Archive for the ‘Buch 1 Kapitel 17’ Category

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Zusammenfassung

  1. die Beispiele von Jona in Ninive und von König Hiskia veranschaulichen nicht Veränderungen in Gottes Plan, sondern Gottes Drohungen, auf dass die Menschen umkehren und somit seinen Willen folgen und seinen Beschlüsse ausführen.
  2. dies kann auch am Beispiel des Abrahams und des Königs Abimelech gesehen werden

Text

Wenn nun die heilige Erzählung (sacra historia) berichtet, wie den Niniviten der bereits verkündete Untergang erlassen (Jona 3,10) und dem Hiskia sein Leben trotz erfolgter Ankündigung des Todes noch einmal verlängert worden sei (Jes. 38,5), so behauptet sie damit nicht, Gottes Beschlüsse seien aufgehoben worden. Wer das meint, der macht sich Wahnvorstellungen von diesen Drohungen; diese scheinen zwar einfach eine Behauptung zu enthalten, aber der Ausgang zeigt, daß sie trotzdem eine stillschweigende Bedingung in sich tragen. Denn weshalb sandte der Herr den Jona zu den Einwohnern von Ninive, damit er ihnen die Zerstörung der Stadt ankündigte? Weshalb ließ er dem Hiskia durch Jesaja seinen Tod ansagen? Er konnte doch jene und auch diesen zugrunde richten, ohne das Unheil anzukündigen! Er hatte also etwas anderes im Auge, als daß diese Menschen von ihrem Tod zuvor wüssten und ihn dann von ferne kommen sahen. Er wollte eben, daß sie nicht zugrunde gingen, sondern sich besserten, um dem Untergang zu entrinnen! Wenn also Jona weissagt, die Stadt Ninive werde nach vierzig Tagen zerstört werden, so geschieht das, damit sie nicht untergehe! Wenn dem Hiskia die Hoffnung auf ein weiteres Leben abgeschnitten wird, so geschieht das, damit er ein weiteres Leben erlange! Wer sieht denn nicht, daß der Herr durch solche Drohungen die Menschen, die er schreckte, zur Reue erwecken wollte, damit sie dem Gericht entgingen, das sie mit ihren Sünden verdient hatten! Wenn es sich so verhält, dann führt uns die Sache selbst dazu, aus der einfachen Ankündigung eine stillschwei­gende Bedingung herauszuhören. Das wird denn auch durch ähnliche Beispiele be­stätigt. So wirft der Herr dem Könige Abimelech vor, er habe dem Abraham sein Weib genommen, und braucht dabei die Worte: „Du bist des Todes um des Weibes willen, das du genommen hast; denn sie ist eines Mannes Eheweib“ (Gen. 20,3). Nachdem er sich nun aber entschuldigt hat, sagt Gott zu ihm: „Gib dem Manne sein Weib wieder; denn er ist ein Prophet, und lass ihn für dich bitten, so wirst du leben­dig bleiben, wo du sie aber nicht wiedergibst, so wisse, daß du des Todes sterben mußt und alles, was dein ist“ (Gen. 20,7). Da sieht man, wie er in dem ersten Worte sein Herz heftig erschüttert, um ihn zur Genugtuung bereit zu machen, aber dann in dem zweiten seinen Willen klar ausspricht! Mit anderen Stellen verhält es sich ebenso, und deshalb darf man nun nicht meinen, es sei dem früheren Ratschlüsse des Herrn etwas entzogen, da er nicht durchführte, was er angekündigt hatte. Nein, der Herr bahnt vielmehr seiner ewigen Anordnung den Weg, wenn er durch An­drohung von Strafe Menschen zur Reue antreibt, die er verschonen will, und zwar, ohne daß er an seinem Willen oder auch nur an seinem Worte etwas änderte, nur daß er nicht gerade buchstäblich ausdrückt, was doch ganz klar zu begreifen ist. So muß denn doch das Wort des Jesaja wahr bleiben: „Der Herr der Heerscharen hat es beschlossen, und wer will es wehren? Seine Hand ist ausgestreckt, und wer will sie wenden?“ (Jes. 14,27).

