Archive for the ‘Buch 1 Kapitel 07’ Category

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Zusammenfassung

  1. Unsere Überzeugung, dass wir in der Heiligen Schrift die unumstössliche Wahrheit haben beruht auf dem Zeugnis des Hl. Geistes in unseren Herzen
  2. „Ich spreche von nichts anderem als jeder Gläubiger in seinem Inneren erfahren hat…“
  3. nur die Auserwählten Gottes haben dieses einzigartige Privileg, und sie, nicht die grosse Masse, bekamen die Fähigkeit, Gottes Mysterien zu begreifen.

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Dabei also soll es bleiben: wer innerlich vom Heiligen Geist gelehrt ist, der verharrt fest bei der Schrift, und diese trägt ihre Beglaubigung in sich selbst; daher ist es nicht angebracht, sie einer Beweisführung und Vernunftgründen zu unter­werfen. Die Gewißheit aber, die sie uns gewinnt, die erlangen wir durch das Zeugnis des Geistes. Gewiß verschafft sich die Schrift ganz von selbst durch ihre eigene Majestät Ehrfurcht, aber sie ergreift uns erst dann recht und ernstlich, wenn sie durch den Geist in unserem Herzen versiegelt ist. Daß die Schrift von Gott kommt, das glauben wir, weil die Kraft des Geistes uns erleuchtet, nicht aber auf Grund des eigenen Urteils oder desjenigen anderer Leute. Es ist ja gerade, als ob wir Gottes eigene Majestät hier erschauten; und deshalb ist unsere Gewißheit unerschütterlich fest, stärker, als sie uns menschliches Urteil verleihen könnte. So halten wir dafür, daß die Schrift zwar durch den Dienst von Menschen, aber tatsächlich doch aus Gottes eigenem Munde zu uns kommt. Nicht Beweisgründe, nicht Wahrscheinlich­keiten suchen wir, um unser Urteil darauf zu gründen, sondern wir unterwerfen unser Urteil und unser Denken dieser völlig aller Frage entzogenen Tatsache. Das geschieht freilich nicht so, wie einige es machen, die zuweilen eine unbekannte Sache mit Eifer annehmen, die ihnen dann doch bei näherer Kenntnis mißfällt, sondern es geschieht darum, weil wir voll und ganz überzeugt sind, es mit der unbestreitbaren Wahrheit zu tun zu haben! Das hat auch nichts mit der Art zu tun, wie elende Menschen dem Aberglauben ihren Geist gefangen geben, sondern wir kommen zu dieser Gewißheit, weil wir empfinden, daß hier die unbezweifelbare Gewalt gött­licher Majestät waltet und wirkt — und diese Kraft zieht und entzündet uns zum Gehorsam, mit Wissen und Willen, aber viel lebendiger und stärker, als alles menschliche Wollen und Wissen!

