anderen in verachteter Lage bleiben müssen.

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Zusammenfassung

  1. einige glauben, dass Gott den Naturkräften allgemeine Anordnungen gibt, aber dass dann die einzelnen Dinge, durch sich oder durch Zufall, nur durch ihre Natur beeinflusst werden
  2. obwohl man damit den Verlauf der Jahreszeiten erklären kann, so kann man doch nicht die Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit der Ernte, Wohlstand oder Hungersnot erklären: diese sind Gottes Segen oder sein Fluch: biblische Beispiele

Text

Geben wir zu, der Anfang der Bewegung liege bei Gott, danach aber werde alles vom Zufall gelenkt, wohin die natürliche Neigung es treibt, so ist ja der Wechsel von Tag und Nacht, Winter und Sommer Gottes Werk, sofern er ihnen Lauf und Aufgabe angewiesen und ihnen ein bestimmtes Gesetz gegeben hat. Das träfe jeden­falls zu, wenn alles in gleichem Ablauf immer die gleiche Ordnung hielte: die Tage in ihrer Aufeinanderfolge mit den Nächten, die Monate mit den Monaten, und die Jahre mit den Jahren. Wenn aber bald unmäßige Hitze und Dürre alle Frucht ver­brennt, bald unzeitige Regengüsse die Saaten verderben, wenn Hagel und Sturm plötzliche Katastrophen hervorrufen, dann wäre das nicht Gottes Werk – oder doch nur insofern, als Wolken und heiterer Himmel, Kälte und Hitze aus der Stellung und dem Lauf der Gestirne oder aus anderen natürlichen Ursachen ihren Ursprung herleiten. Aber auf solche Weise bleibt weder für Gottes väterliche Huld, noch für seine Gerichte Raum. Sagt man, Gott erweise dem Menschengeschlecht doch schon da­durch genugsam seine Güte, daß er Himmel und Erde die geordnete Kraft eingebe, um die Nahrungsmittel hervorzubringen, so ist das ein nichtiger und gottferner Wahn – als ob die Fruchtbarkeit eines Jahres nicht Gottes besonderer Segen, der Mangel und der Hunger nicht sein Fluch und seine Vergeltung wäre! Aber es würde zu weit führen, alle Gründe aufzuzählen; es soll uns darum Gottes eigene Autorität genügen. Im Gesetz und in den Propheten verkündet er öfters, wenn er mit Tau und Regen die Erde netze, so bezeuge er dadurch seine Gnade, wenn ander­seits der Himmel auf seinen Befehl wie Eisen erstarre, wenn Rost und andere Schä­den die Saaten verzehrten, wenn Hagel und Sturm die Felder verwüsteten, so sei das ein Zeichen seiner gewissen, besonderen Vergeltung. Wenn wir das annehmen, so ist uns klar, daß nicht ein Regentropfen ohne Gottes gewissen Befehl hernieder­fällt. So lobt David Gottes „allgemeine“ Vorsehung, daß er den jungen Raben Speise gebe, die ihn anrufen (Ps. 147,9). Aber wenn Gott anderseits selbst den Tieren mit Hunger droht, erklärt er dann nicht genugsam, daß er bald in gerin­gerem, bald in reichlicherem Maße, je nach seinem Wohlgefallen, alles Lebendige versorgt und nährt; es ist, wie ich schon sagte, kindisch, wenn man das auf einzelne Akte einschränken will; Christus selber sagt ja ohne Ausnahme, nicht einmal ein wertloser Sperling falle zur Erde ohne des Vaters Willen (Matth. 10,29). Wahr­lich, wenn Gott den Flug der Vögel mit bestimmtem Ratschluss lenkt, so müssen wir mit dem Propheten bekennen: „Wer ist wie der Herr, unser Gott, der sich so hoch gesetzt hat und auf das Niedrige sieht im Himmel und auf Erden?“ (Ps. 113,5f.).

