--- Calvinismus
Das grundlegende Prinzip des Calvinismus
von Henry Meeter
Calvinismus – Eine einheitliche, all-umfassende Weltanschauung
Die Bedeutung von Johannes Calvin für die Moderne ist anschaulich beschrieben in folgenden Worten: „Das sechzehnten war ein grosses Jahrhundert. Es war das Jahrhundert von Raphael und Michelangelo, von Spenser und Shakespeare, von Erasmus und Rabelais, von Kopernikus und Galileo, von Luther und Calvin. Von allen Persönlichkeiten, die diesem Jahrhundert seine Größe gab, hatte niemand ein so dauerhaftes Erbe wie Calvin.“1
Calvinismus ist die Bezeichnung für die Weltanschauung, die vom Wirken Johannes Calvin beeinflusst wurde. Er gilt als der beste Vertreter dieses theologischen Systems, obwohl er nicht der Urheber der Ideen ist, die es umfasst. Die theologischen Ansichten Calvins, zusammen mit denen der anderen grossen Verfechter der protestantischen Reformation, gelten als eine Wiederentdeckung des Augustinismus, die wiederum nur eine Wiederbelebung der Lehren des Apostels Paulus des ersten Jahrhunderts ist. Aber es war Calvin, der, für die Moderne, als erster eine Darstellung dieser Ansichten in systematischer Form und mit spezifischen Anwendungen gab, die seit seiner Zeit als Calvinismus bekannt ist.
Diese Lehren bilden eine Einheit. Calvinismus ist nicht nur die Gesamtheit der Annahmen, die Summe von Ideen, die von Calvin und den Calvinisten geglaubt werden, sondern sie sind ein organisches Ganzes mit einem grundlegenden Prinzip wie einer gemeinsamen Wurzel. Es ist nicht immer oder unbedingt der Fall, dass die Auffassungen von einer Gruppe eine Einheit bilden. Die Ansichten der römisch-katholischen Kirche vor der Zeit ihres großen Systematikers, Thomas von Aquin (1227-1274), oder offiziell vor dem Konzil zu Trient (1545-1563), bildeten keine Einheit, sondern lagen verstreut zwischen den Erklärungen der Kirchenkonzilen und päpstlichen Dekrete, und enthielten zahlreiche widersprüchliche Elemente. Auch die politischen Ansichten der sozialdemokratischen oder der bürgerlichen Parteien bilden keine Einheit. Allerdings, das System von Johannes Calvin kann für sich eine solche Auszeichnung in Anspruch nehmen.
Calvinismus beschränkt sich nicht auf die Theologie, sondern es ist ein all-umfassendes Gedankensystem, dass sich mit der Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst sowie der Theologie befasst. Es bietet eine Sichtweise des Lebens und des Universums als Ganzes, eine Weltanschauung. In der Tat, es wurde sogar als eines der wenigen grundlegenden Denksysteme angesehen, die jemals den Menschen angeboten wurde. James Orr begrenzt die Anzahl der grundlegenden philosophischen Weltsysteme auf die niedrige Zahl von zwölf, und ist der Auffassung, dass alle anderen philosophischen Systeme nur Kombinationen und Abänderungen jener seien. Abraham Kuyper reduziert die Anzahl der grundlegenden Systeme des Denkens auf vier, von denen Calvinismus eines ist.