So ruft der Herr mit vollem Rechte durch Jesaja aus (43,10), die Propheten samt dem Volke seien seine Zeugen; denn sie waren ja durch Weissagungen belehrt und zweifelten nicht daran, daß Gott ohne Trug und Zweideutigkeit zu ihnen geredet habe. Das ist eine Überzeugung, die der Gründe nicht bedarf, das ist ein Wissen, das seinen Grund in sich selber trägt, ja, auf dem das Herz sicherer und beständiger ruht als auf irgendwelchen Gründen; das ist ein Empfinden, das nur aus himmlischer Offenbarung entstehen kann. Ich rede von dem, was jeder einzelne Gläubige bei sich selber erfährt — freilich reichen meine Worte bei weitem nicht hin, um die Sache recht zu beschreiben! Ich übergehe jetzt vieles, weil ich an anderer Stelle auf diese Dinge zurückkommen muß. Für jetzt wollen wir uns dies merken, daß nur der Glaube der rechte ist, den der Heilige Geist in unseren Herzen versiegelt. Der bescheidene Leser, der sich gern sagen läßt, wird sich mit einem Zeugnis als Be­gründung zufrieden geben: nämlich mit der Verheißung des Jesaja, alle Söhne der erneuerten Kirche würden von Gott gelehrt sein (Jes. 54,13). Da würdigt Gott seine Auserwählten allein eines einzigartigen Vorrechtes und unterscheidet sie da­mit von dem ganzen Menschengeschlecht. Denn womit soll die rechte Lehre bei uns ihren Anfang nehmen, als mit der bereitwilligen Freudigkeit, das Wort Gottes zu hören? Gott aber fordert Gehör durch den Mund des Mose, wie geschrieben steht: „Du sollst nicht sprechen in deinem Herzen: wer wird in den Himmel fahren … oder wer wird hinabsteigen in den Abgrund? . . Siehe, das Wort ist in deinem Munde …“ (5. Mose 30,12ff.; hier nur einige Stücke daraus, etwas ungenau angeführt!). Wenn Gott einen solchen Schatz der Weisheit allein für seine Kinder hat bereiten wollen, so ist es nicht verwunderlich oder widersinnig, wenn unter der Masse der Menschen soviel Unwissenheit und Stumpfheit sich zeigt. Unter „Masse“ verstehe ich hier auch die hervorragendsten Menschen, ehe sie in den Leib der Kirche eingefügt sind! Jesaja erklärt an einer Stelle, die prophetische Lehre werde nicht nur den Außenstehenden, sondern auch den Juden, die für Hausgenossen gelten wollten, unverständlich sein, und dann fügt er gleich den Grund dafür bei: „Denn nicht allen wird der Arm des Herrn offenbar“ (Jes. 53,1). Sooft uns die geringe Zahl der Gläubigen wankend machen will, sollen wir uns im Gegenteil vor Augen halten, daß niemand die Geheimnisse Gottes begreifen kann — als die, welchen es gegeben ist.

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Zusammenfassung

  1. wenn wir davon überzeugt sind, dass Gott selbst in der Hl. Schrift gesprochen hat, so haben wir den besten Beweis der Glaubwürdigkeit dieser heiligen Lehre
  2. diese Überzeugung kommt nicht von blossen menschlichen Überlegungen oder Vermutungen, sondern durch das Zeugnis des Heiligen Geistes
  3. nicht rationale Beweise, sonder die Majestät Gottes, die sich in der Schrift offenbart, lehrt uns den himmlischen Ursprung der Bibel
  4. die Bibel durch normale Argumentation beweisen zu wollen, wäre einen Schritt zurück zu machen, auch wenn Skeptiker von uns solche Beweise verlangen, denn das Zeugnis des Geistes ist erhabener als alle Vernunft
  5. die Schrift wird nie eine Aufnahme ins menschliche Herz finden, wenn nicht der Heilige Geist in den Herzen der Menschen wirkt, denn es war dieser Geist, der durch die Propheten redete.

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Wir wollen also festhalten, was ich oben ausführte: die Glaubwürdigkeit der Lehre kann nicht eher Bestand gewinnen, als bis wir ohne Zweifel überzeugt sind, daß ihr Urheber Gott ist. Deshalb wird durchweg die höchste Beglaubigung der Schrift darin gesehen, daß hier Gott in Person redet. Die Propheten und Apostel führen nicht ihren Scharfsinn für sich an oder was sonst den Rednern Glauben verschaffen mag, sie bestehen auch nicht auf Vernunftgründen, sondern sie nennen Gottes heiligen Namen, durch den die ganze Welt zum Gehorsam genötigt wird. Jetzt wollen wir zusehen, wie es nicht bloß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, sondern mit lauterer Wahrheit offenbar ist, daß ihre Berufung auf Gottes Namen weder Leichtsinn noch Trug war. Wollen wir nun dem Gewissen aufs beste raten, um es davor zu bewahren, in stetem Zweifel zu schwanken oder zu wanken oder bei den geringsten Anstößen hängenzubleiben, so muß solche Festigkeit der Über­zeugung an höherer Stelle begründet sein als in menschlichen Vernunftgründen, Urteilen oder Mutmaßungen, nämlich im geheimen Zeugnis des Heiligen Geistes. Es ist freilich wahr: wollte man sich mit der Beweisführung abgeben, so ließe sich gewiß vieles anführen, das leicht davon überzeugen könnte, daß das Gesetz, die Propheten und das Evangelium von Gott ausgegangen sind — wenn überhaupt ein Gott im Himmel ist. Mögen die gelehrtesten und urteilsfähigsten Männer da­gegen auftreten und all ihren Scharfsinn in diesem Streite aufbieten und entwickeln — sie müssen dennoch, wenn sie sich nicht bis zum verderblichsten Eigensinn verstocken, notgedrungen zu dem Eingeständnis kommen: es sind in der Schrift hand­greifliche Zeichen zu sehen, daß da Gott redet, und daraus ist deutlich, daß ihre Lehre vom Himmel ist. Wir werden auch bald sehen, daß alle Bücher der Heiligen Schrift bei weitem höher stehen als alle anderen Bücher. Ja, wenn wir reine Augen und lautere Sinne mitbringen, so wird uns Gottes Majestät alsbald entgegentreten, sie wird uns allen verwegenen Widerstand unmöglich machen und uns Gehorsam abnötigen.