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Zusammenfassung

  1. zwei Irrtümer
    1. nicht blosses Vorwissen, sondern aktive Kontrolle über Geschehnisse
    2. nicht allgemeine, undeutliche Kontrolle von einzelnen Geschöpfen (irrtümliche Unterscheidung zwischen Gottes Willen und seinem Ratschluss)
  2. „allgemeine“ und „besondere“ Vorsehung
    1. die Lehre der allgemeinen Vorsehung wird verstanden in dem Sinne, dass Gott nicht nur über jeden seiner Geschöpfe wacht, sondern auch eine besondere Fürsorge für jeden hat
    2. einige Autoren verschleiern Gottes besondere Vorsehung, indem sie es auf einzelne Handlungen beschränken; wir glauben dass Gott aktiv alle Geschehnisse leitet, so dass es keinen Platz für einen Zufall gibt

Text

Vorsehung – das muß der Leser festhalten – bedeutet also nicht, daß Gott müßig im Himmel betrachtete, was auf Erden vor sich geht, sondern im Gegenteil, daß er gewissermaßen das Ruder hält und also alle Ereignisse lenkt. Sie bezieht sich also auf die Hand Gottes nicht weniger als auf sein Auge, wenn Abraham zu sei­nem Sohne sagte: „Gott wird’s versehen“ (Gen. 22,8), so wollte er damit nicht nur behaupten, Gott sähe zukünftige Geschehnisse voraus, sondern er wollte vielmehr die Sorge um die ungewisse Zukunft auf den Willen dessen werfen, der stets ver­wickelten und verworrenen Dingen einen Ausgang zu geben weiß. Daraus folgt, daß die Vorsehung Gottes in seinem Wirken besteht, und deshalb ist es unklug, wenn einige von einem bloßen Vorherwissen Gottes schwatzen. Nicht gar so grob ist der Irrtum derer, die Gott zwar die Regierung zuschreiben, aber eine (mit den „anderen“ Mächten) durcheinandergebrachte und verworrene, wie ich schon er­wähnt habe. Danach würde er zwar das Weltgebäude mit allen seinen Teilen in allgemeiner Bewegung lenken und treiben, aber nicht etwa die Wirksamkeit jeder einzelnen Kreatur besonders regieren. Nichtsdestoweniger ist auch dieser Irrtum un­tragbar; denn man erklärt, diese Vorsehung, die man „allgemein“ nennt, hindere kei­neswegs die Geschöpfe in ihrer zufälligen Bewegung und auch nicht den Menschen, sich in freiem Willensentscheid da- oder dorthin zu wenden. Auf diese Weise teilt man zwischen Gott und dem Menschen. Gott soll dem Menschen durch seine Kraft die Bewegung verleihen, vermöge deren dieser dann nach der Beschaffenheit der ihm innewohnenden Natur tätig sein könnte – der Mensch aber könnte seine Hand­lungen nach seinem freien Entschluss bestimmen! Man meint also kurz, die Welt, das Geschick des Menschen und der Mensch selbst würden zwar durch Gottes Macht, nicht aber durch seine Bestimmung regiert! Da übergehe ich die Epikuräer – von dieser Pest war die Welt je und je erfüllt! -, die sich einen müßigen und faulen Gott erträumen, auch andere, die keineswegs vernünftiger waren, die einst meinten, Gott beherrsche nur die mittlere Luftregion und überließe dabei das darunter vorgehende dem Schicksal – denn gegen einen derart offenkundigen Wahnsinn erheben schon die stummen Geschöpfe genugsam Einspruch!