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Zusammenfassung

  1. auf Grund unserer Begrenztheit und Schwachheit unseres Verstandes können wir nicht begreifen, was Gott an sich ist
  2. daher offenbart Gott sich uns nicht wie er an sich ist, sondern wie er uns sich zu offenbaren geben will
  3. Gefühle, Umkehr und ähnliche menschliche Eigenschaften, die Reue erfordern, sollte Gott nicht angedichtet werden, der doch über allem steht; jedoch dem Mensch, der mit sich nicht zufrieden ist.
  4. daher bleibt Gottes Plan in alle Ewigkeit unveränderlich.

Text

Was bedeutet nun also der Ausdruck „Reue“? Sicherlich nichts anderes als all die anderen Redeformen, die uns Gott nach Menschenweise beschreiben. Weil nämlich unsere Schwachheit nicht zu seiner Höhe empordringt, so muß die Beschreibung sei­nes Wesens, die uns zuteil wird, unserer Fassungskraft angepasst sein, um von uns begriffen zu werden. Das geschieht aber so, daß er sich uns darstellt, nicht wie er an sich selber ist, sondern wie er von uns erfahren wird. So ist er frei von aller inne­ren Erschütterung durch Leidenschaft – und bezeugt doch, daß er den Sündern zürnt! Wenn wir also hören, daß Gott zürnt, so müssen wir uns dabei nicht eine Erregung in ihm selber vorstellen; wir müssen vielmehr bedenken, daß diese Redeweise aus un­serer Erfahrung genommen ist, weil uns ja Gott dem Anschein nach als Entrüsteter und Zorniger begegnet, sooft er sein Gericht vollzieht. So dürfen wir auch unter dem Wort „Reue“ nichts anderes verstehen als eine Abänderung seiner Werke und Taten; denn die Menschen bezeugen ja, indem sie ihre Taten abändern, daß sie ihnen missfallen. Jede Abänderung ist unter Menschen die Verbesserung einer Sache, die Missfallen erregt; diese Verbesserung aber kommt aus Reue; und so will der Ausdruck „Reue“ besagen: Gott ändert etwas an seinen Werken! Unterdessen aber wird weder sein Ratschluss noch sein Wille verändert, noch seine Neigung (affectus) verwandelt; sondern was er von Ewigkeit her vorgesehen, für richtig befunden und beschlossen hat, das führt er in stetem Gleichmaße durch, so jähen Wechsel der Mensch auch vor Augen haben mag!

12
Feb

Von der „Reue“ Gottes (Institutio 1-17-12)

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Zusammenfassung

  1. die „Gotte reute es“ Stellen im Alten Testament lassen einige folgern, dass Gott nicht durch ewige Beschlüsse die Menschengeschicke bestimmt hat, sondern das als gut und gerecht erachtet, was sich an jenem Moment ereignet.
  2. Gott wird nicht nur der Reue beschuldigt, sondern auch der Unwissenheit, des Fehlers oder der Ohnmacht
  3. einige Bibelstellen, die von Gottes Reue sprechen, handeln auch von seiner Unveränderlichkeit jenseits aller Reue

Text

Über die Vorsehung Gottes ist damit an sich genug gesagt. Freilich nur soviel, wie es zur sicheren Unterweisung und zum Trost der Gläubigen von Nutzen ist; denn, um die Neugier eitler Menschen zu befriedigen, kann nichts ausreichen, und es ist auch nicht einmal zu wünschen, daß es geschähe! – Aber es gibt einige wenige Stel­len, die den Eindruck zu erwecken scheinen, der Ratschluss Gottes sei – gegen das, was wir oben ausführten – doch nicht beständig fest und unabänderlich, sondern entsprechend den Verhältnissen untergeordneter Dinge veränderlich. Da wird zunächst zuweilen die Reue Gottes erwähnt. So hat es ihn „gereut, daß er den Menschen gemacht hatte“ (Gen. 6,6), daß er Saul zur Königsherrschaft erhoben hatte (1. Sam. 15,11). Oder es reute ihn das Übel, das er seinem Volke zuzufügen beschlossen, sobald er bei ihm irgendwelche Umkehr gewahrte (Jer. 18,8). Ferner hören wir gelegentlich, wie er seine Beschlüsse ändert. So hatte er durch Jona den Niniviten angedroht, Ninive werde nach Ablauf von vierzig Tagen zugrunde gehen, ließ sich aber alsbald durch deren Buße zu einem milderen Spruch bewegen (Jona 3,4.10). So hatte er dem Hiskia durch den Mund des Jesaja den Tod ankündigen las­sen; aber des Königs Tränen und Gebete bewogen ihn dann doch, den Tod hinaus­zuschieben (Jes. 38,1.5; 2. Kön. 20,1.5).