Dennoch ist es Torheit, wenn man meint, der Schrift auf dem Wege des Disputierens ihre Glaubwürdigkeit sichern zu können. Wenn ich auch für meine Person nicht über eine besondere Gewandtheit und Beredsamkeit verfüge, so würde ich mich wohl anheischig machen, selbst im Kampfe mit den verschlagensten Gottes­verächtern, die all ihren Fleiß und Witz aufböten, um das Ansehen der Schrift wankend zu machen, ihr widerspenstiges Geschrei unschwer zum Schweigen zu bringen. Und wenn es der Mühe verlohnte, ihre Witzeleien zu widerlegen, so würde ich ohne große Anstrengung ihr Geprahle, das sie in ihren Winkeln treiben, zunichte­machen. Aber wenn einer auch das heilige Wort Gottes gegen die Schmähungen der Menschen verteidigt, so wird er dadurch keineswegs bereits die Gewißheit in den Herzen einpflanzen, welche die Frömmigkeit erfordert. Weil die gottlosen Menschen meinen, die Religion bestehe auf Menschengedanken, so wünschen und verlangen sie, um den Schein törichter Leichtgläubigkeit zu meiden, vernünftige Beweise dafür, daß Mose und die Propheten in Gottes Auftrag geredet haben. Ich aber entgegne: das Zeugnis des Heiligen Geistes ist besser als alle Beweise. Denn wie Gott selbst in seinem Wort der einzige vollgültige Zeuge von sich selber ist, so wird auch dies Wort nicht eher im Menschenherzen Glauben finden, als bis es vom inneren Zeugnis des Heiligen Geistes versiegelt worden ist. Denn derselbe Geist, der durch den Mund der Propheten gesprochen hat, der muß in unser Herz dringen, um uns die Gewißheit zu schenken, daß sie treulich verkündet haben, was ihnen von Gott aufgetragen war. Diese wechselseitige Verbindung drückt Jesaja sehr gut folgendermaßen aus: „Mein Geist, der in dir ist, und die Worte, die ich dir in deinen Mund gelegt habe, sollen von deinem Munde nicht weichen, noch von dem Munde deines Samens…. von nun an bis in Ewigkeit“ (Jes. 59,21; Calvin übersetzt etwas anders). Es bekümmert auch manche Fromme, daß keine klare Beweisführung zur Hand ist, wenn die Gott­losen ungestraft gegen Gottes Wort murren. Aber eben deshalb wird doch der Geist Siegel und Unterpfand zur Befestigung des Glaubens genannt, weil das Herz von allerlei Zweifel umgetrieben wird, solange er es nicht erleuchtet hat!