Ich will nämlich hier die ganz allgemein verbreitete Meinung widerlegen, die Gott irgendeine sozusagen verworrene Bewegkraft zuschreibt und ihm dadurch das Wesentlichste raubt, nämlich daß er alles in seiner unausforschlichen Weisheit zu seinem Zweck lenkt und leitet. Diese Meinung macht Gott bloß den Worten nach, nicht aber tatsächlich zum Regierer der Welt; denn sie nimmt ihm ja gerade die ei­gentliche Leitung! Was soll denn Regieren eigentlich anders heißen, als daß man einer Sache so vorsteht, daß man auch in bestimmter Ordnung lenkt, was man be­herrscht? Die Redewendung von der „allgemeinen“ Vorsehung will ich trotzdem nicht ganz ablehnen; nur muß man mir dann anderseits zugestehen, die Welt werde von Gott gelenkt, insofern er nicht nur die von ihm der Natur gesetzte Ordnung auf­rechterhält, sondern auch die besondere Fürsorge für jedes einzelne seiner Werke aus­übt! Denn es ist schon wahr, daß die einzelnen Gattungen sich aus verborgenem Na­turtrieb (arcano naturae instinctu) bewegen, als ob sie einem ewigen Befehl Gottes gehorchten und als ob nun von selbst abliefe, was Gott einmal geordnet hat. Dahin kann man auch deuten, daß Christus bezeugt, er und der Vater seien vom Anfang an immerdar am Werke (Joh. 5,17), daß Paulus lehrt: „In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg. 17,28), oder daß der Verfasser des Hebräerbriefs, um Christi Gottheit zu beweisen, sagt, durch sein mächtiges Wort werde alles erhalten (Hebr. 1,3). Aber es ist völlig verkehrt, wenn man unter diesem Vorwande die „besondere“ Vorsehung verdunkeln will, die doch von so gewissen und klaren Schriftzeugnissen behauptet wird, daß man sich wundern muß, daß daran überhaupt jemand hat zweifeln können. Tatsächlich müssen ja auch solche, die jene Decke vorhängen, zur Richtigstellung ihres Irrtums selbst hinzufügen, es geschehe vieles aus besonderer Fürsorge Gottes heraus; aber das beschränken sie verkehrterweise bloß auf einzelne Akte. Wir wollen also festhalten: Gottes Walten geschieht so, daß er alle einzelnen Geschehnisse lenkt, und so kommt alles aus seinem bestimmten Ratschluss; es geschieht also nichts aus „Zufall“!

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Zusammenfassung

  1. nicht durch einen allgemeinen Anstoss, sondern durch einen direkten und spezifischen Einfluss Gottes geschieht alles; nicht durch ein universelles Naturgesetz, das Gottes Willen innerhalb enger Grenzen beschränkt: biblische Hinweise
  2. Nutzen für die, welche mit Recht Gottes Allmacht preisen
    1. Seine Macht ist gewaltig, um das Gute im Himmel wie auf Erden, sowie unter seinen Geschöpfen zu tun, die ihm gehorsam sind und auf welche er aufmerksam ist
    2. Er beschützt uns von allen schädlichen Dingen; er beruhigt unsere abergläubische Furcht vor allem, was uns bedroht: Bibeltexte

Text

So will sich Gott fürwahr die Allmacht zueignen und sie von uns anerkannt wissen. Das ist freilich nicht jene leere, müßige und fast schlummernde „Allmacht“, die sich die Sophisten erdacht haben, sondern sie ist wachsam, tätig und wirksam und stets im Handeln begriffen. Sie ist auch nicht etwa bloß der allgemeine Beginn einer verworrenen Bewegung, als wenn er einen Fluss innerhalb der einmal festgesetzten Ufer dahinfließen ließe; sondern sie wirkt auf die einzelnen und besonderen Be­wegungen allesamt. Er heißt allmächtig, nicht weil er zwar alles vermöchte, aber doch zwischendurch zuweilen ruhte oder aufhörte oder den einmal festgelegten Na­turlauf (naturae ordo) auf Grund des allgemeinen Antriebs, den er ihm verliehen, nun weiterwirken ließe. Nein, er heißt deshalb allmächtig, weil er Himmel und Erde mit seiner Vorsehung lenkt und alles so einrichtet, daß nichts ohne seinen Willen geschieht. Denn wenn es im Psalm heißt: „Er kann machen, was er will“ (Ps. 115,3), so wird damit sein Wille als fest und wohlüberlegt bezeichnet. Es wäre nämlich töricht, wenn man nach der Weise der Philosophen dieses Prophetenwort dahin auslegen wollte, Gott sei der Erstantrieb (primum agens), da er ja Anfang und Ursache aller Bewegung ist. Vielmehr freuen sich doch die Gläubigen im Unglück in der tröstlichen Gewissheit, daß ihnen nichts widerfährt ohne Gottes Anordnung und Befehl, weil sie ja in seiner Hand sind. Erstreckt sich also Gottes Leitung auf alle seine Werke, so ist es kindisches Geschwätz, sie in den Lauf der Natur einzu­schließen. Denn wer Gottes Vorsehung in so enge Grenzen hineinzwängen will, als ob er alles nach seinem freien Lauf dem stetigen Gesetz der Natur (naturae lex) überließe, der beraubt Gott seiner Ehre und ebenso sehr sich selbst einer sehr nütz­lichen Einsicht; denn nichts wäre jämmerlicher als der Mensch, wenn er einfach allen Bewegungen des Himmels, der Luft, der Erde und des Wassers ausgesetzt wäre! Außerdem würde ja auf diese Weise die besondere Güte Gottes gegen jeden einzelnen aufs unwürdigste verkleinert! Ruft doch David aus, selbst die jungen Kinder, die noch an der Mutter Brust hängen, seien wohl fähig, Gottes Ruhm zu verherrlichen (Ps. 8,3); denn wenn sie kaum der Mutter Leib verlassen haben, so finden sie ja schon die Nahrung, die ihnen himmlische Fürsorge bereitet hat! Es ist doch ganz allgemein wahr, nur müssen wir auch nicht mit unseren Augen und Sinnen an dem vorbeigehen, was doch die Erfahrung deutlich zeigt: die eine Mutter kann ihr Kind­lein reichlich nähren, die andere weniger, je nachdem Gott das eine Kindlein kräftig, das andere bescheidener mit Nahrung versehen will.