Das grundlegende Prinzip des Calvinismus
Jedes einheitliche Gedankensystem wird durch ein Grundprinzip oder Grundsatz bestimmt. Dies gilt auch für den Calvinismus. Angefangen im frühen neunzehnten Jahrhundert begannen Wissenschaftler verschiedener Strömungen, das Genie oder den Geist der kalvinistischer Bewegung zu studieren. 2 Unter diesen gab es Wissenschaftler, die kein Verständnis für die innere organische Einheit des Systems hatten. Sie begnügten sich mit der Entdeckung einiger beherrschenden Merkmale, die, nach ihrer Schätzung, den Calvinismus von anderen Weltanschauungen unterschieden hat. Dementsprechend charakterisieren einige den Calvinismus als ein religiöses System, dem der Geist der Demokratie und der Leidenschaft für die Freiheit eigen ist. Man meinte, dass diese Geisteshaltung unter dem Einfluss der freiheitsliebenden Schweizer entstanden sei. Andere bemerkten die juristischen Aspekte der Bewegung und die Betonung der Autorität, die als entscheidendes Merkmal gehalten wurde, und sie führen dies auf die juristische Ausbildung Calvins zurück. Andere hielten die wunderbare Ordnung und das System als dominierendes Merkmal des Calvinismus. Dieser Umstand wurde auf Calvins französisches Temperament des Geistes zurückgeführt. Wie die bekannten französischen Generäle besaß er die einzigartige Fähigkeit, eine beträchtliche Anzahl von Tatsachen zu beherrschen, zu organisieren und sie in ein umfassendes System zu vereinen. Andere hielten den vollständigen Bruch des Calvinismus mit der Scholastik des Mittelalters als Haupteigenschaft, indem sie Calvin sogar als einen religiösen Liberalen ansahen. Dieses Merkmal wurde auf die humanistische Ausbildung seiner Jugend zurückgeführt.
Während diese Behauptungen ein Körnchen Wahrheit enthalten und auf einige Punkte des Systems verweisen, verdient doch keiner dieser Merkmale das vorherrschende Merkmal der Calvinismus, um so weniger sein grundlegendes Prinzip zu sein. William Hastie bezeichnet solche Behauptungen „eher Vermutungen geistreicher Denker, die nicht ausreichend mit den Bedingungen des Problems vertraut waren, als das sie wissenschaftliche Schlussfolgerungen aus einer vollständigen und erschöpfenden Prüfung der zur Verfügung stehenden Materialen sind.“ 3 Diejenigen, die eine vollständige Untersuchung des Problems machten, würden R . Seeberg zustimmen, dass „dieser humanistisch ausgebildete Franzose vor allem ein evangelischer Christ war, und seine ganze Weltanschauung durch seinen evangelischen Geist bestimmt wurde.“ 4
Das grundlegende Prinzip, wenn es eines gibt, liegt jedoch im Bereich der evangelischen Glaubenssätze der Calvinisten und diese Glaubensinhalte werden nicht als blosse Abstraktionen, sondern als lebendige, lebenswichtige Wahrheiten erachtet, die das ganze Leben motivieren und bestimmen. Wir können nun sagen, dass das grundlegende Prinzip die Glaubenslehre von Gott ist. Wissenschaftliche Forscher mögen nun das Grundprinzip, was für die gesamte kalvinistische Bewegung der ersten 150 Jahre charakteristisch ist und wobei sie mit dem Philosophen W. Dilthey einig sind, so beschreiben: der Calvinist jener Zeit setzte [den dreieinige] Gott ins Zentrum seines Denkens. 5 Eine Untersuchung der kalvinistischen Bekenntnisse, besonders jener der frühen Reformationszeit, oder die Werke Calvins geben dazu ausreichende Beweise.6
Der zentrale Gedanke des Calvinismus ist also eine erhabene Gottesbild
Jemand bemerkte einmal: „So wie der Methodist die Errettung der Sünder, der Baptist das Geheimnis der Wiedergeburt, der Lutheraner die Rechtfertigung durch den Glauben, der Herrnhuter die Wunden Christi, der griechisch Orthodoxe das Mysterium des Heiligen Geistes und der Katholik die Universalität der katholischen Kirchen hervorhebt, in der Weise betont der Calvinist die Glaubenslehre über Gott.“7 Der Calvinist beginnt nicht mit irgend einem Anliegen des Menschen, wie zum Beispiel seine Errettung oder Rechtfertigung, sondern richtet immer seine Gedanken wie folgt: Wie kommt Gott zu seiner Ehre! Er verucht also folgendes biblisches Prinzip zu verwirklichen: „Von ihm, und durch ihn und für ihn sind alle Dinge. Ihm sei Ehre ewiglich“8