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Zusammenfassung

  1. Die Aussage von Augustinus , dass er nicht an das Evangelium glauben könnte, wenn er nicht durch die Autorität der Kirche dazu bewegt gewesen wäre, muss im seinem Kontext verstanden werden
    1. er widerlegt hier die Manichäer, die das Wort „Evangelium“ missbrauchten, um damit die Lehren Mani’s zu verbreiten
    2. was bringt Ungläubige dazu, an das Evangelium zu glauben? Die Kirche durch ihre Autorität macht Ungläubige mit dem Evangelium bekannt, doch die Gewissheit des Evangeliums hängt nicht von der Kirche ab
  2. anders gesagt: die Autorität der Kirche dient als eine Einführung durch die wir zum Glauben an Christus vorbereitet werden. Dies ist die Auslegung von Augustinus  Aussage, die man in seinen anderen Schrift finden kann.

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Ich weiß wohl, daß man hier nun allgemein einen Ausspruch Augustins anführt, der gesagt hat, er würde dem Evangelium nicht Glauben schenken, wenn ihn die Autorität der Kirche nicht dazu bewegte. (Gegen den Grundbrief der Manichäer, Kap. 5). Es ist aber aus dem Zusammenhang sehr leicht zu erweisen, wie verkehrt und trügerisch man diese Stelle auslegt, wenn man ihr die oben ausgeführte Meinung unterschiebt. Augustin hatte es mit den Manichäern zu tun, welche wider­spruchslosen Glauben für sich verlangten, weil sie behaupteten, die Wahrheit zu besitzen. Einen Beweis dafür blieben sie jedoch schuldig. Um ihrem Manichäus (Mani) die Glaubwürdigkeit zu sichern, beriefen sie sich auf das Evangelium. Und deshalb fragt sie nun Augustin, was sie denn machen wollten, wenn ihnen einmal jemand begegnete, der nicht einmal an das Evangelium glaube, auf welche Art sie denn den zu ihrer Anschauung führen wollten! Und dann fährt er fort: „Ich meiner­seits würde dem Evangelium gar nicht glauben, wenn …“. Damit will er sagen: als ich vom Glauben noch nichts wußte, konnte ich nur dadurch zur Anerkennung und Annahme des Evangeliums als gewisser Wahrheit Gottes kommen, daß ich von der Autorität der Kirche überwunden wurde! Was ist auch daran Verwunder­liches, daß jemand, der Christus noch gar nicht kennt, auf Menschen achtet? Deshalb lehrt Augustin hier nicht, der Glaube der Frommen sei auf die Autorität der Kirche gegründet, er will auch nicht sagen, die Gewißheit des Evangeliums hänge davon ab. Er behauptet bloß, daß die Ungläubigen nicht zur Gewißheit des Evan­geliums kommen und dadurch für Christus gewonnen würden, wenn sie nicht die einhellige Überzeugung der Kirche in diese Richtung wiese. Das bestätigt er kurz darauf, wenn er sagt: „Wenn ich lobe, was ich glaube, und verlache, was du glaubst, was ist dann über uns zu sagen, was sollen wir dann tun? Bleibt uns etwas anderes, als die zu verlassen, die uns zuerst einladen, Gewisses zu erkennen — und dann doch gebieten, Ungewisses zu glauben? Müssen wir uns nicht statt dessen denen zuwenden, die uns zuerst einladen, zu glauben, was wir noch nicht zu schauen ver­mögen, damit wir, durch den Glauben selbst kräftiger geworden, dann auch ge­würdigt werden, zu erkennen, was wir glauben, da wir es ja nun nicht mehr mit Menschen zu tun haben, sondern Gott selbst unsern Geist innerlich festigt und erleuchtet?“ (Im gleichen Buche, Kap. 14). Das sind tatsächlich Augustins Worte; daraus kann sich nun jeder das Urteil bilden, daß der heilige Mann nicht die Absicht gehabt hat, unseren Glauben gegenüber der Schrift von der Meinung und dem Gutdünken der Kirche abhängig zu machen. Er wollte bloß zeigen, was auch wir als wahr anerkennen, nämlich daß die, welche vom Geiste Gottes noch nicht erleuchtet sind, von der Achtung vor der Kirche zum Aufmerken bewogen werden, um den Glauben an Christus aus dem Evangelium zu lernen. Die Autorität der Kirche ist insofern eine Einführung, durch die wir zum Glauben an das Evangelium vor­bereitet werden. Denn die (eigentliche) Gewißheit der Frommen will, wie wir sahen, auf einem ganz anderen Fundament ruhen. Ich leugne übrigens nicht, daß Augustin häufig den Manichaern mit dem einhelligen Zeugnis der Kirche zusetzt. Das tut er dann, wenn er die Heilige Schrift, welche sie verwarfen, ihnen gegenüber ver­teidigen will. Daher schilt er den Faustus, daß er sich der Wahrheit des Evan­geliums (veritas evangelica) nicht unterwirft, die doch so gegründet, so gefestigt, mit soviel Herrlichkeit gekrönt sei und sich seit der Zeit der Apostel in fester Folge fortpflanze. Aber nirgendwo gibt er seinen Worten den Sinn, als ob die Autorität, die wir der Schrift beimessen, von menschlicher Lehrsatzung oder Bestimmung ab­hinge. Er führt nur, was in dieser Sache viel bedeutete, das einhellige Urteil der Kirche an, mit welchem er den Gegnern überlegen war. Sucht jemand hierfür einen weiteren Beweis, so möge er sein Buch „Vom Nutzen des Glaubens“ lesen. Dort wird er finden, daß er solcher Unterweisung durch Menschen nicht etwa die Mög­lichkeit zuschreibt, den Glauben zu erleichtern, sondern in ihr bloß einen Zugang sieht, der uns bereitet ist, oder einen willkommenen Anfang der Nachforschung, wie er sich selber ausdrückt. Nicht aber darf man es nach ihm bei der bloßen Annahme bewenden lassen, sondern man muß sich auf gewisse und zuverlässige Wahrheit stützen.