Wer nun Gottes Allmacht das ihr zukommende Lob zollt, der hat einen doppel­ten Segen davon: Erstens erkennt er, daß Gott unerschöpflich wohlzutun ver­mag, da er ja Himmel und Erde in Besitz hat und da alle Geschöpfe auf seinen Wink schauen, um ihm Gehorsam zu leisten. Zweitens erfährt er, daß man in seinem Schutze sicher ruhen kann; denn seinem Willen ist ja alles unterworfen, was sonst als schädlich zu fürchten wäre; sein Befehl hält den Satan mit all seinem Heer und all seiner List wie an einem Zügel in der Gewalt, und von seinem Wink hängt auch ab, was unserem Heil zuwider ist! Nur dadurch kann die maßlose und aber­gläubische Angst, die wir zuweilen gegenüber Gefahren empfinden, gemäßigt und ge­stillt werden. Ich sagte, es sei abergläubisch, wenn wir Angst haben, wenn wir, so­oft uns Geschöpfe bedrohen oder Furcht einflößen, alsbald erschrecken, als ob sie aus sich selber Kraft oder Macht hätten, uns zu schaden, oder von selbst oder aus Zu­fall uns verletzen könnten, oder als ob gegen ihre Anfeindungen nicht Hilfe genug bei Gott wäre! So gebietet zum Beispiel der Prophet, die Kinder Gottes sollten sich nicht vor den Sternen und den Zeichen am Himmel fürchten, wie das die Ungläu­bigen tun (Jer. 10,2). Damit verdammt er gewiss nicht etwa jede Furcht. Aber wenn die Ungläubigen die Leitung der Welt Gott nehmen und den Gestirnen bei­legen und sich einbilden, ihr Glück und Unglück hänge von Bestimmung oder Vor­bedeutung der Gestirne und nicht von Gottes Willen ab, dann wird eben ihre Furcht von dem Einen, auf den sie schauen sollten, zu den Sternen und Kometen ab­gelenkt, wer sich vor solchem Unglauben hüten will, der soll sich stets vorhalten, daß die Geschöpfe keinerlei ungeordnete Macht, Wirksamkeit oder Bewegung in sich tragen, sondern daß sie aus Gottes geheimem Rat so regiert werden, daß nichts ge­schieht, was nicht nach seinem Wissen und Willen beschlossen wäre.

24
Jan

Es gibt keinen Zufall (Institutio 1-16-02)

   Posted by: Didier Tags:

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Zusammenfassung

  1. der „fleischliche“ oder „weltliche“ Verstand aller Zeitepochen hat Geschehnisse immer dem Zufall zugeschrieben und somit Gottes Vorsehung verdunkelt
  2. doch der Glaube, wenn auf der Bibel gegründet ist, weiss, dass alles nach Gottes Willen geschieht
    1. Ereignisse
    2. leblose Gegenstände, die sich nach den Naturgesetzen verhalten, aber immer noch unter Gottes Führung stehen
  3. die Sonne in all ihrer Kraft und Pracht steht unter Gottes Macht (Anmerkung: für Calvin korrigiert die Bibel unsere Wahrnehmung der Natur)