Von hier aus schließen nun manche, Gott habe gar nicht in ewigem Beschluss die menschlichen Geschicke bestimmt, sondern er entscheide nach eines jeden Verdienst, oder je, wie er es für billig und gerecht hält, über die einzelnen Jahre, Tage und Stun­den bald so, bald anders!

Was die Reue betrifft, so kann diese Gott ebenso wenig beigelegt werden wie etwa die Unwissenheit, der Irrtum oder die Machtlosigkeit. Denn es begibt sich keiner mit Wissen und Wollen in die Notwendigkeit, eine Sache zu bereuen; wir könnten also Gott die Reue nicht beimessen, ohne zugleich zu sagen, er wisse die Zukunft nicht, oder er könne ihr nicht entgehen, oder er stürze sich aufs Geratewohl und unbedacht in einen Beschluss hinein, der ihn gleich darauf reue. Das aber liegt vom Sinn des Heiligen Geistes soweit ab, daß dieser gerade in einem Zusammenhang, wo solche „Reue“ Gottes erwähnt wird (1. Sam. 15,11!), doch leugnet, Gott könne sich von der Reue leiten lassen, weil er doch nicht ein Mensch ist, den etwas gereue (1. Sam. 15,29). Es ist da zu beachten, wie in dem gleichen Kapitel beide Aus­sagen so verbunden sind, daß wir merken, wie hier ein Vergleich vorliegt, der den Anschein des Widerspruchs ausgezeichnet behebt. Es ist eine bildliche Darstellung der eingetretenen Veränderung, wenn wir hören, daß es Gott „reue“, den Saul zum Kö­nig gemacht zu haben. Gleich darauf heißt es dann auch: „Der Starke in Israel lügt nicht, und ihn bringt nicht Reue von seinem Weg; denn er ist kein Mensch, daß ihn etwas gereue.“ In diesen Worten wird offen, ohne Bild, Gottes Unveränderlichkeit behauptet. So ist also Gottes Anordnung in der Leitung der Menschengeschicke gewiss dauernd und über alle Reue erhaben. Und damit seine Beständigkeit außer Zweifel stehe, wurden selbst seine Feinde gezwungen, sie zu bezeugen. Denn Bileam mußte, obwohl wider Willen, in die Worte ausbrechen: „Denn Gott ist nicht ein Mensch, daß er lüge, noch eines Menschen Kind, daß er sich wandle. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?“ (Num. 23,19; nicht ganz Luthertext).

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Zusammenfassung

  1. die göttliche Vorsehung befreit uns von Furcht und Angst und gibt uns Trost und Zuversicht
  2. die Vorsehung lehrt uns, dass selbst der Teufel und seine Engel sich Gottes Macht nicht entziehen können (Beispiele in der Bibel)
  3. Unwissenheit der Vorsehung ist der Gipfel des Elendes; die Kenntnis der Vorsehung ist die höchste Seligkeit