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Zusammenfassung

  1. Epheserbrief 2:20
  2. die Behauptung, dass die prophetischen und apostolischen Schriften bezweifelt wurden, bis die Kirche sich als authentisch bescheinigt hat, wird dadurch widerlegt, dass die einzelne Bücher der Schrift schon vor der Gründung der Kirche als von Gott kommend angesehen wurde
  3. Die Bibel spricht klar über sich und die Wahrheit, die sie beinhaltet. Sie braucht keine externe Bescheinigung.

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Aber solche Spitzfindigkeiten widerlegt ein einziges Wort des Apostels. Er be­zeugt, daß die Kirche erbaut ist auf dem Grunde der Propheten und Apostel (Eph. 2,20). Wenn nun die Lehre der Propheten und Apostel das Fundament der Kirche ist, so muß sie schon eher Autorität haben, als die Kirche überhaupt da ist. Nichtig ist auch der törichte Einwand, es sei, obwohl die Kirche ihren Ausgang von dieser Lehre genommen habe, doch immer noch ungewiß, welche Schriften denn nun den Propheten und Aposteln zuzuschreiben wären, wenn nicht hier das Urteil der Kirche eintrete. Denn wenn die christliche Kirche im Anfang auf die Schriften der Propheten und die Botschaft der Apostel gegründet wurde, so ging die Anerkennung dieser Lehre, ohne welche die Kirche nie entstanden wäre, doch sicherlich dem Dasein der Kirche vorauf. Deshalb ist es leere Menschensatzung, wenn man sagt, die Vollmacht zur Beurteilung der Schrift liege bei der Kirche, so daß von ihrer Zustimmung die Gewißheit der Schrift abhinge. Denn wenn es zu solcher Anerkennung (durch die Kirche) kommt, so bedeutet das nicht, daß die Kirche die Schrift, als wäre sie zuvor zweifelhaft und strittig, erst glaubwürdig mache. Es geschieht doch im Gegenteil, weil die Kirche hier die Wahrheit ihres Gottes erkennt und ihr deshalb, wie es Pflicht der Frömmigkeit ist, unbedenklich Verehrung entgegenbringt! Wenn man daher fragt: „Woher sollen wir denn die Überzeugung haben, die Schrift komme von Gott her zu uns, wenn wir nicht zum Urteil der Kirche unsere Zuflucht neh­men?“, so ist das genau so, als wenn jemand fragte: „Woher sollen wir denn Licht und Finsternis, Weiß und Schwarz, Süß und Bitter unterscheiden lernen?“ Denn die Wahrheit der Schrift erweist sich ganz von selbst und ist darum nicht weniger deutlich als die Farbe an einem weißen oder schwarzen, der Geschmack an einem süßen oder bitteren Ding!