Text

Damit dieser Gegensatz noch deutlicher werde, müssen wir wissen, daß Gottes Vorsehung, wie sie in der Schrift gelehrt wird, im Gegensatz zu jedem Gedanken an „Glück“ und „Zufall“ steht. Man hat zwar schon zu allen Zeiten allgemein ge­wähnt, und auch heutzutage herrscht fast unter allen Sterblichen die Meinung, es geschehe alles „zufällig“. Aber durch eine derartige verkehrte Meinung wird ganz gewiss das, was man von der Vorsehung wissen muß, vernebelt und fast gar begra­ben. Da fällt einer unter die Räuber oder in die Gewalt wilder Tiere, da führt ein plötzlicher Sturm zum Schiffbruch auf dem Meer, da wird einer unter den Trüm­mern eines Hauses oder unter einem umbrechenden Baum erschlagen, – da findet ein anderer, der durch die Wüste geirrt, doch noch etwas, um seinen Hunger zu stillen, oder ein Schiffbrüchiger erreicht den Hafen, oder es entgeht einer um Fingersbreite wunderbar dem Tode: all diese glücklichen oder unglücklichen Ereig­nisse schiebt die Vernunft des Fleisches dem Zufall zu! Wer aber aus Christi Mund gelehrt ist, daß auch die Haare auf unserem Haupte alle gezählt sind, der sieht den Grund tiefer und hält daran fest, daß alles Geschehen durch Gottes verborgenen Rat regiert wird! Bei den leblosen Dingen müssen wir uns das so vorstellen: jedes hat gewiss von Natur seine Eigenart in sich; aber keines kann seine Kraft wirken lassen, wenn es nicht durch Gottes gegenwärtige Hand gelenkt wird. Sie sind also nichts anderes als Werkzeuge, denen Gott mit Bedacht soviel Kraft bescheidet, wie er will, und die er nach seinem Ermessen zu dieser oder jener Wirksamkeit lenkt und leitet. So hat kein Geschöpf eine wundersamere und herrlichere Kraft als die Sonne. Ab­gesehen noch davon, daß sie den ganzen Erdkreis mit ihrem Glanz erhellt: wie großartig ist es doch, daß sie mit ihrer Wärme alles Lebendige erhält und belebt, mit ihren Strahlen die Erde fruchtbar macht, den Samen im Schoß der Erde erwärmt, dann das Grün aus ihm hervorlockt, ihn mit neuer Nahrung erquickt, nährt und stärkt, bis er zum Halm erwächst, ihn weiterhin immerzu mit Tau speist, bis er zur Blüte und dann zur Frucht wird, diese dann wieder unter ihrer Hitze reifen läßt – daß die Bäume und Weinstöcke unter ihrer Wärme knospen und Laub tragen, blühen und Frucht bringen! Aber der Herr hat, damit ihm allein der rechte Lobpreis für das alles zukomme, dafür gesorgt, daß zuerst das Licht da war und die Erde mit aller Art von Kräutern und Früchten erfüllt wurde – bevor er die Sonne schuf! (Gen. 1,3.11). Deshalb soll der Fromme die Sonne nicht zur Hauptursache oder zum notwendigen Grunde von Dingen machen, die doch schon vor ihrer Erschaffung da waren, sondern er soll sie bloß als Werkzeug ansehen, das Gott braucht, weil er es so will! Denn er kann ja ebenso leicht ohne sie, rein aus sich selber handeln! Und wenn wir lesen, die Sonne habe auf Josuas Gebet hin zwei Tage stillgestan­den (Jos. 10,13), oder ihr Schatten sei dem König Hiskia zugute zehn Grade rück­wärtsgegangen (2. Kön. 20,11), so hat Gott durch diese wenigen Wunder bezeugt: die Sonne geht nicht in blindem Naturtrieb alle Tage auf und unter; nein, er lenkt ihren Lauf, um die Erinnerung an seine väterliche Huld gegen uns immer wie­der zu erneuern! Nichts Natürlicheres gibt es, als daß dem Winter der Frühling, dem Frühling der Sommer, dem Sommer der Herbst folgt. Aber in dieser Auf­einanderfolge besteht eine derartige Verschiedenheit und Ungleichheit, daß daraus leicht deutlich wird, daß die einzelnen Jahre, Monate und Tage je in neuer, beson­derer Vorsehung Gottes geordnet und regiert werden.