Text

Aber sobald das Licht der göttlichen Vorsehung einem frommen Menschen auf­geht, wird er nicht nur von jener furchtbarsten Not und Furcht, die ihn zuvor drückte, sondern von aller Sorge befreit und erlöst. Denn wie er mit Recht vor dem „Zufall“ Schauder empfindet, so wagt er sich nun Gott in Gewissheit anzuver­trauen. Das ist eben, sage ich, der Trost, daß er erkennt: der himmlische Vater hält mit seiner Macht alles zusammen, regiert alles mit seinem Befehl und Wink, ordnet alles mit seiner Weisheit, so daß nichts vorfällt ohne seine Bestimmung. Das ist der Trost, daß der Glaubende, seinem Schutz übergeben, der Fürsorge der Engel an­vertraut, nun weiß: kein Schaden von Wasser, Feuer oder Schwert kann ihn an­tasten, als nur soweit es Gott, der im Regimente sitzt, gefallen hat, ihnen Raum zu geben. So singt doch der Psalm: „Er errettet dich vom Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zu­versicht wird sein unter seinen Flügeln; seine Wahrheit ist Schirm und Schild, daß du nicht erschrecken mögest vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Ta­ges fliegen, vor der Pestilenz, die im Finsteren schleicht, vor der Seuche, die am Mittag verderbt“ (Ps. 91,3ff.). Daher haben die Heiligen solche frohlockende Zu­versicht: „Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht, was können mir Men­schen tun? Der Herr ist mein Helfer, warum sollte ich zittern? Wenn sich schon ein Heer wider mich legt, wenn ich auch mitten im Schatten des Todes wandle, so will ich doch nicht aufhören, zu hoffen“ (Ps. 118,6; 27,3; 56,5 u.a. St.). Woher haben sie, frage ich, diese unerschütterliche Gewissheit? Daher, daß sie, wo doch dem An­schein nach die Welt vom Zufall bewegt wird, doch wissen, daß der Herr überall am Werk ist, und zuversichtlich glauben, sein Werk werde ihnen heilsam sein! Wird ihr Heil vom Teufel oder von verruchten Menschen bedroht, so mußten sie sogleich zusammensinken, wenn nicht die Erinnerung und der Gedanke an die Vorsehung sie aufrechterhielte. Aber gewaltigen Trost empfangen sie, wenn sie daran denken: der Teufel mit der ganzen Rotte der Gottlosen wird ja von allen Seiten von Gottes Hand wie am Zügel gehalten; er kann deshalb gegen uns gar keine Übeltat beschlie­ßen, noch das Geplante ins Werk setzen, noch mit äußerster Anstrengung auch nur einen Finger rühren, um es durchzuführen, sofern Gott es nicht erlaubt, ja soweit er es ihm nicht aufgetragen hat; er liegt ja in seinen Banden gefesselt, wird mit dem Zaum gezwungen, ihm Gehorsam zu leisten! Denn wie es bei dem Herrn steht, der Wut der Feinde Waffen zu geben, sie zu wenden und zu lenken, wohin er will, so setzt er auch Maß und Ziel, damit sie nicht nach ihrer Lust ungebändigt losbrechen! Auf dieser Gewissheit beruht es, wenn Paulus von einer Reise an der einen Stelle sagt, sie sei vom Satan verhindert worden, und an der anderen, sie sei von Gottes Zulassung abhängig (1. Thess. 2,18; 1. Kor. 16,7). Hätte er bloß geschrie­ben, das Hindernis sei vom Satan gewesen, so hätte er scheinbar dem Satan zuviel Macht beigemessen, als ob es gar in dessen Hand stünde, Gottes Pläne zunichte zu machen; nun aber stellt er fest, daß Gott der Herrscher ist, von dessen Zulassung alle Wege abhängen, und zeigt damit: der Satan kann nur auf seinen Wink etwas erreichen, was er auch ins Werk setzen mag! Ebenso denkt David, wenn er sich an­gesichts der vielerlei Wechselfälle, von denen das Menschenleben immerzu gewendet und wie ein Rad gedreht wird, sich auf diese Zuflucht zurückzieht: „Meine Zeiten stehn in deinen Händen“ (Ps. 31,16). Er konnte gewiss auch „Lebenslauf“ sagen oder „Zeit“ in der Einzahl setzen; aber mit dem Ausdruck „Zeiten“ wollte er zeigen, daß, wie unbeständig auch die Lage des Menschen sei, aller Wechsel, der vorkommen mag, doch von Gott her gelenkt wird. Deshalb werden auch Rezin und der König von Israel, die mit ihren zur Vernichtung Judas verbundenen Streitkräften wie bren­nende Fackeln erschienen, das Land zu verderben und zu verzehren, von dem Propheten rauchende Feuerbrände genannt, die bloß ein wenig Rauch ausstoßen können (Jes. 7,4). So wird gar der Pharao, der doch durch Macht, Stärke und Heeres­größe allen furchtbar war, mit einem Meerungeheuer und sein Heer mit Fischen verglichen (Ez. 29,4). Und Gott kündigt an, er werde den Anführer und das Heer mit der Angel fangen und es ziehen, wohin er wolle. Kurzum, ich will mich nicht länger damit aufhalten; man kann es leicht durchschauen, wenn man es betrachtet: das schlimmste Elend ist es, die Vorsehung nicht zu kennen, das höchste Glück aber, von ihr Kunde zu haben.