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Zusammenfassung

  1. Die Bibel hat volle Autorität nur wo Menschen sie als Gottes lebendiges Wort vom Himmel anerkennen
  2. es ist ein schwerer Fehler zu glauben, dass die Autorität der Bibel auf dem Zeugnis der Kirche (in diesem Falle der röm. kat. Kirche) beruht
  3. dies begründet sich auf der falschen Vorstellung, dass die Verheissungen vom ewigen Leben in der Hl. Schrift von menschlicher Urteilskraft abhängen wären.

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Bevor wir weitergehen, muß zunächst noch einiges über die Autorität der Hei­ligen Schrift eingefügt werden. Diese Feststellungen sollen der Ehrfurcht vor der Schrift dienen und auch jeden Zweifel beseitigen. Ist es einmal anerkannt, daß es sich um Gottes eigenes Wort handelt, so wird keiner so vermessen, ja geradezu des Menschenverstandes und gar alles menschlichen Sinnes beraubt sein, daß er dem, der da redet, den Glauben weigern möchte. Nun ergehen aber nicht alle Tage Offen­barungsworte vom Himmel, und es hat Gott gefallen, allein in der Schrift seine Wahrheit zu stetem Gedächtnis zu erhalten. Deshalb kann die Bibel nur dann den Gläubigen gegenüber volle Autorität erlangen, wenn sie gewiß wissen, daß sie vom Himmel herab zu ihnen kommt, als ob Gottes eigene Stimme hier lebendig ver­nommen würde. Die Sache ist wahrlich wert, ausführlicher behandelt und genauer erwogen zu werden. Trotzdem müssen die Leser entschuldigen, wenn ich mehr auf den Umfang der Behandlung achte, den die Aufgabe des vorliegenden Werkes erträgt, als auf den, der durch die Bedeutung der Sache erfordert wäre.

Indessen hat sich bei vielen der verderbliche Irrtum eingeschlichen, die Schrift habe nur soviel Gewicht, als ihr das Gutdünken der Kirche zugestehe. Als ob Gottes ewige und unverletzliche Wahrheit auf menschliche Meinung gegründet wäre! Man spottet dabei des Heiligen Geistes und fragt: „Wer verbürgt uns, daß diese Schrif­ten von Gott stammen? Und wer versichert uns, daß sie heil und unversehrt bis in unsere Zeit übergekommen sind? Wer soll uns überzeugen, daß das eine Buch in Ehrfurcht anzunehmen, das andere auszuschließen sei? Wer — wenn nicht die Kirche für alle diese Dinge eine klare Regel vorschriebe?“ „Also“ — so sagt man weiter — „hängt es von der kirchlichen Bestimmung ab, welche Verehrung der Schrift zukommt und welche Bücher ihr überhaupt zuzurechnen sind!“ So machen sich diese Menschen, die Gott die Ehre rauben, bei ihrem Versuch, unter dem Vorwand der Kirche zügellose Tyrannei einzuführen, gar keine Sorge darüber, in was für Wider­sinnigkeit sie sich und andere verwickeln — wenn sie nur einfältigen Leuten die Meinung aufdringen, die Kirche hätte Vollmacht zu allem! Was soll aber aus den armen Gewissen werden, die eine feste Gewißheit des ewigen Lebens suchen, wenn alle Verheißungen, die darüber bestehen, allein auf Menschenurteil beruhen? Werden sie über solcher Antwort etwa zu zittern aufhören? Wie wird anderseits der Glaube dem Gespött der Gottlosen preisgegeben und bei allen verdächtig gemacht, wenn man annimmt, er müsse seine Autorität vom Menschen leihen!