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Zusammenfassung

  1. die Gefahr von unzähligen Missgeschicken begegnet uns an allen Ecken, selbst wenn sie nur sehr selten sind, oder wenigstens nicht für alle oder zur gleichen Zeit
  2. was für ein armseliges Leben des Bangens müssten wir ertragen, wenn wir vom blinden Schicksal hin und her geworfen würden.

Text

Hier aber bewährt sich das unbeschreibliche Glück eines frommen Herzens. Un­zählig sind die Übel, die unser menschliches Leben belagern, stets lauert in ihnen der Tod. Wir brauchen nicht über uns hinauszugehen: unser Leib ist ein Nest von tau­send Krankheiten, und wie viel Krankheitsursachen trägt und nährt er in sich! Der Mensch kann sich nicht regen, ohne in vielerlei Gestalt sein Verderben in sich zu tra­gen, und er führt sein Leben sozusagen stets verwoben mit dem Tod! Wie soll man es anders ausdrücken – wo er doch ohne Gefahr weder Frost noch Schweiß erträgt? Und wohin man sich auch wendet: alles, was uns umgibt, ist nicht nur von zweifel­hafter Zuverlässigkeit, sondern steht uns schier mit offener Drohung gegenüber und scheint uns des Todes Nähe anzukündigen. Steige in ein Schiff – und du bist nur einen Schritt vom Tode! Setze dich zu Pferd – am Straucheln eines Fußes hängt dein Leben! Gehe durch die Straßen der Stadt – soviel Ziegel auf den Dächern sind, soviel Gefahren bist du ausgesetzt! Ist eine Waffe in deiner oder deines Freundes Hand – der Schade lauert auf dich! Wie viel wilde Tiere du siehst – sie sind gerüstet, dich zu verderben! Und wenn du dich auch in einen ummauerten Gar­ten einschließen willst, wo nichts als Lieblichkeit dir erscheint – auch da lauert zu­weilen eine Schlange! Immerzu ist dein Haus der Feuersbrunst ausgesetzt, alle Tage kann es dich arm machen, alle Nächte kann es dich erschlagen! Der Acker ist in Ge­fahr vor Hagel, Reif, Dürre und anderem Unwetter – und das bedeutet für dich Mißwachs und Hunger! Ich übergehe Vergiftungen, Heimtücke, Räuberei, offene Gewalt, die uns im eigenen Haus oder auch draußen nachstellen! Müsste nicht unter solchen Ängsten der Mensch ganz elend sein, der sein Lebtag halbtot ist und seinen geängstigten und matten Geist ärmlich und kränklich erhält, als ob immerzu über sei­nem Nacken ein Schwert hinge? Du magst sagen, das alles geschehe immerhin selten oder wenigstens doch nicht immer und nicht allen Leuten, außerdem doch niemals alles zusammen. Das gebe ich zu; aber das Beispiel anderer lehrt uns, daß es auch uns zustoßen kann, und unser Leben macht nicht mehr als das ihrige eine Aus­nahme; deshalb müssen auch wir notwendig Furcht und Schrecken empfinden, es könnte auch uns begegnen! Was ist aber unseliger als solches Zagen? Außerdem würde es doch nicht ohne Verachtung Gottes abgehen, wenn man sagen wollte, er habe den Menschen, das edelste seiner Geschöpfe, den blinden und zufälligen Stößen des Schicksals ausgesetzt! Aber ich wollte ja hier bloß vom Elend des Menschen re­den, wie er es empfinden müßte, wenn er der Herrschaft des Zufalls unterworfen wäre.